Süße Krise in Kanada: Geht uns bald der Ahornsirup aus?

Der süße Ahornsirup wird gerne auf Pancakes gegessen.
Auf Pancakes und Waffeln, im Kuchen und Porridge, aber auch in Form eines Dressings auf Salat oder sogar als Verfeinerung der Pasta-Sauce: Der Ahornsirup hat es längst in die Küchen Europas geschafft.
Das hat nicht nur mit seinem besonderen, holzig-karamelligen Geschmack zu tun. Viele Gesundheitsbewusste schwören darauf, gilt er doch als nährstoffreichere und natürliche Zucker-Alternative.
Ahornsirup entsteht, wenn man den Pflanzensaft des Zucker-Ahorns einkocht. Der Dicksaft enthält geringe Mengen an Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidantien, ist jedoch reich an Magnesium. Ein Esslöffel deckt 25 Prozent des täglichen Bedarfs.
Bei der Wahl des Sirups sollte man auf den Qualitätsgrad achten, der in Europa von AA (besonders hochklassig) bis D ("Industriesirup", wird zur industriellen Verarbeitung verwendet) reicht. Dunklere Sirupe schmecken zudem am intensivsten, wodurch man in der Regel auch weniger davon verwendet - und so Zucker spart. 100 Gramm enthalten 68 Gramm Zucker.
Doch nun hat die einzige strategische Ahornsirup-Reserve der Welt, sie befindet sich - natürlich im kanadischen - Quebec, einen 16-Jahres-Tiefstand erreicht. Normalerweise können hier bis zu 133 Millionen Pfund (rund 60 Millionen Kilogramm) des klebrigen Nahrungsmittels gelagert werden. 2023 waren es jedoch nicht mal 7 Millionen Pfund. Woran liegt das? Und ist damit zu rechnen, dass der Sirup, für den man bei uns je nach Marke und Qualität pro Liter schon jetzt ungefähr zwischen 20 und 60 Euro zahlt, noch teurer wird?

Ahornsiruplager der Quebec Maple Syrup Producers in Laurierville, Quebec
Nachfrage ist gestiegen
Einerseits hängen die knapperen Reserven mit der weltweit gestiegenen Nachfrage zusammen. Etwa 75 Prozent der gesamten Ahornsirup-Produktion werden in Kanada hergestellt, es handelt sich um eine milliardenschwere Industrie. Den letzten aktuellen Zahlen zufolge exportierte das Land2021 rund 161 Millionen Pfund in weltweit 71 Länder, 19 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Simon Doré-Ouellet, stellvertretender Generaldirektor der Quebecer Ahornsirup-Produzenten, überrascht das nicht. Zur BBC sagte er, die Provinz Quebec (rund 90 Prozent des in Kanada produzierten Sirups kommen von hier) bemühe sich schon länger, Ahornsirup im Ausland bekannter zu machen. Besonders im Visier der Hersteller seien demnach die USA, Großbritannien, Deutschland, Australien und Japan.
Ahornsirup aus Kanada ist auch in Europa ein Verkaufsschlager. Das 2017 mit der EU geschlossene Freihandelsabkommen CETA garantiert den zollfreien Export. Doch genau dieses Abkommen bekommt gerade in vielen EU-Staaten politischen Gegenwind, allen voran in Frankreich.
Gemeinsam haben links- und rechtsextreme Fraktionen im Senat in Paris vor wenigen Tagen die Ratifizierung von CETA abgelehnt. Frankreich gehört zu den zehn EU-Staaten, die das Freihandelsabkommen - im Gegensatz zu Österreich - bisher nicht ratifiziert haben.
Für die Anhänger des globalen Freihandels gilt CETA ja als Musterbeispiel für die EU, die ja an anderen derartigen Abkommen - wie etwa mit den USA oder Lateinamerika - bisher gescheitert ist. In Brüssel und in den meisten EU-Hauptstädten wird derzeit ohnehin der Ruf nach neuen Handelsschranken lauter.
Der Freihandel mit Kanada läuft zwar trotz der fehlenden Unterschriften in den EU-Staaten, das aber könnte sich nach den EU-Wahlen im Juni rasch ändern, wenn auch in der EU-Kommission andere das Sagen haben.
Das Wetter wird wärmer - doch der Sirup braucht auch Kälte
Auch das durch den Klimawandel veränderte Wetter wirkt sich auf die Reserven aus: Der letzte Winter war in Kanada einer der wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen.
Ideal für die Ahornsirup-Herstellung ist aber ein Gleichgewicht zwischen nächtlichen Minusgraden und etwas wärmeren Tagestemperaturen. Die Kälte hilft dem Ahornbaum, Wasser aus dem Boden zu beziehen. Durch das wärmere Wetter entsteht ein Druck, der das Wasser hochdrückt - das erleichtert die Ernte. Der Saft fließt, um den Baum für die Knospung mit Nährstoffen zu versorgen. In der Regel wird Ahornsirup vor allem zwischen Anfang März und Ende April erzeugt - mittlerweile meist über direkt vom Baum gelegte Leitungen.

Ein alter Ahornbaum mit mehreren Zapfstellen in Quebec
Produzenten-Vertreter Doré-Ouellet bezeichnete die Ernte als "unvorhersehbar", Schwankungen im Reserve-Angebot seien nicht ungewöhnlich. Und die Reserve in Quebec sei ja genau deshalb eingerichtet worden - um das wetterabhängige Angebot für die Käufer zu stabilisieren. Das mache sie jetzt.
"Ermutigende" Wettervorhersagen für die nächsten Wochen
Allgemein zeigte Doré-Ouellet sich zuversichtlich: "Die Zuckersaison hat in diesem Jahr früh begonnen und ist noch im Gange." Bislang sei die Produktion reichlich, die Wettervorhersagen für die nächsten Wochen "in ganz Quebec ermutigend".
Es gebe bereits Bemühungen, um die Reserve wieder aufzustocken – die Freigabe von 14 Millionen neuen Zapfstellen in den letzten drei Jahren etwa. Bei der Wiederauffüllung des Angebots handle es sich um einen mehrjährigen Prozess.
Versorgungsprobleme werde es in naher Zukunft aber keine geben, glaubt Doré-Ouellet. Auch andere Experten sagen, dass sich der Tiefstand in der Quebecer Reserve nicht auf die Verfügbarkeit oder den Preis des Sirups auswirken werde – zumindest vorerst.
Diebstahlversuche
Je geringer die Ernten ausfallen, desto anfälliger dürfte die Ahornsirup-Industrie für Betrug werden. Es gab bereits Fälle, in denen gepanschtes Sirup in Umlauf kam. Auch zu Diebstahl kam es. Legendär war ein Versuch des Quebecer Lagermitarbeiters Richard Vallières aus dem Jahr 2012. Zusammen mit seinen Komplizen tauschte er Sirup der Reserve mit Wasser aus. Die Ware wollte er illegal weiterverkaufen und damit Millionen verdienen. Doch die Gruppe flog auf, die Polizei hatte einen anonymen Hinweis erhalten.
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