Als der Stadionausschuss des Grazer Gemeinderats vor rund zwei Jahren eingerichtet wurde, waren 16 potenzielle Standorte für ein zweites Stadion in der steirischen Landeshauptstadt im Spiel.
Nach mehren Prüfungen blieben drei Standorte übrig, von denen der Nahverkehrsknoten in Puntigam nach einem Punktesystem an erster Stelle landete.
Allerdings - entschieden ist noch nichts. Der Ausschuss beendete zwar Dienstagabend offiziell seine Tätigkeit, in dem er sich auf zwei Machbarkeitsstudien festlegte, die sowohl den Ausbau des bestehenden Stadions in Liebenau prüfen sollen als auch einen Neubau in Puntigam.
Diese Studien müssen aber erst vom Gemeinderat beschlossen werden, da die Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ dort die Mehrheit hat, gilt das als gesichert. Aber sonst ist in der Stadionfrage wenig Verbindliches fixiert worden.
Wieso fällt nicht einfach ein Ja oder Nein zu einem zweiten Stadion?
Die Rathauskoalition begründet, dass man sich "für ein faires Modell" entschieden habe, wie Finanzstadtrat Manfred Eber (KPÖ) betonte: "Für uns war wichtig, nicht nur auf die Zurufe der der Vereine zu hören."
Daniela Schlüsselberger, SPÖ-Klubobfrau und Ausschussvorsitzende, will zudem "keine Versprechungen machen, die am Ende der Realität nicht standhalten", dazu sei das Thema "zu komplex. Außerdem geht das Thema weit über unsere Periode hinaus." Das spielt den Ball zurück in die Zeit vor November 2021, erst seit damals regieren KPÖ, Grüne und SPÖ mittels Übereinkommen: Die ÖVP-FPÖ-Koalition davor lehnte einen Neubau ab, ebenso SPÖ-geführte Regierungen vor ihr. Die linke Stadtregierung hält sich zu Gute, als Erste überhaupt einen Ausschuss eingesetzt zu haben und jetzt eben auch Machbarkeitsstudien in Auftrag zu geben.
Was genau hat der Ausschuss beschlossen?
Es wird zwei Studien geben, die bestenfalls im Juni im Gemeinderat beschlossen werden. Sie sollen prüfen, in wieweit das Stadion in Liebenau aufgerüstet werden kann sowie ob ein Neubau im Nachbarbezirk Puntigam möglich ist.
In der nach dem Sponsor Merkur Arena genannten Stadion Liebenau geht es um die Erweiterung auf 20.000 Plätze (derzeit rund 15.000), beim Neubau um 10.000 bis 15.000 Plätze. In beiden Fällen müssen Vorgaben der UEFA sowie der Bundesliga mitgedacht werden, das betrifft etwa Fläche, Erreichbarkeit, Flutlicht-Möglichkeiten, Baubeschränkungen. Das soll jedenfalls die UEFA-Cup-Tauglichkeit sichern.
Gleichzeitig mit der Prüfung eines Umbaus in Liebenau und des Neubaus eines kleineren Stadions brachte die Stadtregierung eine dritte Variante auf - ein Großstadion, das auch tauglich wäre für die Champions League. Der SK Sturm knabbert bekanntlich daran, dass er für seine Spiele in der Gruppenphase im Herbst nun nach Klagenfurt in die Wörthersee Arena ausweichen muss, Liebenau ist für solche Matches nicht ausgerichtet.
Sollte die Entscheidung für ein Großstadion geben, wäre Liebenau wohl Geschichte, auch wenn keiner der Verantwortlichen in der Stadt das derzeit so direkt ausspricht. Dennoch: Ein Ausbau auf 25.000 Plätze ist dort wegen der beschränkten Platzverhältnisse kaum realistisch, also müsste es in dem Fall der Neubau in Puntigam werden. Was dann mit dem Grundstück und dem Stadion passieren würde, ist offen.
Ist die Zwei-Stadien-Lösung überhaupt noch relevant?
Laut Koalition - ja. Nachsatz: Wenn es sich die Stadt leisten kann. Sturm und GAK drängen auf eigene Heimstätten, Sturm will Liebenau am liebsten kaufen, zumindest das Pachtrecht erwerben. "Wir kommen den Wünschen der Vereine gerne nach, wenn es technisch und finanziell machbar ist", merkt SPÖ-Klubchefin Schlüsselberger dazu an.
