Die Ausgangslage
2011 wurde – in der rot-schwarzen "Reformpartnerschaft" unter SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves und ÖVP-Vize Hermann Schützenhöfer – beschlossen, das Proporzsystem auch in der Steiermark zu beenden. Wirksam mit den Landtagswahlen im Mai 2015 wird die Landesregierung seither wie im Bund durch ein Koalitionssystem bestimmt.
Zwei Mal (2015 und 2019) bildeten ÖVP und SPÖ gemeinsam die Landesregierung. Im Sommer 2022 trat ÖVP-Landeschef Hermann Schützenhöfer zurück, Christopher Drexler kann somit als Landeshauptmann in seine ersten Wahlen als Spitzenkandidat gehen.
Die Stimmungslage
Fünf Umfragen zu den Landtagswahlen wurden von Medien und Parteien seit knapp einem Jahr veröffentlicht. Darin ging es auf und ab, am deutlichsten für die Volkspartei, die sich nicht mehr auf den Kurz-Effekt wie 2019 verlassen kann und auch nicht vom Landeshauptmannbonus zu profitieren scheint.
- Im Dezember 2023 sackte die ÖVP auf knapp 28 Prozent ab, war aber noch an erster Stelle.
- Der Dämpfer kam im Jänner 2024, wo ihr eine weitere Umfrage nur noch 20 Prozent zumaß – überrundet von der FPÖ mit 26 und der SPÖ mit 24 Prozent.
- In einer im März publizierten Umfrage lag plötzlich die SPÖ unter Anton Lang mit 25 Prozent an der Spitze, FPÖ und ÖVP folgten auf Plätzen 2 und 3.
- Im Mai pendelte sich dies wieder auf die Reihenfolge Blau, Schwarz und Rot ein.
- Mitte Oktober wurden der FPÖ 30 Prozent mit Mario Kunasek zugebilligt, der ÖVP 26 und der SPÖ 24 Prozent.
Die Aussagekraft
Zuletzt waren die Schwankungsbreiten mit 3,5 Prozentpunkten der Umfragen so groß, dass es letztlich auf einen Dreikampf zwischen ÖVP, FPÖ und SPÖ hinauslaufen könnte. Ist das denkbar?
"Diese drei Parteien haben sich schon einmal ein sehr enges Rennen geliefert", erinnert Politikwissenschafterin Stainer-Hämmerle an die Landtagswahlen im Mai 2015: Die SPÖ lag nur 0,8 Prozentpunkte oder 5.461 Stimmen vor der ÖVP bzw. 2,5 Prozentpunkte oder 16.430 Stimmen vor der FPÖ. Damals bekamen die "Reformpartner" SPÖ und ÖVP aber den Frust wegen der Gemeindefusionen ab.
Die Wahlergebnisse 2024
Der Trend der Wahlumfragen wird durch tatsächliche Ergebnisse aus zwei Wahlgängen bestätigt. Sowohl bei den EU-Wahlen im Juni als auch bei den Nationalratswahlen im September wurde die FPÖ stimmenstärkste Partei im Bundesland. Bei den Nationalratswahlen schnitten die Blauen mit 32,5 Prozent in der Steiermark sogar deutlich besser ab als im Bund.
Doch lässt sich aus diesen Ergebnissen etwas in Richtung Landtagswahlen herauslesen? "Die Steiermark bewegt sich schon längere Zeit parallel, das ist auffällig", überlegt Stainer-Hämmerle.
Einen Vergleichswert bietet 2019, als ebenfalls im September der Nationalrat und im November der Landtag gewählt wurden: Die FPÖ war bei beiden Wahlgängen im Bundesland mit rund 18 Prozent annähernd gleich stark. "Der große Unterschied zu 2019 ist allerdings Corona und all die Krisen danach", gibt die Expertin zu bedenken. "Das trifft vor allem die Regierenden." Wie sehr sich Krisen auf eine Landesregierung auswirken, sei unklar.
Die Koalitionsmöglichkeiten
Mit 30 von 48 Mandaten hat die ÖVP-SPÖ-Koalition seit 2019 eine solide Mehrheit im Landtag. Nimmt man die aktuellste Umfrage als Basis, könnte sich diese Koalition auch bei einer blauen Mehrheit im Land knapp ausgehen. ÖVP und SPÖ könnten je nach Wahlbeteiligung in dem Fall gemeinsam auf 26 Mandate kommen.
Wäre eine Fortsetzung von Schwarz-Rot realistisch? "Wenn es sich ausgeht, ja", kommentiert Stainer-Hämmerle. "Sowohl Drexler als auch Lang haben ja auch ihren Bundesparteien empfohlen, gemeinsam zu regieren."
Auch hier glichen sich Landes- und Bundespolitik: Bleibt der LH-Sessel in Reichweite, wäre auch für den ÖVP-Landesparteichef der Verlust des ersten Platzes kein Grund, die Politik zu verlassen. Drexlers Bundesparteiobmann Karl Nehammer verhandelt auch als Zweiter mit dem Dritten.
Tür zur FPÖ ist in der Steiermark offen
Anders als ihre Bundesparteiobleute ließen sich aber Drexler und Lang die Tür zur FPÖ offen: Keiner schloss eine Zusammenarbeit mit Kunasek aus. "Dann stellt sich die Frage, was die FPÖ bietet", überlegt Stainer-Hämmerle.
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