Seltener Eingriff: Bauer bekam Zeh als Daumenersatz transplantiert

Aus Zeh wird Daumen
Der Landwirt soll durch den ungewöhnlichen Eingriff in Feldkirch die Greiffunktion seiner rechten Hand wieder erlangen.
  • Landwirt erhält Daumenersatz durch Transplantation eines Zehs, um die Greiffunktion zu verbessern.
  • Achtstündige Operation im LKH Feldkirch mit multidisziplinärem Team aus Chirurgie und Orthopädie.
  • Patient zeigt vielversprechende Fortschritte und plant, seinen Hof bald wieder selbstständig zu bewirtschaften.

Acht Stunden hat die Operation am Landeskrankenhaus (LKH) Feldkirch in Vorarlberg gedauert, die es einem Bauern ermöglichen soll, auch in Zukunft seinen Hof bewirtschaften zu können. Und dafür braucht er die Greiffunktion seiner rechten Hand, die er nach der Amputation des Daumens vor einem Jahr verloren hatte.

Die behandelnden Ärzte entschlossen sich demnach zu einem ungewöhnlichen Eingriff, der Ende Februar 2025 im Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch stattgefunden hat, wie die Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsgesellschaft m.b.H. am Dienstag mitgeteilt hat: Der notfallmäßig amputierte Daumen wurde durch einen Zeh des 50-Jährigen ersetzt.

Doppelte Herausforderung

Der Operation ging eine intensive Vorbereitungszeit voraus: "Denn die Kunst war es, Gefäße, Nerven, Sehnen und Knochen so zusammenzufügen, dass nach dem Eingriff zum einen der Fuß wieder voll belastbar sein kann und zum anderen dem neuen 'Daumen' so viel Empfinden und Beweglichkeit zu verschaffen, wie nur möglich", heißt es in einer Aussendung. 

Die Prognose, dass der Landwirt wieder mit seiner rechten Hand arbeiten kann, ist sehr gut, versichert das behandelnde Team um den Plastischen Chirurgen Christian Knecht: „Noch braucht unser Patient Unterstützung beim Heu-Einfahren. Aber sein Ziel, spätestens Ende Mai seinen Hof wieder eigenständig führen zu können, ist durchaus realistisch.“ 

Während des achtstündigen Eingriffs arbeiteten zwei Teams aus SpezialistInnen der Abteilungen „Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie“ sowie „Orthopädie und Unfallchirurgie parallel im OP-Saal: 

Wie die Operation abgelaufen ist

Ein Team war für die Entnahme des Zehs zuständig, das andere für die Vorbereitung der Transplantation an der Hand. Gefäße und Nerven von der Rückseite des Fußes haben den Zeh quasi so lange ernährt, bis er schlussendlich im Handbereich eingesetzt wurde. 

Aus Zeh wird Daumen

v.l.: Prim René El Attal (Orthopädie und Unfallchirurgie, LKH Feldkirch & Bludenz), Werner Ploner (Orthopädie und Unfallchirurgie), Christian Knecht (Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie), Primar Gabriel Djedovic (Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, LKH Feldkirch) 

Danach haben die Teams die Plätze getauscht, um an der jeweiligen Verbindung bzw. am Verschluss weiterzuarbeiten. Es galt, die Knochen, Sehnen und Nerven wieder so zusammenzufügen, dass Bewegung und Gefühl möglich sind, und die Gefäße wieder so „anzuschließen“, dass auch eine Durchblutung garantiert ist.

Die mikrochirurgischen Gefäßanschlüsse erfolgten dabei durch das Team der Plastischen Chirurgie, das Zusammenfügen der Sehnen und Knochen lag in den erfahrenen Händen der Unfallchirurgie. „Klassische Teamarbeit im besten Sinn also“, freuen sich die Beteiligten über das gut gelungene Ergebnis.

Vom einfachen Kratzer zur Amputation

Die Aufsehen erregende Krankengeschichte des 50-Jährigen beginnt eigentlich ganz harmlos: Bei der Arbeit auf seinem Hof hat sich der Landwirt im Frühling vergangenen Jahres eine zunächst ganz simple Risswunde am Daumen zugefügt: „Ein Kratzer an seiner rechten – und damit dominanten – Hand. An und für sich eine Bagatellverletzung, nichts Schlimmes“, erklärt Knecht.

Aus Zeh wird Daumen

Die Hand des Mannes nach der Transplantation

Allerdings hat sich die Wunde rasch entzündet. „Über Nacht breitete sich die Infektion über den gesamten Unterarm bis hin zum Ellenbogen aus. Und dann ging alles recht schnell. Der Patient musste mit einer Sepsis, also einer Blutvergiftung, kurzzeitig auf die Intensivstation verlegt werden.“ 

Der Daumen war nicht mehr zu retten: er ist abgestorben und musste amputiert werden. Das war vor einem Jahr im Mai 2024

Langer Behandlungsweg

Im Anschluss folgte ein über neun Monate langer Behandlungsweg aus Physiotherapie, Wundmanagement und Lymphdrainagen, bis die Schwellungen an Hand und Arm soweit zurückgegangen waren, um zumindest die restlichen Finger wieder bewegen zu können.

Und schließlich kam die Idee zu dem Eingriff. Einen Zeh an eine Hand zu transplantieren, sei allgemein recht ungewöhnlich und kommt eher selten vor: „In meiner Zeit hier in Feldkirch – und die erstreckt sich nun doch schon über sieben Jahre – ist es jedenfalls eine Premiere“, so Gabriel Djedovic, Primar der Plastischen Chirurgie am LKH.

Gemeinsam hat das interdisziplinäre Team entschieden, den zweiten – und nicht, wie bei solchen Eingriffen auch gerne gemacht, den großen Zeh – an die Stelle des amputierten Daumens zu setzen: Der Vorteil sei, dass "der zweite Zeh schmaler ist und optisch besser zu seinen restlichen Fingern passt". 

Optische und bewegungstechnische Vorteile

Zudem falle am Fuß die Amputation des zweiten Zehs beim ersten Blick kaum auf. "Und drittens, unterstützt der große Zeh beim Laufen. Man kann zwar auch ohne gut gehen, aber besser geht’s mit. Und dieser Patient ist ja in seinem Arbeitsalltag sehr viel auf den Beinen.“

Zehn Tage nach der Operation konnte der Patient das Spital wieder verlassen. Jetzt bestimmen eine Mischung aus Physiotherapie, regelmäßigem Training, gewissenhaften Kontrollen und körperlicher Selbstheilungskraft den weiteren Verlauf. 

„Es wird in etwa ein knappes Jahr dauern, bis unser Patient im neuen Daumen etwas spüren kann“, erklärt Christian Knecht. „Das Gefühl wird wohl nicht mehr ganz so fein sein wie im 'Original-Daumen‘, aber ein gewisses Schutzempfinden – etwa Hitze und Kälte gegenüber – wird sich ganz sicher bald einfinden.“ 

Bei der kürzlichen ambulanten Kontrolle jedenfalls habe der Landwirt den neuen Daumen schon zum Zeigefinger führen können, „etwas Leichtes damit zu halten, klappt also bereits“. 

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