SOS-Kinderdorf: Gewaltopfer mit Lehrstelle abgespeist
SOS-Kinderdorf kämpft mit Gewalt- und Vertuschungsvorwürfen
Zudecken. Vertuschen. Alles, um den Ruf der Organisation zu schützen, anstatt die anvertrauten Kinder. Das ist ein Muster, das sich weltweit durch Ländervereine von SOS-Kinderdorf gezogen hat. Und das von der international mit Höchstrichtern und Ermittlern besetzten Independent Special Commission (ISC) aufgezeigt wurde.
In deren Abschlussbericht wurde bereits 2023 jener Fall um einen Großspender aus Niederösterreich dokumentiert, der sich in Nepal an Kindern vergangen haben soll. Und der dennoch weiter unter dem Schutz des in diesem Report noch nicht namentlich genannten Helmut Kutin gestanden haben soll.
Wie nun bekannt ist, hatte sogar die deutsche Justiz gegen den langjährigen Präsidenten von SOS Kinderdorf ermittelt - bis er 2024 starb.
Ein Draht nach Tirol
Wie berichtet, zeigt die ISC-Untersuchung aber auch eine mutmaßliche und bisher kaum beleuchtete Praxis zur Vertuschung von Missbrauchsfällen auf. So sollen Opfer aus ihren Heimatländern ins Ausland – auch nach Österreich – gebracht worden sein, um dort Ausbildungsmöglichkeiten zu erhalten.
Das soll laut Berichten auch als eine Art „Entschädigung“ für die erfahrene Gewalt gedient haben, beschreibt die ISC. Es werden dazu zwei konkrete Fälle thematisiert, bei denen die Jugendlichen in Tirol gelandet sind.
Ein Mädchen, das unter der Obhut von SOS Kinderdorf Panama sexuelle und physische Gewalt erfahren haben soll, wurde demnach über Kontakte einer internationalen Führungsfigur der Organisation zu einem karitativen Verein in Tirol eine Lehrstelle in einem Luxushotel verschafft.
Ausbildung abgeschlossen
In der Betreiberfamilie erinnert man sich noch gut an eine junge Frau aus Panama, die im Betrieb auch tatsächlich ihre Lehre absolviert habe. Von dem mutmaßlichen Hintergrund habe man nichts gewusst, heißt es auf Anfrage.
Bei der ISC hat die Praxis, Kinder für Stipendienprogramme oder Ausbildungen ins Ausland zu bringen, schwere Bedenken ausgelöst. Im Februar 2023 wurde ein ehemaliger Präsident von SOS-Kinderdorf – es dürfte sich um Kutin gehandelt haben – von der Kommission befragt.
Laut ihm hätten Hunderte Kinder die Möglichkeit für Ausbildungen im Ausland bekommen. Für die ISC stellte sich die Frage, wer sich um die Kinder abseits ihrer Heimat kümmert. Man habe „echte Sorge um die Sicherheit und das Wohlbefinden“ der Betroffenen.
Im Dunklen gehalten
Dass die Untersuchungen dieser von SOS-Kinderdorf international beauftragten Kommission bisher keine größeren Wellen in Österreich geschlagen hat, ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass der im Juni 2023 veröffentlichte und im Original fast 1.000 Seiten dicke Bericht von SOS-Kinderdorf Österreich nicht groß in die Auslage gestellt wurde.
Da hatte man den im selben Jahr vorgelegten Bericht der eigenes beauftragten Untersuchungskommission von Waltraud Klasnic platziert. Der habe gezeigt, „dass in einem kleinen Teil unserer Arbeit schwerwiegende Fehler passiert sind“, heißt es auf der Homepage.
Ganz unten auf der Seite wird mit wenigen Worten auf den Bericht der ISC verwiesen, die auch noch „Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Kinderschutzes bei SOS-Kinderdorf sieht“. Eine maßlose Untertreibung.
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