Zunahme an Naturgefahren: Warum Tirol kein Siedlungsgebiet aufgibt

Zunahme an Naturgefahren: Warum Tirol kein Siedlungsgebiet aufgibt
Allein heuer werden 110 Millionen Euro in Schutzbauwerke investiert. Es wird dem Klimawandel hinterher gerüstet und man kommt kaum nach.

Egal ob Steinschlag, Hochwasser, Muren oder für den Wald verheerende Stürme: Die Teilnehmer einer Pressekonferenz am Freitag in Innsbruck waren sich einig, dass die Zahl derartiger Naturereignisse im Zuge des Klimawandels in Zahl sowie Intensität zunehmen. Und dass Tirol als Land im Gebirge davon besonders stark betroffen ist.

„Den Siedlungs- und Wirtschaftsraum zu schützen, ist eine riesige Herausforderung“, erklärte ÖVP-Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler an der Seite jener Experten, die genau dafür zu sorgen haben.

Gebhard Walter von der Wildbach- und Lawinenverbauung, der für die Flüsse in Tallagen zuständige Markus Federspiel von der Abteilung Wasserwirtschaft des Landes und – Stichwort Schutzwald – Landesforstdirektor Josef Fuchs.

110 Millionen Euro in einem Jahr

Alleine heuer werden 110 Millionen Euro in Schutzbauwerke im Bundesland investiert. Auch an den Landesstraßen geht der Klimawandel nicht spurlos vorüber. „Speziell Steinschlag ist ein Thema“, sagt Geisler. Jedes Jahr müssten für Schutz und Instandsetzung zerstörter Fahrbahnen noch einmal 50 bis 70 Millionen Euro bezahlt werden.

Dass aufgrund dieser Entwicklung und gleichzeitig abschmelzenden öffentlichen Haushalten in den kommenden zehn bis 20 Jahren Siedlungsgebiete aufgegeben werden müssen, ist für den für Straßen verantwortlichen Landesrat undenkbar: „In Tirol ist das für mich ausgeschlossen.“

Auch wenn es in anderen europäischen Ländern durchaus Diskussionen gebe, sich aus bestimmten Gebieten zurückzuziehen, sieht Geisler diese Notwendigkeit in Tirol nicht: „Wir haben auch periphere Gebiete, die wirtschaftlich sehr stark sind.“

Geröll- und Schlammlawine

Was die Extremwetterereignisse betrifft, ist für Walter klar: „Diese Intensität bleibt. Das ist die neue Normalität.“ Trotz der Herausforderungen, beim Schutz stetig nachzurüsten, sieht er positiv, dass es trotz gesteigerter Zahl an Ereignissen (etwa 90 alleine 2024) kaum Verletzte oder Todesopfer gab.

St. Anton hat gezeigt, wie schnell solche über uns hereinbrechen“, greift Geisler die im Vorjahr zerstörerischste Naturkatastrophe heraus. Die Tiroler Arlberggemeinde wurde schwer getroffen. Innerhalb kürzester Zeit verwandelte ein mit riesigen Wassermengen einhergehendes Starkregenereignis am Berg einen ins Dorf fließenden Bach in ein reißendes Gewässer.

Trotz bereits zuvor aufgerüstetem Hochwasserschutz wurde die Gemeinde von einer Geröll- und Schlammlawine getroffen. „Wir wissen, dass wir da und dort geänderte Bedingungen haben“, sagt Gebhard Walter von der Wildbach- und Lawinenverbauung. Im Vorjahr seien 50 Prozent der Investitionen in Verbesserung und Instandhaltung von Schutzbauwerken geflossen.

„Da haben uns die Naturgewalten überrollt“

Den zunehmenden Zerstörungen durch den Klimawandel mit Schutzmaßnahmen hinterherzurüsten, bezeichnet Landesforstdirektor Fuchs als „herausfordernd“. Besonders in Osttirol haben Stürme und Borkenkäferplage ganze Waldstriche vernichtet, die in dieser Region noch bedeutender als Schutzwald sind, als ohnehin in ganz Tirol. „Da haben uns die Naturgewalten überrollt. Ganze Hänge wurden kahl gemacht.“

Das Aufforsten dauert. Mitunter muss improvisiert werden, da nicht überall und gleichzeitig Schutzbauten errichtet werden können. Von denen gibt es in ganz Tirol 45.000 - gegen Lawinen und Steinschlag sowie zur Zähmung von Wildbächen. Dazu gibt es noch 20.000 Bauwerke für den Hochwasserschutz an den großen Flüssen in Tallagen.

Kommentare