Italien zwingt Rettungsschiffe mit Migranten nach Norditalien
aus Mailand Andrea Affaticati
Eigentlich sollte die Geo Barents, das Rettungsschiff von Ärzte ohne Grenzen, am Mittwoch im Hafen von Ancona einlaufen. Das Wetter auf See war aber so miserabel, dass es nur im Schritttempo vorankam. Donnerstagfrüh war es nach fast fünftägiger Seefahrt so weit: Von Bord gingen 73 Migranten, darunter 18 Minderjährige, die man im Mittelmeer gerettet hatte.
"Die Fahrt war eine Herausforderung, die man absolut hätte vermeiden können", sagt Jana Ciernioch dem KURIER. Sie unterstützt die Geo Barents von Rom aus, ist aber – wie in diesem Fall – auch oft an Bord. "Wir hatten meterhohe Wellen, mussten alle aufs obere Deck bringen, das untere war überflutet. Alle waren seekrank. So etwas Menschen zuzumuten, ist unverantwortlich."
Neues Gesetz
Ancona liegt 1.500 Kilometer nördlich von der libyschen Such- und Rettungszone. Normalerweise werden die Schiffbrüchigen nach Sizilien oder Kalabrien gebracht. Die Behörden haben der Geo Barents aber den Hafen von Ancona zugewiesen. Die mehrfache Bitte, ihr wegen des Wetters einen näheren zuzuweisen, wurde abgewiesen.
Der Grund: Seit 1. Jänner gelten in Italien neue Regeln für NGOs. Sie müssen den sicheren Hafen anpeilen, der ihnen zugewiesen wird – und dürfen nach der ersten Rettungsaktion keine weitere durchführen, auch wenn sie auf Menschen in Seenot stoßen. Dass man Menschen so zusätzlichem Leid ausliefere, verneint Innenminister Matteo Piantedosi: "Italien hält sich an internationales Seerecht. Es kann aber nicht sein, dass immer nur süditalienische Häfen angedockt werden."
Das mit dem Seerecht stimmt aber nicht ganz. "Freilich werden wir nach der ersten Rettungsaktion auch anderen Menschen in Not helfen, sollten wir sie entlang unserer Route ausmachen. Wenn nicht, würden wir gegen das internationale Seerecht sowie das europäische Recht verstoßen", sagt Jana Ciernioch.
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