Wenn ein Kind 40 Euro und falsche Versprechen kostet

Wenn ein Kind 40 Euro und falsche Versprechen kostet
Subeshna Thapa befreit indische Kinder aus illegalen Arbeitsverhältnissen. Unterstützung bekommt sie auch aus Österreich.

In 18 Jahren als Kinderrechtlerin in Indien erlebt man viele grausame Lebensgeschichten, das wird im Gespräch mit der Nonne Subeshna Thapa in Wien klar. 

Verarmte Eltern, die eins ihrer fünf, sechs Kinder hergeben - in der Hoffnung, damit den anderen zumindest eine winzige Chance auf eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Mittelmänner, die der Familie falsche Versprechen und umgerechnet 40 Euro geben und die Kleinen dann mitnehmen - an Orte, die die Angehörigen oft nicht kennen. 

Und die Buben und Mädchen selbst, die auf Teeplantagen, als Küchenhilfen oder Reinigungspersonal ausgebeutet, geschlagen, vergewaltigt werden - und mit dem Wissen aufwachsen müssen, dass die eigenen Eltern sie verkauft haben.

Kinder, die auf Tischen schlafen 

Ruhig, aber bestimmt, erzählt Thapa von Kindern, die durstig, hungrig und auch krank zum Teil tagelang durcharbeiten müssen. Oder die in Restaurants schuften und dann auf den Tischen schlafen, weil sie keine Betten haben. 

Das jüngste der ungefähr 500 Kinder, die sie bisher mit ihrer Organisation Bal Suraksha Abhiyan Trust (BSA) aus illegalen Arbeitsverhältnissen befreien konnte, sei ein sieben Jahre altes Mädchen gewesen: „Sie musste sich um Babys kümmern, dabei war sie selbst fast noch eins.“ Schon seit Jahren lebt das Kind nun bei Thapa im Kinderheim, zusammen mit Dutzenden anderen.

Wenn ein Kind 40 Euro und falsche Versprechen kostet

Subeshna Thapa in Wien 

Viele Eltern nehmen die Kinder nicht zurück

Es sei oft nicht nur eine Riesenherausforderung, die Familien der Kinder überhaupt ausfindig zu machen, sondern die Eltern dann auch dazu zu bringen, sie wieder zurückzunehmen. Denn viele können sich das nicht leisten. Thapa hatte auch schon Fälle, in denen Eltern ihre Kinder nach der Rettung wieder verkauft haben. 

Im ostindischen Kalimpong in Darjeeling/Westbengalen, wo die Kinderrechtlerin aktiv ist, liegen Armut und Reichtum ganz nah beieinander. Einerseits leben 60 Prozent der rund zwei Millionen Bewohner des Distrikts unter der Armutsgrenze. Andererseits ist die Gegend im Land für ihre Eliteschulen berühmt.

Mittlerweile ist Kalimpong Stadt dank Thapa und ihren rund 30 Kollegen weitestgehend kinderarbeitsfrei - womit sie sich auch zahlreiche Feinde gemacht haben. "Ich habe mich schon oft nicht sicher gefühlt", so Thapa. Geschäftsmänner, Polizeioffiziere, Regierungsmitarbeiter - sie habe bereits viele wütende Anrufe von einflussreichen Menschen erhalten. 

Denn jedes Mal, wenn die Organisation ein Kind rette, melde sie das auch der Polizei und fordere Aufklärung: "Da gehen wir keine Kompromisse ein - egal, mit wem wir es zu tun haben." Wenn sie danach eine Pressekonferenz hält, verlässt sie manchmal tagelang das Haus nicht. 

Unterstützung aus Österreich

Nach den Erfolgen in der Stadt liegt der Fokus ihrer Arbeit nun auf Dörfern, aber auch auf Präventionsmaßnahmen sowie den bereits geretteten Kindern - in Form von Schulbildung, Therapie, Sport- und Selbstverteidigungsprojekten. Geld erhält die Organisation u. a. auch aus Österreich, über die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar. 

Was Thapa betont, wonach sie immer wieder gefragt werde: Sie sei zwar Glaubensschwester, aber die Religion der Kinder sei für sie völlig irrelevant. "Wir wollen die Kinder schützen und fördern keine Religion, das haben wir auch nie", sagt sie.

Insgesamt müssen in Indien noch immer mehr als zwei Millionen Kinder arbeiten, weltweit sind es nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und UNICEF 160 Millionen. 

Kommentare