Es sind nur ein paar wenige Flugstunden für die meisten, aber Österreich scheint derzeit für viele rot-weiß-rote Auswanderer unendlich weit weg. Die scharfen Ein- und Rückreisebestimmungen machten auch in der Osterwoche einen Besuch in der alten Heimat kaum möglich. Viele haben seit bald einem Jahr Verwandte und Freunde nicht mehr gesehen. Ob es im Sommer wieder klappt, ist angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen ebenfalls unklar.
Wie geht man mit dieser Ungewissheit um? Wie ist das Pandemie-Leben in der Wahlheimat? Wie blickt man auf Österreich? Der KURIER hat eine kleine Europa-Reise gestartet und lässt vier Auslandsösterreicher zu Wort kommen.
Dänemark: Pech gehabt beim Impfen
Beinahe wäre Stephanie Dallinger schon geimpft worden in ihrer Wahlheimat Aarhus.
Aber dann kam das dänische Verbot von Astra Zeneca. „Tja, Pech“, sagt die 33-Jährige, die ihr halbes Leben bereits in Dänemark verbringt und gerade dabei ist, eine mehrjährige Ausbildung zur Pflegeassistentin abzuschließen.
Nach zwei Monaten Lockdown soll nach Ostern das Leben langsam zurückkehren in das Land, körpernahe Dienstleister dürfen wieder öffnen.
Nie zur Diskussion standen Schließungen der Bildungseinrichtungen für die jüngsten Kinder. Das begrüßt freilich auch die alleinerziehende Mutter eines Dreijährigen. „Alles andere wäre eine Katastrophe gewesen“, sagt Dallinger.
In ihre Gänserndorfer Heimat hat sie es in den vergangenen zwölf Monaten nur einmal geschafft – aus traurigem Anlass. Ihr Vater war im Sommer überraschend verstorben. „Ich hab‘ den Kleinen ins Auto gesetzt und bin losgefahren.“ 17 Stunden lang. Vor der Rückreise ist ihr dann das flächendeckende Testangebot in Österreich aufgefallen. „In Dänemark gibt’s Tests nur für Personen mit augenscheinlichen Symptomen. Alle anderen müssen zahlen.“
Finnland: Viele Empfehlungen, kaum Vorschriften
„Eher friert die Hölle zu“, sagt Daniela Sulz, „als dass in Finnland die Kindergärten schließen.“ Die 35-jährige Weinviertlerin ist davon direkt betroffen, sie arbeitet in einem deutschsprachigen Kindergarten in Helsinki. Maske trägt sie auch im Innenraum, die Bildungseinrichtungen sind damit aber die Ausnahme im hohen Norden. „Erst seit Kurzem gibt’s die Tragepflicht in den Öffis“, sagt Sulz, die seit mehr als sieben Jahren in Finnland lebt.
Generell gebe es in dem liberalen Land vor allem sehr viele Empfehlungen, wie man sich während der Pandemie verhalten soll. „Die Regierung legt sehr viel Wert darauf, nur etwas zu beschließen, was wirklich verfassungskonform ist.“
Einen echten Lockdown gab es daher nur im Frühjahr 2020. Die Menschen hielten sich schon an die Empfehlungen, „ansonsten wären unsere Zahlen viel schlechter“. Zur letzten Anti-Corona-Demo verirrten sich etwas mehr als hundert Personen. Daniela Sulz ist „sehr zufrieden“ mit dem finnischen Weg, „nur meine deutschen Kolleginnen im Kindergarten beklagen, dass es zu wenige Verordnungen gibt“.
Lediglich einmal seit Ausbruch des Virus war die 35-Jährige, die trotz ihres Berufs in der finnischen Impfreihenfolge nicht bevorzugt wird, in Österreich. Vor allem die Großeltern fehlen ihr. Videochats seien nicht deren Ding, „wir sind da oldschool und schreiben noch Briefe.“ Natürlich kein Ersatz für den persönlichen Kontakt. „Ältere Menschen sind nicht anders als Kinder“, weiß Pädagogin Sulz, „in einem Jahr verändern sie sich unglaublich stark.“
Portugal: "Weckruf für die Nation"
Als sich vor wenigen Wochen die Rettungsautos vor den portugiesischen Notaufnahmen gestaut haben, und daraufhin ein Covid-Patient in einem Wagen sterben musste, war das ein „Weckruf für die Nation“, sagt Alex Stütler.
Portugal, das sich bis in den Herbst hinein verhältnismäßig gut über die Pandemie gerettet hatte, steckte plötzlich in der Schockstarre. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag zu dem Zeitpunkt bei rund 900. „Die Isolation am 13. Jänner hätten sie vielleicht gar nicht ausrufen müssen. Das passierte automatisch, weil alle so geschockt waren“, sagt der 39-jährige Österreicher, der mit seiner Familie in Lissabon lebt.
Doch genauso schnell, wie sich die Menschen isoliert hatten, ließen sie der Normalität wieder freien Lauf, als der Lockdown vor rund zwei Wochen beendet war. „Wir gehen oft spazieren und in Parks in der Umgebung. Der Lissabonner ‚Hauswald‘ Montsanto ist total überfüllt, da sitzen Studentengruppen und trinken – ohne Masken“, sagt Stütler.
Einen Impftermin hat der Tiroler nicht, obwohl seine aus Kanada stammende Frau schwanger ist. Vor dem Sommer erwarte er sich das auch nicht: „Wir sind hier in Portugal!“ Bis Mitte Mai will die portugiesische Regierung wieder zur Normalität zurückkehren. „Aber wenn die Leute so weiter machen, dann wird das wohl nichts.“ Da die österreichischen Behörden Portugal weiterhin als Risikogebiet einstufen, darf Stütler derzeit nur aus beruflichen Gründen einreisen. Vor hat er das derzeit ohnehin nicht.
Niederlande: Shoppen, aber kein Bummeln
Stefanie König ging nach Amsterdam für einen Neustart und um ein neues Land zu entdecken. Viel zu sehen bekommen hat die 33-jährige Wienerin von den Niederlanden noch nicht. Ein halbes Jahr war sie gerade in der neuen Wahlheimat, da kam die Pandemie über die Welt. Seither sitzt sie in Zentrumsnähe in ihren 26 Quadratmetern im Homeoffice, ab 21 Uhr gilt eine Ausgangssperre. "Immerhin in die Parkanlagen kann ich untertags. Die Park-Kultur ist riesig in Amsterdam", sagt die Angestellte.
Als die Coffeeshops komplett schließen mussten, gab es nach sechs Stunden einen Aufstand."
von Stefanie König
über ein niederländisches Heiligtum
In Geschäfte darf man nur mit Termin und nach vorangegangener Ankündigung, was man denn kaufen will. "Macht kaum jemand", sagt König. Bummeln ist untersagt. Bars und Restaurants sind ebenfalls zu, nur eines machten die Amsterdamer in der Pandemie einfach nicht mit: "Als die Coffeeshops komplett schließen mussten, gab es nach sechs Stunden einen Aufstand."
Auch die Wienerin hofft im Sommer nach einem Jahr wieder nach Österreich kommen zu können. Eher nicht als Geimpfte, denn "hier wird gerade mal begonnen, in den Pflegeheimen zu impfen".
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