Tiroler Expeditionsleiter: "Corona am Mount Everest verschwiegen"

8.848 Meter und 86 Zentimeter ist der Everest hoch
Tiroler Bergsteiger erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden in Nepal. Reinhold Messner mit Kritik an Massentourismus.

Der Tiroler Expeditionsveranstalter Lukas Furtenbach, der mit seinem Unternehmen Furtenbach Adventures GmbH Touren auf den Mount Everest anbietet, hat massive Vorwürfe gegen die nepalesischen Behörden erhoben. Das Ministerium würde einen großen Corona-Ausbruch am Mount Everest verschweigen, erklärte Furtenbach im Gespräch mit der APA. Er vermutete, dass der Grund dafür ein rein finanzieller sei.

"Deren Intention ist es, mit allen Mitteln zu vermeiden, zuzugeben, dass sie einen Fehler gemacht haben", so der Tiroler. Heuer seien 408 Permits (Anm. Genehmigungen) für die Besteigung des Mount Everest ausgestellt worden. Dafür hätten die nepalesischen Behörden rund 4,5 Millionen US-Dollar (rund 3,7 Mio. Euro, Anm.) kassiert. Wenn nun 40 Prozent der Ausländer nicht auf den Berg gehen können - etwa wegen eines Corona-Ausbruchs - müssten die Permits verlängert werden und den nepalesischen Behörden würde kommendes Jahr einiges an Geld entgehen.

Expeditionen abgebrochen

Furtenbach Adventures habe die Expedition auf den Everest aufgrund des Corona-Ausbruchs mittlerweile abgebrochen und die Teilnehmer wieder nach Hause gebracht. Furtenbach selbst ist mittlerweile auch wieder zurück in Innsbruck. Der österreichische Honorarkonsul in Kathmandu habe ihnen dabei geholfen eine Rückreise zu organisieren. Die Entscheidung trotz Pandemie heuer eine Expedition auf den höchsten Berg der Welt zu starten, sei bereits im Februar bzw. März getroffen worden.

"Damals war die Situation in Nepal sehr gut", meinte der Tiroler. Zudem hätten ihnen die nepalesischen Behörden versichert, dass man für die Sicherheit der Expeditionsteilnehmer mit strengen Auflagen garantieren werde. Deshalb sah Furtenbach die Verantwortung nun bei den nepalesischen Behörden. Er habe die Verlängerung der Permits jedenfalls schon beantragt.

Aufgrund der Zusicherung des nepalesischen Ministeriums, eines eigenen Sicherheitskonzeptes und der Tatsache, dass sich das Team von Furtenbach Adventures komplett isoliere und nur unter sich bleibe, habe man sich dann dazu entschlossen, die Expedition zu unternehmen.

Trotzdem ist es dann zu einem Fall im eigenen Team gekommen, als es laut Furtenbach im Basiscamp bereits einen größeren Corona-Ausbruch gab. Der Teilnehmer müsse sich wohl am Berg angesteckt haben, wo die Bergsteiger oft eng beieinanderstehen würden und jeder schwer atme. Denn sonst habe es keinen Kontakt zu den anderen Teams gegeben.

Über 100 Fälle am Mount Everest

Mittlerweile gebe es über 100 Covid-Fälle am Mount Everest, meinte Furtenbach. Die tatsächliche Zahl dürfte aber noch deutlich darüber liegen, vermutete der Tiroler. Er habe viele Leute röchelnd in ihren Zelten liegen gehört. Jeder der das Tal verlasse, müsse sich eigentlich einem PCR-Test unterziehen.

Furtenbach vermutet, dass sich bis zu 50 Prozent der 1.500 Leute im Basecamp mit dem Coronavirus infiziert haben könnten. Außerdem könnten drei Todesfälle am Everest auf das Coronavirus zurückzuführen sein, meinte der Tiroler. Ein US-Amerikaner, ein Schweizer und ein nepalesischer Sherpa seien angeblich aus Erschöpfung am Berg gestorben. Furtenbach vermutete aber viel eher eine Corona-Infektion hinter den Todesfällen.

Weil Furtenbach Adventures als erstes die Expedition abgebrochen habe und auch den Corona-Ausbruch öffentlich machte, gebe es mittlerweile Gerüchte, dass das nepalesische Ministerium dem Unternehmen keine Permits mehr ausstellen wird. "Ich traue es dem Ministerium zu, es kann aber auch sein, dass nichts daran ist", meinte Furtenbach.

Groll der Regierung von kurzer Dauer

Mittlerweile hätten mehrere Veranstalter ihre Expeditionen abgebrochen, rund 50 Bergsteiger seien aber noch am Everest und würden versuchen, in den kommenden Tagen das womöglich letzte Gipfelfenster für heuer zu nutzen. Auf einer möglichen "Blacklist" des nepalesischen Ministeriums zu landen, sehe Furtenbach jedenfalls "gelassen" entgegen. Immerhin stünden bald Neuwahlen an und die Verantwortlichen, die nun "einen Groll" auf ihn hätten, gebe es bald nicht mehr. Furtenbach Adventures plane jedenfalls - sofern die Corona-Situation es zulasse - bereits im Herbst eine Expedition auf den Manaslu in Nepal.

Kritik von Reinhold Messner

Bergsteigerikone Reinhold Messner übt angesichts angeblicher größerer Corona-Ausbrüche am Mount Everest vor allem Kritik an den Expeditionsfirmen bzw. Reiseveranstaltern. Diese stünden in erster Linie in der Verantwortung, denn sie würden den Teilnehmern die Touren auch anbieten und verkaufen, sagte Messner im APA-Gespräch. Für die nepalesischen Behörden, die die Touren genehmigen, zeigte der 76-Jährige Verständnis: Schließlich müsse das arme Land vom Tourismus leben.

Jene jeweils 11.000 Dollar (9.000 Euro), die man für die Genehmigung, den Berg besteigen zu dürfen, bezahlen muss, seien schließlich viel Geld für nepalesische Verhältnisse. Darüber hinaus müsste auch noch so etwas wie Eigenverantwortung der Menschen bestehen, die den Berg in Corona-Zeiten besteigen, betonte der Südtiroler. Wenngleich es sich bei den Bergsteigern um "physisch starke Menschen" handle, die "dort nicht sterben".

Zudem sei es "zynisch", dass es in Kathmandu in den Krankenhäusern in Sachen Corona "keinen Sauerstoff für Todkranke" gebe, gleichzeitig aber im Gebirge "tausende leere Flaschen herumliegen". Und dann setzte Messner zu einer Art Generalabrechnung mit dem von ihm seit jeher viel kritisierten "Massentourismus" im Himalaja an, den Expeditionsfirmen und Reiseveranstalter wesentlich mitbefördern würden.

Kritik an Massentourismus im Himalaja

Diese würden die "Eroberung des Nutzlosen" betreiben und einen "Humbug" anbieten bzw. den Leuten etwas vorgaukeln. Eine Heerschar von Touristen würden auf, von ebenso vielen Sherpas, vorbereiteten Pisten auf den Berg geleitet. Es würde ihnen vorgegaukelt, dass sie den Mount Everest bezwingen, dabei würden sie quasi eine Pauschalreise buchen und dann "auf den Everest gebracht".

Der Mount Everest würde für dieses Tun "missbraucht": "Das ist kein Alpinismus, das ist Tourismus. Der Berg wird zu einem Zwergenberg gemacht", so Messner, der im Jahr 1980 als Erster den höchsten Gipfel der Erde ohne Flaschensauerstoff und im Alleingang erreichte.

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