Christopher Drexler: "Die Leute schauen mit Sorge nach Wien"
Der steirische ÖVP-Landeshauptmann über die Koalitionsverhandlungen im Bund, seine Absage an die Grünen und sein Ziel für die Landtagswahl im November.
31.10.24, 05:00
Am 24. November wird in der Steiermark gewählt. ÖVP-Landeshauptmann Christopher Drexler kämpft mit Mario Kunasek (FPÖ) um den ersten Platz.
KURIER: Herr Landeshauptmann, Sie haben in der Vorwoche scharf das Vorgehen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen kritisiert, weil er nicht den Wahlsieger, FPÖ-Chef Herbert Kickl, mit der Bildung einer Regierung beauftragt hat, sondern Kanzler Karl Nehammer. Sie werden in der Zwischenzeit mit vielen Politikerinnen und Politikern darüber gesprochen haben. Bleiben Sie bei der Kritik?
Christopher Drexler: Absolut. Ich habe aber vor allem Gespräche mit Steirerinnen und Steirern geführt, und meine Haltung ist dabei hundertmal bestätigt worden. Es gab in Österreich eine demokratische Gepflogenheit, den Chef der stimmenstärksten Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Ich glaube, es wäre vernünftig gewesen, bei dieser Tradition zu bleiben. So hat man Herbert Kickl viel zu leicht in die von ihm geliebte Opferrolle entlassen. Jetzt kann er im Schmollwinkerl stehen und freut sich darüber.
Jetzt wissen wir aus den verschiedensten Gesprächen, dass niemand mit Herbert Kickl koalieren will. Da wäre es doch Zeitverschwendung, ihm diesen Auftrag zu erteilen.
Der Auftrag zu einer Regierungsbildung führt zu Gesprächen ganz anderer Qualität. Dass sich bei den Kaffeeplausch-Runden wie in den ersten zwei Wochen nach der Nationalratswahl die Positionen nicht verändern werden, war erwartbar. Ein Regierungsbildungsauftrag ist eine ganz andere Situation.
Man hätte den Auftrag ja auch schon in den Tagen nach der Wahl erteilen können, dann hätte man überhaupt keine Zeit verloren. Wenn Kickl dann nach drei Wochen oder welchem Zeitraum auch immer nichts gelungen wäre, dann hätte der Bundespräsident immer noch andere mit Gesprächen beauftragen können.
Sie sind angesichts des steirischen Wahlkampfs derzeit sehr viel im Kontakt mit der Bevölkerung. Wie wird da überhaupt die Situation in Wien gesehen?
Zuerst einmal gibt es wenig Verständnis für den Umgang mit dem Regierungsbildungsauftrag. Und die Leute schauen mit Sorge nach Wien. Es ist klar, dass es eine stabile Bundesregierung geben muss, weil Österreich vor großen Herausforderungen steht. Denken wir an die internationale Wettbewerbsfähigkeit, denken wir an das Thema Migration. Es braucht eine kraftvolle Regierung, und mir fehlt einstweilen noch die Fantasie, wie das zustande kommen soll.
An dem Tag, an dem Sie die Kritik an Alexander Van der Bellen äußerten, hat Bundeskanzler Karl Nehammer eine Erklärung abgegeben, wie er mit dem Auftrag des Bundespräsidenten umgehen wird. War Ihre Kritik damit nicht auch ein kleines Foul an Ihrem Parteichef? Immerhin haben Sie ihm ausgerichtet, dass er eigentlich diesen Auftrag gar nicht haben dürfte.
Wenn es ein Foul gegeben hat, dann hat es mit diesem Auftrag ein Foul an der Steiermark gegeben.
Grundsätzlich müssten Sie eigentlich zufrieden sein, weil Sie sich immer für eine schwarz-rote Koalition ausgesprochen haben. Mit Hinweis auf Ihre Koalition in der Steiermark. Jetzt verhandeln ÖVP und SPÖ. Was erwarten Sie sich?
Noch einmal: Mir ging es immer um eine kraftvolle Bundesregierung, die eine Achse der Vernunft darstellen soll. Ich habe persönlich gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie. Aber man wird jetzt erst sehen, ob es tatsächlich dazu kommt, dass die großen Themen angesprochen werden, dass bei Migration und Integration klare Positionen vereinbar sind und dass vor allem die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft im Mittelpunkt steht. Es geht um die Arbeitsplätze, es geht um den Wohlstand in der Zukunft. Das ist entscheidend. Wer da welche Position einnimmt, ist sekundär.
Sehen Sie da einen Unterschied zwischen der steirischen SPÖ mit Anton Lang an der Spitze und der Bundes-SPÖ?
Ich glaube schon, dass die Zusammenarbeit mit Anton Lang um einiges leichter ist als mit dem Herrn Andreas Babler.
Aller Voraussicht nach wird man für eine stabile Regierung einen dritten Partner benötigen. Entweder die Neos oder die Grünen. Wenn Sie gefragt werden, für welche dieser beiden Parteien würden Sie sich entscheiden?
Meine Sehnsucht nach einer Zusammenarbeit mit den Grünen in der Bundesregierung ist durch die letzten fünf Jahre absolut und hinreichend gestillt.
