Lebenstraum erfüllt: 82-Jährige fliegt mit Jeff Bezos ins All
Bezos hebt ab - der nächste Milliardär bring Passagiere ins All
Als junges Mädchen zog sich Wally Funk manchmal ein rotes Superman-Cape über und sprang vom Dach der Scheune ihrer Eltern in einen Heuhaufen, „um zu fliegen.“
Wer so startet, will hoch hinaus. Und vor fast genau 60 Jahren war Wally Funk schon fast so weit: Die US-Weltraumbehörde NASA spielte mit dem Gedanken, die damals 22-Jährige zur ersten Astronautin zu machen.
Zäher als die meisten Männer
Eine private Firma hatte ein beinhartes Testprogramm ausgetüftelt. Funk trank radioaktives Wasser, schluckte einen ein Meter langen Gummischlauch und ließ sich die Ohren vereisen.
Läuft alles nach Plan, wird die „New Shepard“ am Dienstag um 15.00 Uhr (MESZ) vom Blue-Origin-Gelände im US-Bundesstaat Texas starten. Ihren höchsten Punkt wird die dann von der Rakete abgetrennte Kapsel in mehr als 100 Kilometern Höhe erreichen.
Danach soll das Raumschiff wieder in die Erdatmosphäre eintreten und durch Fallschirme abgebremst in der texanischen Wüste aufsetzen. Insgesamt soll der Flug ins All rund zehn Minuten dauern.
Dabei erwies sich die in den Bergen von Taos im Bundesstaat New Mexiko groß gewordene Frau als jüngste von 13 Teilnehmerinnen als ausgesprochen zäh. Zäher als viele Männer. Aber am Ende bekam die NASA kalte Füße.
An Funks Stelle durfte John Glenn die berühmte Mercury-Rakete „Friendship 7“ betreten und als erster Amerikaner die Erde umkreisen – obwohl er Funk in den Stress- und Tauglichkeitstests unterlegen war. Vor allem in der Isolationskapsel, wo viele Männer nach drei Stunden die weiße Fahne hissten. Wally Funk hielt es dort mehr als drei Mal so lange aus.
Weitere Anläufe, um ein weibliches Bein in die Tür zur Raumfahrt zu kriegen, scheiterten Ende der 70er-Jahre.
Wo andere aufgesteckt und ihren Traum an den Nagel gehängt hätten, machte Funk immer weiter. In Russland erwarb sie sogar die Qualifikation zur Kosmonautin. Nun wird ihre Hartnäckigkeit belohnt.
Die in der Nähe von Dallas/Texas lebende Pilotin wird gemeinsam mit Amazon-Chef Bezos (57), dessen Bruder Mark und dem 18-jährigen Physik-Studenten Oliver Daemen, der das 28 Millionen Dollar teure Ticket von seinem Vater geschenkt bekommen hat, in der Raumfähre „New Shepard“ ins All starten und dabei durch schiere Anwesenheit einen Weltrekord aufstellen.
Wally Funk ist 82. Noch nie startete eine Seniorin dieses Alters in die Schwerelosigkeit.
Auf die Frage, was sie am 20. Juli rund 100 Kilometer über der Erde sagen wird, entgegnete die selbstbewusste Funk: „Endlich!“ Und nach der Landung? „Herzchen, das war das Beste, das mir jemals passiert ist!“
„Der Platz einer Frau ist im Cockpit“
Funk, die mit richtigem Vornamen Mary Wallace heißt, hat ihr gesamtes Leben der Sehnsucht geopfert, den Sternen möglichst nah zu sein. Sie hat nie geheiratet, war nie richtig sesshaft oder fest gebunden. Geld und Spenden steckte sie, wann immer möglich, in Ausbildungsprogramme zur Astronautin. Auf ihrem Auto stand lange Zeit: „Der Platz einer Frau ist im Cockpit.“
Weil es mit dem All nichts wurde - ihr fehlt ein Ingenieurstudium - verlegte sie sich auf die Luftfahrt. Knapp 20.000 Flugstunden hat sie auf den Schultern. 3.000 Männern und Frauen brachte sie Start und Landung bei. Bei der US-Flugbehörde FAA, der Behörde für Transportsicherheit (NTSB) und dem US-Militär durchbrach sie Glasdecken – als jeweils erste Inspekteurin bzw. Fluglehrerin.
Frühe Begeisterung
Angesteckt vom Aviation-Virus wurde Funk wohl als Baby. Sie besuchte mit den Eltern, die einen kleinen Supermarkt führten, einen Flugplatz. Das reichte.
Als Neunjährige absolvierte Funk ihre erste Flugstunde. Im Teenager-Alter folgte die Piloten-Lizenz. Mit 21 war sie bereits Ausbilderin auf der Luftwaffenbasis Fort Sill in Oklahoma. Und süchtig. „Ich werde fliegen, bis ich sterbe“, ist so ein Satz, den Funk immer wieder loslässt.
Auf Nummer sicher
Bei ihrer Ambition, ins All zu kommen, ist die extrem enthusiastische und jugendliche wirkende Funk nicht wählerisch. Sie fliegt jetzt mit Bezos, hat aber bei dessen gerade erfolgreich jungferngeflogenen Konkurrenten Richard Branson auch 200.000 Dollar für einen Flug mit Virgin Galactic angezahlt. Sicher ist sicher.
Ihr Lebensmotto ist schließlich der verpassten Chance von 1961 abgerungen: „Wally to the Stars“, Wally zu den Sternen.
Dass sie den Ausflug ins All am Dienstag überstehen wird, steht für sie fest. W. R. Lovelace, der Arzt, der in den 60ern das besagte Testprogramm entwickelte, bilanzierte danach, dass Frauen physisch deutlich besser für Weltraumflüge geeignet seien und schneller mit Stress und Isolation zurechtkämen als Männer. Er dachte dabei vor allem an Wally Funk. Jeff Bezos wird sich bald daran erinnern.
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