Hühner qualvoll verendet: Prozess gegen Landwirte in Graz

Hühner qualvoll verendet: Prozess gegen Landwirte in Graz
Fünf Tiere wurden mit einem Teleskoplader überfahren und teilweise nicht notgeschlachtet. Verteidiger sprach von Unfall.

Mehrere überfahrene Hühner in einem Mastbetrieb in der Südsteiermark haben zwei Landwirte, Vater und Sohn, am Donnerstag vor Gericht gebracht: Die beiden Männer mussten sich wegen Tierquälerei im Straflandesgericht in Graz verantworten. Der Prozess wurde vorerst aber vertagt. Mehrere Videos aus dem Stall waren 2022 vom Verein gegen Tierfabriken (VGT) öffentlich gemacht worden und hatten zu den Ermittlungen geführt.

Angeklagt sind nun der 83-jährige Stallbesitzer und sein 55-jähriger Sohn. Laut Staatsanwaltschaft soll der Sohn am 10. August 2022 fünf Hühner mit einem Teleskoplader überfahren haben. Manche der Tiere starben sofort, andere lebten aber noch. Diese soll der Vater dann aufgehoben und zur Seite geworfen haben. Notgeschlachtet wurden sie nicht, doch genau das wäre laut Gesetz nötig gewesen. Die Hühner seien qualvoll verendet.

Der Verteidiger der beiden Männer verwies schon in seinem Eröffnungsplädoyer darauf, dass der Hintergrund der damaligen Anzeige eine Kampagne gewesen sei, um auf Tierleid hinzuweisen. Diese spiele sich aber „jenseits der Sphäre“ der Angeklagten ab. Der 83-jährige Vater beziehe Pflegestufe vier und insgesamt sei es „kein bewusstes Handeln“ der beiden gewesen. Der Familie und dem Betrieb sei ein enormer Schaden entstanden, weil ihnen das AMA-Gütesiegel entzogen wurde, führte der Verteidiger aus: „Das Lebenswerk den Seniors und seiner Gattin ist nun weg.“ Er räumte zwar ein, dass die Bilder „fürchterlich ausschauen“, doch es habe sich um einen Unfall gehandelt. Der Vater sei davon ausgegangen, dass die Tiere tot sind.

"Anklage eines Systems"

Der Anwalt der Männer meinte auch, dass in der Anklage das Gespür fehle und nicht klar sei, wie Mast in Österreich ablaufe und was gesetzlich vorgesehen ist. Die AMA sei mit Schuld am landläufigen Bild von der Viehhaltung, würde sich dann aber davon distanzieren, wenn echte Bilder an die Öffentlichkeit kommen. Laut dem Verteidiger sei es für eine Einzelperson unmöglich, 30.000 Tiere zu kontrollieren, von weniger Hühnern könne aber ein Landwirt heute nicht mehr leben. „Es geht um die Anklage eines Systems“, so der Anwalt, der wohl auch in Richtung des Publikums sprach, in dem zahlreiche Tierschützerinnen und Tierschützer Platz genommen hatten.

Die Angeklagten selbst gaben sich wortkarg. Der Sohn fühlte sich teilweise schuldig: „Es ist passiert. Es tut mir leid, das macht man nicht.“ Er habe die Hühner nicht mutwillig überfahren: „Normal bleiben sie im Dunkeln sitzen.“ Richter Martin Heissenberger warf aber genau das dem Beschuldigten vor: „Stimmt, sie sind eh sitzen geblieben, wurden aber trotzdem überfahren.“ Er fragte den Landwirt, ob er denn die Tiere im Scheinwerferlicht nicht auf der Fahrspur sitzen gesehen habe: „Sie hätten sie sehen können.“ „Ich weiß es nicht“, entgegnete der 55-Jährige.

Der Vater indessen konnte noch weniger zur Aufklärung beitragen und es wirkte auch rasch so, als ob er der Verhandlung nicht folgen könne. Der Richter zweifelte seine Verhandlungsfähigkeit an und will daher ein Gutachten über die Zurechnungsfähigkeit des 83-Jährigen einholen. Ehe der Prozess vertagt wurde, kam aber auch noch der Sachverständige, ein Amtstierarzt, zu Wort. Er sprach von „roher Misshandlung der Tiere“, vor allem bei jenen, die nach dem Überfahren noch gelebt haben. Ihnen seien durch die unterlassene Notschlachtung unnötige Qualen zugefügt worden. Außerdem müsse man „beim Fahren schon schauen, ob da ein Huhn ist oder vielleicht eines bewegungsgestört ist“, so der Gutachter.

Der VGT hatte vor Prozessbeginn vor dem Straflandesgericht gegen die Haltungsbedingungen demonstriert. David Richter vom VGT Steiermark, einer der Zuschauer im Gerichtssaal, meinte nach der Vertagung: „Die immensen Leiden der zerquetschten und schwer verletzten Hühner müssen als Tierquälerei vor Gericht verhandelt werden. Es ist eine absolute Ausnahme, dass solche tierquälerischen Szenen filmisch festgehalten wurden - wenn schon die vielen anderen ungesehenen Qualen in der Geflügelhaltung ohne Folgen bleiben, muss zumindest dieser Fall Konsequenzen haben. Das System der Billig-Fleisch-Produktion hinter dem Rücken der Gesellschaft und auf dem Rücken der Tiere muss beendet werden.“

Kommentare