Ihre Kritik am Bundespräsidenten hat natürlich mit den kommenden steirischen Landtagswahlen am 24. November zu tun. Sie haben ja auch gesagt, dass sich die steirische FPÖ nun bei Alexander Van der Bellen bedanken kann. Wie schwierig wird das Wahlkampffinale für Sie?
Ich habe schon am Abend der Nationalratswahl gesagt, dass es auch in der Steiermark einen Wettkampf, ein Duell um den ersten Platz zwischen der Steirischen Volkspartei und den Freiheitlichen gibt. Ich werde in den kommenden knapp vier Wochen noch alles unternehmen, um als Erster durch das Ziel zu gehen. Weil ich weiterhin Garant für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Steiermark sein will. Das ist einfach der steirische Weg der Zusammenarbeit, der uns in den vergangenen Jahren so stark gemacht hat. Das soll auch weiterhin so bleiben. Ich möchte als Erster durchs Ziel gehen, damit auch in Hinkunft Leistung und Sicherheit in der Steiermark großgeschrieben werden.
Zuletzt sind aber in der Steiermark einige Meinungsumfragen veröffentlicht worden, die die FPÖ mit Spitzenkandidat Mario Kunasek an der Spitze sehen.
Es gibt immer wieder die verschiedensten Umfragen. Das Jahr hat mit einer Umfrage begonnen, bei der wir auf dem dritten Platz zu finden waren. Also wissen Sie, die Umfragen nehme ich nicht über Gebühr ernst. Wir hatten eine Nationalratswahl, da waren wir Zweiter, allerdings deutlich vor dem Dritten. Nun geht es um eine Landtagswahl, da werden die Karten völlig neu gemischt. Die Steirerinnen und Steirer müssen entscheiden, ob es weiter den Weg der vertrauensvollen Zusammenarbeit oder ein Experiment unter blauer Führung geben soll. Ich möchte all jene einladen, die keine blaue Mehrheit in der Steiermark wollen, diesmal mir die Stimme zu geben oder zu leihen.
Zum ausführlichen Interview mit Landeshauptmann Christopher Drexler
Wie man Landespolitik betreiben kann, ist sehr viel auch von Entscheidungen in Wien abhängig. Was erwarten Sie sich da von einer künftigen Bundesregierung? Welche Rahmenbedingungen müsste sie schaffen?
Gerade für die Steiermark als ausgesprochenes Industrieland mit einer innovativen und exportorientierten Industrie und Wirtschaft – jeder zweite Euro in der Steiermark wird durch den Export verdient – ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung. Deswegen ist das das wichtigste Thema, um das sich die künftige Bundesregierung kümmern soll. Wir müssen die Kostenbelastung in der österreichischen Wirtschaft und Industrie in den Griff bekommen. Denken wir an die Energiekosten. Da ist ein Preisausgleich für energieintensive Industrieunternehmen wichtig. Da haben die Grünen bisher in der noch bestehenden Bundesregierung eine Blockadehaltung eingenommen. Gleichzeitig muss der Wirtschaft wieder mehr Luft zum Atmen gegeben werden. Das heißt: radikaler Bürokratieabbau, radikal kürzere Verfahren.
In Wien ist eine Zusammenarbeit der ÖVP mit der FPÖ an Herbert Kickl gescheitert, wie sieht es da mit Mario Kunasek als Spitzenkandidat der FPÖ in der Steiermark aus?
Ich persönlich habe eine gute Gesprächsbasis zu Mario Kunasek. Man muss natürlich sehen, ob er ein Wolf im Schafspelz ist. Aber grundsätzlich schließe ich eine Zusammenarbeit mit ihm nicht aus. Mein Ziel ist es aber, die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit meinem derzeitigen Regierungspartner fortzusetzen. Mehr Spekulationen braucht man vor dem Vorliegen des Wahlergebnisses aber ohnehin nicht anzustellen.
Eine Regierung mit einer FPÖ wäre also möglich, die Zusammenarbeit haben Sie ja nicht ausgeschlossen?
Auf Landesebene schließe ich die Zusammenarbeit lediglich mit den Kommunisten aus, weil der Kommunismus hat im 20. Jahrhundert genug Leid über diesen Kontinent gebracht. Da braucht man keine Experimente mehr. Mit allen anderen im Landtag vertretenen Parteien kann ich mir theoretisch eine Zusammenarbeit auch auf Regierungsebene vorstellen, auf jeden Fall aber eine konstruktive Partnerschaft auf Landtagsebene.
Ihr bevorzugter Partner bleibt aber die SPÖ.
Klar, ich habe sehr gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Anton Lang und der steirischen Sozialdemokratie. Das ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, wie man sie selten in der Politik trifft. Deswegen ist es auch mein Ziel, das fortzusetzen.
Wo wird es nach der Landtagswahl Ende November dann früher eine Regierung geben, auf Bundesebene oder in der Steiermark?
Die Erfahrung zeigt, dass wir es in der Steiermark schneller schaffen. Ich hoffe, dass das auch diesmal der Fall sein wird.
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