Blau führt auch in der Steiermark: Es wird eng für Schwarz-Rot
Seit die SPÖ 2005 der ÖVP den Landeshauptmannsessel abnahm und 2015 die FPÖ ganz nahe an die damaligen Großparteien heranrückte, gilt das geflügelte US-amerikanische Wort auch in der Steiermark: Das Bundesland ist ein "swing state", also ein Land, in dem Mehrheiten von Wahl zu Wahl wechseln.
Umso mehr, da ein knappes Drittel der potenziellen Wählerschaft aus jenem Wahlkreis kommt, an dem Meinungsforscher regelmäßig verzweifeln - Graz. In der Landeshauptstadt gelten durch die hier extrem starke KPÖ völlig andere politische Verhältnisse, erst recht, seit die Kommunisten seit Ende 2021 mit Elke Kahr die Bürgermeisterin stellen.
Am Sonntag bewies sich der "swing state": Wie im Bund rückte auch in der Steiermark die FPÖ an die erste Stelle vor den steirischen Koalitionspartnern ÖVP und SPÖ. Und zwar noch deutlicher als im österreichweiten Ergebnis.
Und so analysierte die steirische Politik das Ergebnis der Nationalratswahlen besonders genau, denn: In acht Wochen wird hier ein neuer Landtag gewählt. Am 24. November tritt Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) erstmals als Spitzenkandidat an, ebenso wie sein SPÖ-Vize Anton Lang, ein Duo, das sich betont auffällig und oft gemeinsam bei (Medien-)Terminen zeigt, ist doch speziell Drexler Verfechter ein schwarz-roten Koalition.
Es wird knapp für Schwarz-Rot
Doch gemessen am jüngsten Wahlergebnis zeigt sich wohl: Es wird eng für eine Fortführung der aktuellen Partnerschaft namens "Agenda Weiß-Grün", die 2019 unter dem damaligen ÖVP-Landeschef Hermann Schützenhöfer begonnen hatte.
Denn die FPÖ ist auch in der Steiermark obenauf, die Ermittlungen rund um die Finanzaffäre der Blauen in Graz prallten offensichtlich ab und spielten bei den Wählerinnen und Wählern keine Rolle.
Was die FPÖ plant . . .
Seit nun fast drei Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft, weil FPÖ-Klubgelder aus Graz veruntreut worden sein sollen. Unter den Beschuldigten ist auch Landesparteiobmann Mario Kunasek, der heuer auch wieder Spitzenkandidat in der Steiermark ist: Ihm wird vorgeworfen, die Malversationen in Graz nicht abgedreht zu haben - ein Vorwurf der Beitragstäterschaft, die Kunasek strikt zurückweist.
Sollte die FPÖ auch bei den Landtagswahlen als Erste durch Ziel gehen, hat Kunasek bereits den Anspruch deponiert, die anderen Parteien zu Koalitionsverhandlungen einladen zu wollen: Anders als im Bund braucht es im Bundesland keine Beauftragung.
. . . und was die ÖVP sagt
Drexler betonte am Sonntag, er sehe für die Wahlen am 24. November "ein Duell zwischen ÖVP und FPÖ. Dieses Duell nehme ich mit ganzer Überzeugung an."
So sah das Wahlergebnis der Landtagswahlen im November 2019 aus:
- ÖVP, Spitzenkandidat Hermann Schützenhöfer: 36,1 %
- SPÖ, Spitzenkandidat Michael Schickhofer: 23 %
- FPÖ, Spitzenkandidat Mario Kunasek: 17,5 %
- Grüne, Spitzenkandidatin Sandra Krautwaschl: 12,1 %
- Neos, Spitzenkandidat Niko Swatek: 5,4 %
- KPÖ, Spitzenkandidatin Claudia Klimt-Weithaler: 6 %
Die KPÖ in der Steiermark war Sonntagabend laut vorläufigem Ergebnis bei 3 Prozent Stimmenanteil.
Kein Kahr-Effekt
Der Grazer Kahr-Effekt trat nicht ein: Der steirische Spitzenkandidat der Kommunisten, Hanno Wisiak, hatte im Vorfeld ja auf das Halten der Grazer Wählerschaft gehofft, die der KPÖ bei den Gemeinderatswahlen 2021 rund 34.000 Stimmen brachten. Rund 26.000 Stimmen wären nötig gewesen, um über das Grazer Grundmandant in den Nationalrat zu kommen, das wären rund 11 Prozent der Stimmen. Das EU-Wahl-Ergebnis in der Steiermark im Juni hatte den Kommunisten Hoffnung gegeben, da lag die KPÖ bei rund 9 Prozent.
Somit zeigt sich erneut, dass die KPÖ in der Steiermark ein Grazer Spezifikum ist. Auch bei den Landtagswahlen - die KPÖ sitzt seit 2005 wieder im Landtag Steiermark - war sie im Wahlsprengel Graz nie so stark wie bei Gemeinderatswahlen selbst. 2019 erreichte sie steiermarkweit 6 Prozent und zwei Mandate, bei den Gemeinderatswahlen in Graz 2021 allerdings 28 Prozent.
Auch die Grünen müssen in der Steiermark Verluste gegenüber 2019 hinnehmen, das unterscheidet sich ebenfalls nicht vom österreichweiten Ergebnis.
Graz, unberechenbar wie eh und je
Auffällig ist aber wie immer Graz. Denn nach dem vorläufigen Ergebnis lag die SPÖ Sonntagnacht an erster Stelle (21,7 %), die ÖVP hauchdünn dahinter auf Platz 2 (21,3 %). Die FPÖ erreichte demnach in Graz nur Platz 3 (19,9 %). Das ist erstaunlich, nicht nur gemessen am Bundesergebnis: Die SPÖ kam bei den Gemeinderatswahlen 2021 mit nur 9,5 Prozent der Stimmen auf Platz 5, bei den Landtagswahlen 2019 war sie mit 15,4 Prozent Dritte hinter ÖVP und Grünen.
Die Grünen waren in Graz deutlich besser als im Bundesdurchschnitt (15,5 %), die Neos ebenso (12,1 %). Die KPÖ kam mit 6 % nicht an ihr Gemeinderatsergebnis heran.
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