Ab wann könnte in einem Neubau gekickt werden?
Im besten Fall kalkuliert Stadtbaudirektor Bertram Werle mit rund viereinhalb Jahren, gerechnet vom Gemeinderatsbeschluss über die Machbarkeitsstudie. Konkret geht die "Erstabschätzungs-Analyse" der Stadtbaudirektion von 53 Monaten aus:
Projektvorbereitung mit Machbarkeitsstudie: 8 Monate
Planerauswahl und Wettbewerb: 7 Monate
Bebauungsplan und Flächenwidmungsplan sowie weitere Änderungsverfahren: voraussichtlich 12 Monate
Planung bis Einreichung: 12 Monate
Umsetzung bis Fertigstellung: 26 Monate
Aber: Das alles ist noch ohne Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gerechnet, die Werle aber "erwartet". Doch deren Dauer sei "nicht abschätzbar".
Wie lange würde die Adaptierung in Liebenau dauern?
Beim Ausbau auf 20.000 Plätze geht die Stadtbaudirektion vom gleichen Zeitrahmen aus, also 53 Monate. Hier würde aber vermutlich die UVP wegfallen.
Wie viel kostet das alles und wer zahlt?
Die Kosten sind die große Unbekannte, auch sie werden wohl erst durch die Machbarkeitsstudien feststehen. Aber es gibt Vergleichswerte: Die rund 19.000 Besucherinnen und Besucher fassende Raiffeisenarena auf der Gugl in Linz - eröffnet im Vorjahr - kostete samt Zusatzelementen wie Büros und ein Trainingszentrum 85 Millionen Euro.
Die Stadt Graz kann sich das nicht alleine leisten, Finanzstadtrat Eber nimmt Land Steiermark wie Vereine in die Pflicht, die mitzahlen müssten. Ebenso müsste man Sponsoren finden. Das Stadion in Liebenau sowie das Trainingszentrum des GAK im Norden von Graz gehören über eine Gesellschaft bereits der Stadt: Da kam vom SK Sturm die Idee, der Verein könnte das Stadion Liebenau kaufen, mit dem Geld könnte ein Neubau finanziert werden. Allerdings ist das Interesse der Stadt Graz, das wertvolle Grundstück nahe der Autobahnabfahrt aufzugeben, endenwollend.
Weshalb nützt man nicht einfach die gut ausgebauten Stadien in Klagenfurt oder Linz?
Das ist sowohl eine Frage des Egos als auch der Erreichbarkeit, auch wenn Graz und Klagenfurt mit Fertigstellung des Koralmtunnels nur noch 45 Bahnminuten voneinander entfernt sind. Ergo: Es ist keine Option für die Vereine. Graz als zweitgrößte Stadt Österreichs könnte zudem durchaus mehr Infrastruktur in dem Bereich vertragen.
Von Sturm und GAK gab es noch keine offizielle Reaktion auf das Ergebnis des Stadionausschusses. Die Ankündigung eines möglichen "Großstadions" wird den Vereinen aber kaum gefallen, denn das müssten sie sich wieder teilen wie eben jetzt das Stadion Liebenau.
Wie reagiert das Land Steiermark?
Da gab es in den vergangenen Tagen eher missmutige Töne aus dem Landhaus in Richtung des benachbarten Rathauses in Graz. "Diese Verschleppung ist nicht im Sinne des Sports, nicht im Sinne des Standorts und nicht im Sinne des Landes", ließen Sportlandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP) und Klubobmann Hannes Schwarz (SPÖ) wissen. "Die Vereine, die Fans, aber auch die Bevölkerung haben es sich verdient, dass endlich Klarheit geschaffen wird." Es sei "bedauerlich", dass die Stadtregierung "auch nach zweieinhalb Jahren keine nennenswerten Fortschritte erzielt hat".
Im Rathaus wiederum sieht man dies als "Foul" an, wie Klubobmann Karl Dreisiebner (Grüne) via sozialer Medien kundtat: "Das ist für mich politisch eine echte Grenzüberschreitung. Aus der Landespolitik ist bis zum heutigen Tag noch nie wer angetreten, der eine klare und wirklich verbindliche Mitfinanzierungszusage abgeliefert hätte."
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