Das führe zu weniger Lebensqualität und dem Gefühl, auf der Verliererseite zu leben, obwohl es den Menschen aus ökonomischer Sicht dort heute viel besser geht: Die Arbeitslosigkeit ist gesunken, es gibt Jobs. Aber die Tristesse überwiegt und wirkt destabilisierend auf die Gesellschaft – und beeinflusst letztlich auch die politische Kultur: "Wenn sich Menschen benachteiligt fühlen gegenüber anderen; Abstiegsängste entwickeln, dann sind sie anfälliger für Fremdenfeindlichkeit, Abwertung anderer Minderheiten, Demokratieskepsis bis hin zu antidemokratischen Tendenzen."
Dazu kommt, dass viele der Männer im Alter von 25 und 45 in einem Land aufwuchsen, wo sich der Rechtsextremismus mit Vereinen gezielt in abgelegenen Gebieten ausgebreitet hat – von Musik bis Kampfsportgruppen. Auch hier spielen Frauen eine große Rolle: "Aus Aussteigerprogrammen weiß man, dass eine Beziehung oder Familiengründung vielen hilft, aus der Szene rauszukommen. Das fehlt hier."
Für die Soziologin ist klar, dass diese Regionen Zuwanderung brauchen, doch das Image von "Dunkeldeutschland" und die fehlende Infrastruktur würden kaum jemanden anlocken. Dabei gibt es durchaus positive Entwicklungen: Der Abwanderungstrend hat sich eingependelt. 2017 zogen erstmals seit der Wiedervereinigung mehr Menschen von West nach Ost als umgekehrt. Die wirtschftliche Situation hat sich seit 2000 besonders in Thüringen und Sachsen verbessert. Davon profitieren bisher nur die Städte, weiß die Forscherin zu berichten.
Mehr Gleichberechtigung als im Westen
Generell wären aber die Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt nicht schlecht: "Nach den üblichen Indikatoren für Gleichberechtigung, ist Westdeutschland auf einem niedrigeren Niveau als Ostdeutschland", so Salomo. Das Angebot an Kindertagesstätten ist im Osten, anders als im Westen, flächendeckend und dass Kinder, auch schon die jüngsten, in die Krippe und den Kindergarten gehen ist normal. Das Lohnniveau ist im Osten zwar geringer, aber die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen klein: Sie liegt bei sieben Prozent, in Westdeutschland bei 22 Prozent. Zudem sind laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung mehr Frauen in Führungspositionen. Auf der ersten Führungsebene sind es im Osten 31 Prozent gegenüber 25 Prozent im Westen. Auf der zweiten Führungsebene 46 Prozent im Osten gegenüber 40 Prozent im Westen.
Ob diese Entwicklungen oder Einstellungen zu Arbeit noch aus DDR-Zeiten stammen? Katja Salomo ist skeptisch: "Ja und Nein", sagt sie und erklärt: "Die DDR hatte keinen emanzipierten Blick auf die Frauen. Klar, sie durften bzw. mussten mitarbeiten, das war aber keine freie Entscheidung der Frauen. Man brauchte Arbeitskräfte und musste die Produktivität steigern. Gleichzeitig wurde ihnen weiterhin die wesentliche Arbeit für Haushalt und Kindererziehung auferlegt. Doppelschicht nannte man das." Ihr Fazit: Zuerst war es Zwang, dann wurde es zur Norm und jetzt ist es ein Wert.
Bei allem Optimismus steht Ostdeutschland aber vor einem Problem, das hier noch gravierender ausfallen wird als anderswo: Die Generation der Babyboomer setzt sich bald zu Ruhe. "Wenn man Thüringen als Nationalstaat sieht, wird er Japan bald eingeholt haben, was die Alterungsquote betrifft." Das können die Rückkehrer aus dem Westen alleine nicht ändern.
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