Scheinehen: Viele Tests, kaum Verurteilungen

Scheinehen: Viele Tests, kaum Verurteilungen
Bei Hochzeiten mit Nicht-EU-Bürgern prüft die Polizei auf Scheinehen. Betroffen sind häufig echte Paare.

Frauke liebt Younes, und Younes liebt Frauke. Obwohl sie mehr als 20 Jahre älter ist. Und er Asylwerber aus Marokko. Im Deutschkurs haben sie einander kennengelernt, am 18. März geheiratet. "Worauf sollten wir warten? Wir wollen zusammenbleiben und mussten dafür die Rahmenbedingungen schaffen", erzählt die 56-Jährige aus NÖ. Eine Bewährungsprobe, denn Paare, bei denen ein Partner aus einem nicht zur EU gehörenden Land stammt, stehen oft unter Generalverdacht – nicht nur der Gesellschaft, sondern auch der Fremdenpolizei. "Der Vorbehalt, dass es sich um eine Scheinehe handelt, ist schnell da", erklärt Politikwissenschafterin Irene Messinger.

In Wien wurden im Vorjahr 800 binationale Paare von der Fremdenpolizei überprüft. "Davon haben wir 140 Anzeigen erstattet", sagt Mario Zalusky, Leiter der Fremdenpolizeilichen Erhebungs- und Einsatzgruppe. Seine Erfahrung zeige, dass Scheinehen zunehmen. Die Zahl der Verurteilungen ist jedoch gering. Österreichweit waren es im Vorjahr nur 25.

Der Nachweis von Aufenthaltsehen ist – abseits von Geständnissen – schwierig und mit einem Eingriff in die Privatsphäre verbunden. Das mussten auch Frauke und Younes erleben, als Polizisten an an ihrer Tür läuteten. "Sie waren korrekt. Mein Mann hat sie hereingebeten, sie haben Fragen gestellt und sich vor allem unsere Fotos angeschaut." Dennoch: "Unsere Hochzeit ist ein freudiger Anlass, und dann muss man sich rechtfertigen." Leute aus ihrem Umfeld wurden befragt – und sie selbst getrennt bei einer "Beschuldigtenvernehmung". Entblößt Die Fragen drehen sich um das Zusammenleben und Finanzielles, doch manchmal werden sie persönlich. Und skurril, wie: Welche Farbe hat die Unterhose Ihres Partners (siehe Grafik unten)? "Die intimste Frage bei uns war die nach körperlichen Merkmalen. Ich habe mich aber hinterher besudelt gefühlt. Unser Privatleben auszubreiten! Als hätte ich mich vor Fremden entblößen müssen", sagt Frauke.

Mitunter seien Befragungen unverhältnismäßig. So berichtet Messinger von Paaren, deren Schlafgewohnheiten, Wäsche und Zahnbürsten überprüft wurden. Derartige Vorwürfe weist Zalusky vehement zurück. "Wir riechen nicht am Bettzeug und überprüfen auch keine Zahnbürsten", sagt er. "Bei Aufenthaltsehen handelt sich um ein strafrechtlich relevantes Delikt, dem wir nachgehen müssen." Es gebe nun mal Fälle, wo 5000 bis 20.000 Euro für die Vermittlung von Ehen gezahlt werden. Oft sind es anonyme Anzeigen, die zu Überprüfungen führen. Zudem werden Verdachtsfälle von Standesbeamten an die Polizei gemeldet. Etwa, wenn sich Paare nur per Dolmetscher verständigen können. Laut Messingers Studie zählen auch Differenzen beim Alter oder ein prekärer Aufenthaltsstatus eines Partners dazu.

Während die Polizei ihre harte Gangart verteidigt, finden Gertrud Schmutzer vom Verein Fibel, der binationale Paare berät, diese überzogen. "Es ist nach aktuellem Recht fast unmöglich, über eine Heirat mit einem Österreicher eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Ein Generalverdacht ist da sicher nicht angemessen." Österreicher müssen 1323 Euro Mindestnettoeinkommen vorweisen. Zudem muss der "fremde" Partner seinen Antrag auf Aufenthalt aus dem Heimatland stellen und Deutsch können. Leichter ist es für Unionsbürger, für sie fallen diese Hürden weg.

