"Leichen trieben überall": Flüchtlingsdrama in Italien
Nach dem Flüchtlingsdrama vor der Küste der süditalienischen Region Kalabrien mit mindestens 59 Toten wird am Montag die Suche nach Vermissten neu aufgenommen. Nach Angaben des italienischen Innenministers Matteo Piantedosi werden noch bis zu 30 Menschen gesucht.
Bei den 59 bisher geborgenen Leichen handelt es sich um 21 Männer, 24 Frauen und 14 Minderjährige, neun Buben und fünf Mädchen. Zu den Todesopfern zählen auch Zwillinge. Die minderjährigen Todesopfer sind zwischen acht Monaten und 13 Jahren alt.
Ganze Familien kamen bei dem Unglück ums Leben. 82 Personen konnten sich retten. 22 Überlebende wurden ins Spital eingeliefert, ein Mann kämpft um sein Leben.
Das überladene Fischerboot, das laut der Küstenwache circa 120 Personen aus dem Iran, Pakistan und Afghanistan an Bord hatte, konnte dem rauen Meer nicht standhalten und prallte wenige Meter vor der Küste gegen Felsen. Es zerbrach in zwei Teile. Die Trümmer seien 300 Meter vor der Küste verstreut, hieß es. Viele Überlebende konnten bis zum Ufer schwimmen.
Nach Angaben von Überlebenden befanden sich 140 bis 150 Menschen an Bord, ehrenamtliche Helfer von "Ärzte ohne Grenzen" sprechen von 177 Personen.
Das Boot war vor vier Tagen vom osttürkischen Izmir abgefahren.
"Sahen überall Leichen treiben"
Die Rettungseinheiten, die nach dem Schiffbruch vor der Küste der süditalienischen Region Kalabrien zum Einsatz kamen, waren mit dramatischen Szenen konfrontiert. "Als wir an der Stelle des Schiffbruchs ankamen, sahen wir überall Leichen treiben. Wir retteten zwei Männer, die einen kleinen Buben über Wasser hielten. Leider war das Kind tot", berichtete Laura De Paoli, eine Ärztin, die die Küstenwache bei der Seenotrettung unterstützt.
"Wir haben die beiden Männer gerettet. Sie sind der Bruder und der Onkel des leblosen Kindes. Wir versuchten, den Buben zu beleben, aber seine Lungen waren voller Wasser. Er war sieben Jahre alt", berichtete De Paoli laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. Die Ärztin mit langjähriger Erfahrung in der Seenotrettung war an Bord des Patrouillenbootes der Hafenbehörde der Stadt Crotone, das sofort nach dem Schiffbruch eingriff.
Hoher Seegang
"Es herrschte hoher Seegang, es war schwierig, sich zu nähern. Das Boot der Migranten lag bereits in Trümmern am Strand, und um uns herum trieben viele Leichen", berichtete die Ärztin, die bereits bei der Seenotrettung mit verschiedenen humanitären Vereinigungen und NGOs zusammengearbeitet hat. "Ich war bei vielen Seenotrettungen dabei, aber es hatte bisher keine Tote gegeben, dieses Mal war es verheerend", so De Paoli.
Der langjährige Arzt auf der Insel Lampedusa und EU-Parlamentarier Pietro Bartolo forderte die Einrichtung eines europäischen Rettungsdienstes im zentralen Mittelmeerraum. "NGOs und ein europäischer Rettungsdienst können den Unterschied zwischen Leben und Tod im Mittelmeer ausmachen", so Bartolo.
Die Migranten, die sich auf dem schiffbrüchigen Fischerboot befanden, fielen 150 Meter vom Ufer entfernt ins Wasser, als das Boot wahrscheinlich auf einen unter Wasser liegenden Felsen auflief, berichteten ehrenamtliche Helfer von "Ärzte ohne Grenzen" (MSF).
Nach Angaben von MSF befanden sich 177 Personen an Bord des Bootes. Bei den Überlebenden handelt es sich fast ausschließlich um Afghanen. "Alle Überlebenden sind verzweifelt, jeder hat einen Angehören verloren", berichteten die Helfer von MSF.
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