Gefahr nicht gebannt: Land Steiermark warnt vor Spaziergang in Wäldern

Abbruchsstelle in Wald
Nach dem Drama um ein durch eine Mure getötetes Kind appellieren Behörden, vorsichtig zu sein. Ärger gibt es indes über "Katastrophentourismus".

"Es lässt einen verzweifelt und traurig zurück, wenn ein kleines Kind sterben muss", beschreibt Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP): Ein Bub wurde Mittwochnachmittag in einem Waldstück in St. Marein bei Graz von Erdmassen verschüttet und getötet.  

An der Unglücksstelle befand sich vor Jahrzehnten offenbar ein Sandabbau, der nun zum Teil mit Pflanzen überwachsen ist. Die Unwetter der vergangenen Tage haben dort in mehreren Metern Höhe an die 100 Kubikmeter Erdreich gelockert und den Fünfjährigen erfasst, der mit seiner Mutter und drei weiteren Kindern auf dem Waldweg darunter unterwegs war. 

Vorhersehbar sei das nicht gewesen, heißt es am Donnerstag seitens der Behörden. Denn bei jenen Gewittern, die Samstag und Sonntag über das Land zogen, habe es sich um "eines der schwersten Unwetterereignisse in der Geschichte der Steiermark" gehandelt, wie Harald Eitner, Leiter des Katastrophenschutzes, festhielt. 

Die Gefahr ist aber nicht gebannt: Sowohl Drexler als auch Eitner appellieren eindringlich an die Bevölkerung, in der nächsten Zeit besonders vorsichtig zu sein. Denn die Böden sind nicht nur wegen des Starkregens vom Wochenende, sondern auch wegen des extrem niederschlagsreichen Mai gesättigt  - und es wird weiterer, wenn auch leichterer, Regen prognostiziert.

Wo liegen die Gefahren?

"Es besteht zweifaches Gefahrenpotenzial", erläutert Eitner: In den Wäldern genüge schon geringer Wind, damit Bäume umfallen, da die Wurzeln in dem aufgeweichten Erdreich leicht nachgeben können. Und an Ufern von Flüssen oder Bächen bestehe die Gefahr von neuerlichen Rutschungen oder Muren.

Die Einsatzbilanz in der Steiermark seit Samstag:

  • 81 Evakuierungen, darunter ein Pflegeheim
  • 45 Haushalte von der außenwelt abgeschnitten
  • 116 Hangrutschungen
  • 22 Straßensperren darunter die A9 wegen eines Murenabganges
  • Rund 1.700 Einsätze der Freiwilligen Feuerwehren
  • Rund 7.900 Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner im Einsatz
  • Eine Kompanie des Bundesheeres mit 35 Mann im Assistenzeinsatz 

Die Behörden sprechen aus dem Grund eine offizielle Warnung aus: "An keine Fließgewässer gehen, nicht in den Wald gehen", fasst Eitner zusammen. Zeitlich oder örtlich eingrenzen ließe sich diese Warnung vorerst nicht. Auch ein Betretungsverbot sei nicht möglich, das sei nicht umsetzbar und juristisch auch nicht durchzuführen. "Man kann nicht steiermarkweit alle Wälder sperren", betont Eitner. 

Ärger über "Katastrophentouristen"

Landeshauptmann Drexler appelliert "an die Vernunft" und an hofft, dass sich Szenen wie am Wochenende nicht wiederholen: "Da hat sich eine Art Katastrophentourismus entwickelt, der Einsatzkräfte bei der Arbeit gestört hat. Es braucht nicht jeder sein eigenes Handyvideo von einer Überflutung, das ist eigentlich unerhört."

Erst im Vorjahr hat es in der Steiermark hohe Schäden durch Überflutungen gegeben, doch anders als im Sommer 2023 war am Wochenende kein langanhaltender, kräftiger Regen der Auslöser wie damals: "Diesmal waren es zwei mächtige Gewitterzellen, zwei Superzellen, die unabhängig voneinander entstanden sind", beschreibt Harald Eitner.

Zwei Superzellen waren Auslöser

Eine entwickelte sich am Samstag gegen 18 Uhr bei Graz und bewegte sich "mit unglaublichen Regenmengen" Richtung Südosten. Diese Zelle traf auch St. Marein bei Graz, wo der Fünfjährige ums Leben kam. "Inwieweit diese Regenmenge kausal für das Unglück war, ist Spekulation", überlegt Eitner. "Aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es nicht unwahrscheinlich."

Die zweite Gewitterzelle entstand über dem oststeirischen Joglland und "hat den Bezirk Hartberg-Fürstenfeld verwüstet, bevor sie in das Burgenland weiter gezogen ist", schildert Eitner.

Nur alle 300 Jahre

Die Regenmengen waren regionsweise so hoch, dass an Bächen derart viel Hochwasser verzeichnet wurde, wie es statistisch nur alle 300 Jahre vorkommt, etwa beim Übelbach - er verwüstete Samstagabend Deutschfeistritz (Bezirk Graz-Umgebung). Da reiche auch der beste Hochwasserschutz nicht mehr aus, die Becken seien für ein sogenanntes 100-jähriges Hochwasser ausgelegt, erläutert Christoph Schlacher vom Land Steiermark.

200 Rückhaltebecken gibt es im Bundesland, allein im stark betroffenen Osten 45. Sie alle haben gehalten: Ohne die Becken wären am Wochenende weitere 1,6 Millionen Kubikmeter Wasser geflossen.

Die Sachschäden in der Steiermark durch das Unwetter am Wochenende sind noch nicht bezifferbar, allein für die Landes- und Gemeindestraßen werden sie vorerst auf 6,5 Millionen Euro geschätzt, berichtet Vizelandeshauptmann Anton Lang (SPÖ): "Ganze Straßenzüge sind weggeschwemmt worden."

Dazu kommen immense Schäden in den betroffenen Gemeinden, vor allem im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld: So wurde in Friedberg die Kläranlage völlig ruiniert, in Neudau die kürzlich errichtete Kinderkrippe. Aus Privathaushalten gehen laufend Schadensmeldungen bei Versicherungen ein, das Land stellt vorerst fünf Millionen Euro aus dem Katastrophenfonds bereit.

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