Costa-Concordia-Unglück: Kapitän Feigling und die "verdammte Nacht"
„Unvorstellbar für uns alle“ sei das Manöver gewesen, und das Totalversagen des Kapitäns Francesco Schettino in moralischer Hinsicht.
„Wir waren von dem, was Schettino gemacht hat, völlig erschüttert, und wir sind es bis heute“, betont der ehemalige Seemann und Augenzeuge Giovanni Brizzi zehn Jahre nach dem größten Unglück eines Kreuzfahrtschiffs mit 32 Toten vor der Insel Giglio am 13. Jänner 2012.
Die 32 Menschen ertranken in ihren Kabinen, in Gängen oder beim Versuch, das nahe Ufer im eisigen Wasser schwimmend zu erreichen. Die Schreie der 3.216 Passagiere, darunter 77 Österreicher und 1.013 Besatzungsmitglieder, hallen nach. Auch bei dem Mann, der das Unglück in seinem Größenwahn verursacht hatte. Der Kapitän wollte eine „Verbeugung“ machen, also das Schiff zur Seite lehnen, um einem ehemaligen Kapitän, der auf Giglio wohnte, seine Reverenz zu erweisen.
Das Manöver ging schief: Die 290 Meter lange und 120.000 Tonnen schwere Costa Concordia war mit 40 km/h bis auf wenige Meter an die Felsenküste herangefahren und auf der linken Seite auf einer Länge von 70 Metern aufgeschlitzt worden, ähnlich wie 100 Jahre zuvor die Titanic vom Eisberg. Es ist Freitag, 21.45 Uhr.
In der Folge fiel der Strom aus, das Schiff begann sich beharrlich zu neigen, bekam bald 65 Grad Schlagseite, doch der Kapitän weigerte sich, eine Evakuierung vorzubereiten.
Um 22.30 Uhr meuterten die Offiziere, um 22.58 Uhr ertönte das Notsignal. Unter den Passagieren brach Panik aus, alle wollten zu den Rettungsbooten, viele sprangen ins eiskalte Wasser. Passagiere, die versuchten, auf der Steuerbordseite in die Boote zu gelangen, wurden in den Gängen eingeschlossen, die sich in tödliche vertikale Tunnel verwandelten. Der Vizebürgermeister von Giglio stieg über Strickleitern an Bord und brachte Seile. „Die Seile warfen wir den Leuten zu. Auf diese Weise haben wir ein Dutzend Menschen gerettet“, sagte der damalige Schiffsarzt Dr. Sandro Cinquini später La Republica.
Einige dieser Seile sind jetzt in der Kirche der Heiligen Lorenzo und Mamiliano in Giglio Porto ausgestellt.
„Vada a bordo, cazzo!“
Francesco Schettino zeichnete sich auch nach dem Unglück durch Feigheit aus. Denn er „fiel“ als einer der ersten mit Domnica Cemortan, einer jungen Frau aus Moldau, die ihn später vor Gericht verteidigte, in ein Rettungsboot.
Der zuständige Offizier der Küstenwache in Livorno, Gregorio de Falco, forderte Schettino über Funk dann mehrmals auf, auf das Schiff zurückzukehren und den Passagieren beizustehen. Diese äußerst emotionale Unterhaltung gipfelte in dem Satz: „Kehren Sie zurück an Bord, Sie Scheißkerl“. („Vada a bordo, cazzo!“). Schettino geht als „Kapitän Feigling“ in die Geschichte ein, Gregorio de Falco gilt als Held.
Der Kapitän wurde wegen fahrlässiger Tötung in 32 Fällen, fahrlässigen Schiffbruchs und Falschaussagen zu 16 Jahren Haft verurteilt. Er sitzt seine Strafe im römischen Rebibbia-Gefängnis ab.
Am Pier von Giglio erinnert eine Denktafel an die 32 Opfer des Schiffsunglücks: 27 Passagiere, zwei Kellnerinnen, ein Aufseher, ein Schlagzeuger und ein Geiger.
Fast zweieinhalb Jahre brauchten Spezialisten, um das Unglücksschiff wieder aufzurichten und für seine letzte Fahrt zu präparieren. Die Reste der Costa Concordia wurden von vier Hightech-Schleppern nach Genua gebracht, wo das 450 Millionen Euro teure Schiff verschrottet wurde.
Schettino studiert jetzt in der Haft Jus und sagt, dass er ständig „an jene verdammte Nacht“ denke. Er fühlt sich höchstens „teilschuldig“.
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