Gerald Tatzgern, Leiter des Büros für Menschenhandel und Schlepperei im Bundeskriminalamt, beobachtet, dass die Zahl der Scheinehen in bestimmten Milieus bei Österreichern zurückgeht. "In den letzten Monaten war dafür bemerkbar, dass abgelehnte Asylwerber EU-Bürgerinnen heiraten", erklärt der Experte. Oft stammten die Frauen aus Rumänien und Ungarn.

Scheinehen: Viele Tests, kaum Verurteilungen

Es ist kompliziert, heißt es oft. Bei der Wienerin Aliki und dem Syrer Alaa A. trifft das definitiv zu. Der 34-Jährige arbeitete als Marketing-Manager in Dubai. Er verlor seinen Job, reiste mit Schengenvisum nach Europa und stellte einen Asylantrag. Dann lernte er die Österreicherin kennen. Liebe. Er zog bei Aliki ein, am 8. Juli heiratete das Paar in Wien. Honeymoon – nicht möglich. Stattdessen waren Ungewissheit und die Angst vor der Fremdenpolizei ständiger Begleiter. "Jedes Mal, wenn das Telefon läutet, habe ich Panik", erzählt Alaa. Denn er war über Spanien in die EU gereist. Damit ist dieses Land für das Verfahren zuständig. Erst dann kann er um Aufenthalt in Österreich ansuchen.

Auch die beiden wurden von der Fremdenpolizei zu ihrer Beziehung befragt. "Sie wollten, dass ich die Wohnung beschreibe – bis zur Balkongröße. Ich musste einen Plan der Umgebung zeichnen. Sie fragten, wie wir miteinander kommunizieren. Ich kenne Leute, die wurden gefragt, wie sie Sex miteinander haben", erzählt er. Dabei wolle er gar keine Leistung vom Staat, könne vielmehr etwas beitragen. "Die Polizei vermittelt dir, dass du lügst, und du musst beweisen, dass du es nicht tust." Man müsse sich ständig rechtfertigen, meinen beide. Ihr Happy End muss nun noch warten. Einen Tag nach dem KURIER-Interview erfuhr Alaa A., dass er nach Spanien ausreisen muss.

"Ich glaube, es ist eine ideologische Frage. Man sagt, die Familie als ,Keimzelle des Staates‘ darf man nicht missbrauchen. Über eine Ehe darf man keinen Aufenthaltstitel bekommen." Politikwissenschafterin Irene Messinger hat sich in ihrer Dissertation 2011 dem Vorgehen der Fremdenpolizei gewidmet und übt heftige Kritik.

Aufwand und Ergebnis würden in keinem Verhältnis stehen, meint sie. Nur bei einem Drittel der Verfahren komme es Verurteilungen. Zudem würden rassistische und sexistische Vorurteile zum Tragen kommen. "Es werden etwa viel mehr Ehen mit afrikanischen Asylwerbern kontrolliert oder Ehen zwischen Serben in 2. Generation. Natürlich kommt es da dann zu mehr Anzeigen", erklärt sie. Österreicher, die Asiatinnen heiraten, würden hingegen kaum kontrolliert.

Dieses Ergebnis kann Fremdenpolizist Mario Zalusky nicht nachvollziehen. Zwar würden Serben bei den Verdachtsfällen vorne liegen, Afrikaner seien statistisch jedoch weit hinten erfasst. An zweiter Stelle lägen Inder gefolgt von Pakistani. "Es sind aber mehr Frauen, die Männern den Zuzug ermöglichen wollen. Oft ist da Geld ein Motiv", so Zalusky. Messinger jedenfalls vermutet, dass das Thema im Zuge der Flüchtlingsbewegungen an Brisanz gewinnt. "Ehen mit Asylwerbern, die uns künftig vermehrt beschäftigen."

Kommentare