Kirche in Lateinamerika kämpft gegen Impfskepsis
Kein Tag vergeht ohne neue Hiobsbotschaften in Lateinamerika: In Brasilien hat sich die Zahl der Menschen, die täglich an Covid-19 sterben, auf über 3.000 eingependelt.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen teilte am Mittwoch mit, Peru habe durch das Virus inzwischen die höchste Übersterblichkeitsrate weltweit, und in Argentinien steigt die Armutsrate als Folge einer harten Lockdown-Politik nahezu täglich an.
Der Ausweg aus der Krise ist: Impfen. Zwar fehlt auch in vielen Ländern Lateinamerikas noch der Impfstoff, weil Regierungen in Buenos Aires oder Brasilia aus ideologischen Gründen nicht alle Chancen nutzen und ein schlechtes Beschaffungsmanagement zeigten, oder weil die reichen Industrienationen den Markt leergefegt haben. Es gibt allerdings auch eine weit verbreitete Impfskepsis.
Die liegt unter anderem an impfkritischen Äußerungen von Politikern wie Brasiliens Präsident Jair Messias Bolsonaro. Die katholische Kirche in Lateinamerika hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Menschen davon zu überzeugen, sich immunisieren zu lassen.
Fake-News und Gerüchte im Umlauf
"Ich glaube, dass es falsche, schlechte Informationen über Impfungen gibt", sagte Bischof Luis Martin Barraza Beltran aus dem mexikanischen Torreon. Es zirkulierten "Fake News" und Warnungen, die die Bevölkerung verunsichern. Dabei könnte die Impfung eine Covid-Erkrankung oder zumindest einen schweren Verlauf verhindern.
Der Vorsitzende der Brasilianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Walmor Oliveira de Azevedo von Belo Horizonte, erklärte nach seiner eigenen Impfung, die Immunisierung sei ein unverzichtbarer Schutz für die Bevölkerung. "Die Impfung schützt all jene, mit denen wir zusammenleben, und reduziert die Möglichkeit, die Krankheit zu übertragen", sagte Oliveira de Azevedo. Wenn die Menschen verstünden, dass sie untereinander solidarisch sein müssten, könne man die Pandemie besiegen.
Ähnlich äußerte sich der Generalsekretär der Kolumbianischen Bischofskonferenz, Weihbischof Elkin Alvarez. In Zeiten der Pandemie seien Impfungen eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Die Regierung in Bogota müsse alle Maßnahmen ergreifen, um die Pandemie zu stoppen.
In Venezuela rief die örtliche Bischofskonferenz dazu auf, im Rahmen einer Impfkampagne "Wege eines gegenseitigen, politischen Verständnisses" zu suchen. Niemand aus der Bevölkerung dürfe ausgeschlossen werden, "ohne Ausnahme und Diskriminierung". Die Regierung müsse die Impfungen ohne irgendwelche Bedingungen sicherstellen.
Ein zweites großes Thema, für das sich die katholische Kirche in Lateinamerika einsetzt, ist die Impfgerechtigkeit. Weil die reichen Nationen den Markt leerkaufen, blieben ärmere Länder auf der Strecke. "Die Corona-Pandemie hat die Missstände im Gesundheitswesen weltweit und ganz besonders in Lateinamerika noch einmal offengelegt. Ob medizinische Versorgung oder Impfungen - sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen zahlen wieder einmal den höchsten Preis, sagte jüngst der Hauptgeschäftsführer des deutschen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Pater Michael Heinz.
Besonders betroffen sind demnach die Indigenen und Afroamerikaner: "Seit Jahrzehnten wird die medizinische Versorgung dieser wirtschaftlich und politisch benachteiligten Gruppen vernachlässigt", so Pater Heinz. "Die Konsequenzen werden angesichts der Corona-Pandemie auf dramatische Weise sichtbar."
Der Adveniat-Chef fordert deshalb: "Die Produktionskapazitäten für die Impfstoffe müssen global ausgeweitet werden, nicht nur in der Europäischen Union." Europa habe wegen seiner kolonialen Geschichte eine besondere Verantwortung für Lateinamerika.
Noch heute seien die damals geschaffenen Strukturen mitverantwortlich für die soziale Ungleichheit und damit auch für die deutliche Schieflage in der medizinischen Versorgung der Menschen. "Aus dieser Verantwortung heraus muss das Ziel sein, für die einkommensschwachen Bevölkerungsschichten in Lateinamerika patentgeschützte Impfstoffe zugänglich und bezahlbar zu machen. Wenn das nur möglich ist, wenn Patentrechte ausgesetzt werden, dann muss die Politik das durchsetzen", unterstrich Heinz.
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