Alleine im Winter auf den Everest...ohne Sauerstoff
Alleine auf den höchsten Berg der Welt, ohne Sauerstoff und mitten im Winter. Das hat bisher noch niemand geschafft und Jost Kobusch weiß, dass seine Chancen ganz nach oben zu kommen "sehr gering" sind. Es besteht auch die Möglichkeit, dass er nicht wieder zurückkehrt. Und die Wahrscheinlichkeit, dass er, wenn etwas schrecklich schief läuft, gerettet wird, sind laut dem amerikanischen Bergsteiger und Blogger Alan Arnette praktisch gleich null.
Möglich, oder unmöglich?
Aber den 29-Jährigen, der ursprünglich aus Borgholzhausen nahe Bielefeld kommt, reizt es gerade, dass er nicht weiß, ob sein Projekt möglich ist. Er will ganz alleine, also ohne Sherpas, im Winter, wenn es besonders kalt und windig ist, und ohne Sauerstoffflaschen auf den höchsten Berg der Welt steigen, den Mount Everest. "Einige Leute sagen, dass ich spinne", sagt er. "Aber es ist eine gesunde Verrücktheit. Ich mache es ja nicht ohne Vorbereitung."
Vor zwei Jahren gescheitert
Vor zwei Jahren, kurz vor Corona, hat er es zum ersten Mal versucht - und es nach eigenen Angaben auf 7350 Meter geschafft. Nun wagt er einen zweiten Versuch - und hofft auf 8000 Meter zu kommen und dann irgendwann auf die 8848,8 Meter hohe Spitze.
Ein Sherpa
Laut dem Expeditionsarchiv "Himalayan Database" hat es bislang erst ein Sherpa im Winter ohne Sauerstoff ganz nach oben geschafft, allerdings nicht alleine. Der 2020 gestorbene Ang Rita Sherpa war im Winter 1987/88 mit einer Gruppe koreanischer Bergsteiger unterwegs. Mit einem von ihnen schaffte er es auf den Gipfel, dieser hatte allerdings künstlichen Sauerstoff dabei.
Kobusch hat bereits Rekorde gebrochen. Mit 21 bestieg er als weltweit jüngster Bergsteiger allein den rund 6800 Meter hohen Ama Dablam im Himalaya, wie ein Blick in das Expeditionsarchiv "Himalayan Database" zeigt. Und mit 25 bestieg er den rund 7300 Meter hohen Nangpai Gosum II als erster Mensch überhaupt und wurde dafür für den Oskar der Bergsteiger, den Piolet d'Or, nominiert.
"Keine Emotionen"
Trotz der vielen Gefahren auf den Bergen, denkt Kobusch oft nur auf dem Weg dorthin an den Tod - wenn er in klapprigen alten Flugzeugen zu ihnen unterwegs ist. "Ich frage mich, ob ich Rauch am Triebwerk sehe", sagt er. "Aber dann denke ich auch, dass ich ein gutes Leben hatte und nichts bereue und wenn es das gewesen wäre, wäre es gut so." Er weiß, dass sich seine Familie und seine Freundin Sorgen um ihn machen, wie er sagt. "Aber solche Gedanken schiebe ich beiseite und konzentriere mich auf das Ziel. Es ist eine sehr meditative Erfahrung und dabei spüre ich gar keine Emotionen. Aber in einigen ruhigen Momenten vermisse ich sie."
"Plötzlich kollabiert"
Auf die Everest-Spitze hat er es im Winter vor zwei Jahren noch nicht geschafft. "Die Route war schwerer als gedacht, und ein Teil von ihr war plötzlich kollabiert", sagt er. "Und der Wind war so stark, dass er mein Zelt beschädigt hat." Zudem habe er sich eine Fußüberbelastung zugezogen und während der ganzen Expedition Magenprobleme gehabt. Und dann sei der Winter Ende Februar 2020 auch schon um gewesen.
Kobusch wählte eine selten begangene Route nach oben und habe viel Zeit gebraucht sie zu erkunden, weil man nichts mehr von ihr sah, wie er sagt. Er war immer wieder ein paar Tage unterwegs und erholte sich dann in einem Zelt im Basislager, wo ein Koch und ein Küchenhelfer warten. An den schwierigsten Stellen habe er ein Fixseil befestigt, um dort schneller absteigen zu können.
"Im eigenen Bett schlafen"
Dann kam die Rückkehr nach Deutschland, er nahm es zunächst etwas gemütlicher. Denn er war monatelang auf über 5000 Meter unterwegs, wo der Körper viel Muskelmasse abbaut, wie er sagt. Er machte Physiotherapie, damit sich sein Fuß erholte. "Ich genoss den Alltag, im eigenen Bett schlafen und warm duschen zu können", sagt er. "Ich liebte die Wärme des Zuhauses. Und als meine Freundin campen wollte, wollte ich das nicht."
Aber bald begann er mit seiner Vorbereitung für den zweiten Everest-Winter-Versuch. Dieses Mal spezifischer, wie er sagt. "Ich bin zum Beispiel mit Gewichten im Rucksack auf den Berg gestiegen. Vorher habe ich einfach viel Grundlagenausdauer gemacht." Die rund 15 Kilo im Rucksack simulierten sein Gepäckgewicht auf dem Everest. Dort hat er etwa ein leichtes Zelt, einen Schlafsack, Trockennahrung, einen Kocher, Sonnencreme, Ersatzhandschuhe, Musik und ein Satellitentelefon dabei.
Auf seinem Trainingsplan standen auch Radfahren, Klettern und Krafttraining. Zudem zog er dieses Mal zum Trainieren mit seiner Freundin, einer Ultra-Trail-Läuferin, in den französischen Skiort Chamonix am Fuße des höchsten Bergs der Alpen, den Mont Blanc. Der ist mit 4810 Metern rund halb so hoch wie der Mount Everest
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