Terrorgefahr: Reisende sollten nicht ängstlich sein

Das Attentat im Nachtclub in Istanbul in der Silvesternacht könnte von Gerichten als einzelner Terroranschlag gewertet werden, der nicht zum Gratisstorno einer Reise berechtigt
"Übertriebene Vorsicht" berechtigt laut Gericht nicht zu Gratisstorno nach Anschlägen.

Paris, Nizza, Berlin, Istanbul – wohin kann man noch unbesorgt reisen? Die Terrorgefahr ist weit vor dem Wetterbericht zur wichtigsten Entscheidungsgrundlage der Urlauber geworden. Und sie beschäftigt auch zunehmend die Gerichte.

Spricht das Außenministerium für ein Land eine Reisewarnung aus (die höchste Sicherheitsstufe 6), ist eine Gratis-Stornierung der gebuchten Reise in der Regel kein Problem. Für die Türkei gibt es eine partielle Reisewarnung (Stufe 5) nur für die Gebiete entlang der syrischen und irakischen Grenze. Für Istanbul besteht lediglich erhöhtes Sicherheitsrisiko (Stufe 2), eine Stornogarantie ist das noch nicht.

Der Rechtswissenschaftler Thomas Schoditsch von der Uni Graz hat in der Zeitschrift für Verkehrsrecht (Manz) einen Leitfaden skizziert, wann man kostenfrei von einer gebuchten Reise zurücktreten oder sie nach Abflug abbrechen kann. Zunächst lernt man daraus: Nicht jeder Terror berechtigt zur Auflösung des Reisevertrages. Treten Anschläge vereinzelt auf, dann gehört das zum allgemeinen Lebensrisiko, das man in Kauf nehmen muss. Nur eine Serie wird als höhere Gewalt gewertet, die den Antritt der Reise unzumutbar macht.

Wobei das auch noch davon abhängig gemacht wird, wie mutig oder ängstlich der Reisende ist und wie sich andere Reisende in der selben Situation verhalten.

Bomben in Mistkübeln

Die Gerichte gehen von einem "durchschnittlichen Reisenden" aus.

Als auf Rhodos drei in Mistkübeln deponierte Sprengsätze explodierten und dabei mehrere Touristen verletzt wurden, stornierte ein Wiener Ehepaar den gebuchten Strandurlaub auf der griechischen Insel. Sie bekamen die Anzahlung nicht zurück, weil sie der Oberste Gerichtshof (OGH) als "besonders ängstliche Menschen" beurteilte. Andere Urlauber im Zielgebiet hätten sich nicht zur Absage der Reise veranlasst gesehen. "Übertriebene Vorsicht" berechtige aber nicht zur kostenlosen Stornierung.

Ganz anders wurde das im Fall einer Wiener Familie mit zwei Kindern gesehen, die nach mehreren Anschlägen der kurdischen PKK in der Türkei einen Badeurlaub in Antalya storniert hatte. Obwohl der Urlaubsort in einer größeren Entfernung vom gefährdeten Gebiet lag, erkannte der OGH die kostenlose Stornierung an.

Zur Terrorgefahr in den USA gibt es zwei – einander teilweise widersprechende – Urteile des Höchstgerichts: Ein Wiener Ehepaar bekam die Stornogebühr für einen nicht angetretenen Flug nach Miami nicht zurück, weil nach den Terroranschlägen in New York am 11. 9. 2001 "keine spezielle Gefährdung der amerikanischen Zivilluftfahrt vorgelegen" sei (aus dem Urteil).

Ein Salzburger bekam seine Stornogebühr für eine stornierte Reise im Oktober 2001 nach New York sehr wohl zurück, weil damals gerade New York als mögliches Anschlagsziel genannt wurde.

Allerdings besteht laut dem Experten Schoditsch ein Unterschied, ob nur ein Reisevertrag (Flugticket) abgeschlossen oder eine Pauschalreise gebucht wurde. Bei letzterer ist eine besondere Gewährleistung vorgesehen, sprich: die Chancen auf Ersatz der Stornogebühr sind erheblich besser.

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