Deutscher Kirchenjurist bittet um Vergebung: "Ich schäme mich"

Bischof Reinhard Marx bat den Juristen, sich zu erklären
„Es ist eine Schande, dass sexueller Missbrauch in der Kirche überhaupt geschehen ist. Und da kann ich mich nur schämen..."

Nach dem Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising hat der hohe katholische Kirchenvertreter Prälat Lorenz Wolf die Opfer für eigene Fehler bei der Aufarbeitung der Taten ausdrücklich um Entschuldigung gebeten. „Ich möchte dafür aus tiefstem Herzen um Verzeihung bitten, um Vergebung“, sagte Wolf am Donnerstag in München. Er ist der höchste Kirchenrichter des Erzbistums und wird in dem von der Kirche beauftragten Gutachten schwer beschuldigt.

"... den Ton nicht getroffen und Hilferufe nicht gehört..."


"Es ist eine Schande, dass sexueller Missbrauch in der Kirche überhaupt geschehen ist“, sagte Wolf. "Und da kann ich mich nur schämen, schämen auch dafür, dass auch ich Schuld auf mich geladen habe, immer wenn ich mich nicht nachhaltig genug an die Seite der Opfer gestellt habe, immer dann, wenn ich die Situation falsch eingeschätzt habe, zu kurz angebunden war, den Ton nicht getroffen habe oder Hilferufe nicht gehört habe.“


Die Stellungnahme erfolgte im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (BR) per öffentlicher Videoschaltung. Wolf ist Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der ARD-Anstalt. Wegen der Kritik an ihm lässt er diese Aufgabe wie auch alle seine kirchlichen Ämter derzeit ruhen, ist aber nicht zurückgetreten.


Wolf ist seit 1997 als Offizial höchster Kirchenrichter im Erzbistum München-Freising. Er leitet zudem das Katholische Büro in Bayern - die Verbindungsstelle aller Bistümer im Freistaat zur Politik.

Kritik in zwölf Fällen

Die Gutachter halten Wolf Fehlverhalten als Kirchenjurist beim Aufarbeiten von Fällen sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese vor. Konkret sprechen sie von zwölf Fällen mit "Anlass zur Kritik“. Er habe zudem zu sehr zugunsten der Priester und Täter gehandelt sowie zu wenig im Sinne der Opfer und teils zu skeptisch ihnen gegenüber.


Wolf entgegnete in seinem Statement: „Mein stetes Bemühen war, Täter dingfest zu machen, um sie zu bestrafen und um zukünftige Taten zu verhindern. Und meine Absicht war immer, Betroffenen beizustehen und sie zu unterstützen.“ Er werde "selbstverständlich zu allen Bewertungen“ des Gutachtens Stellung nehmen. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat ihm dafür eine Frist gesetzt, sich zeitnah zu erklären.


Die Kirchen dürfen bestimmte interne Angelegenheiten mit ihrer eigenen Gerichtsbarkeit selbstständig juristisch regeln. Allerdings gelten auch im innerkirchlichen Bereich die allgemeinen Gesetze und etwa in Missbrauchsfällen das Strafrecht und die staatliche Gerichtsbarkeit.


Zur Arbeit auch als Untersuchungsführer bei der Aufklärung sagte Wolf: "Der Beschuldigte wurde in der Regel, wenn die Anzeigenden dem nicht widersprachen, der Staatsanwaltschaft gemeldet.“ Dem Rundfunkrat sagte er: "Ich kann Ihnen versichern, dass mir meine Verantwortung bewusst ist und ich dafür auch einstehe und dass ich gerechtfertigte Schelte hinnehme.“

235 mutmaßliche Täter

Das vom Erzbistum München und Freising selbst in Auftrag gegebene Gutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) war zu dem Ergebnis gekommen, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt worden waren. Die Gutachter gehen von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern, zugleich aber von einer deutlich größeren Dunkelziffer aus.

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