Weshalb die Spitzenkandidatin der Grünen nie bei "Jedermann" war
Die 35-jährige Anna Schiester ist seit Herbst 2022 im Salzburger Stadtrat vertreten. Jetzt will sie auf Anhieb Bürgermeisterin werden.
KURIER: Die Partei liegt in Umfragen besser als Sie. Kennt man Sie in Salzburg zu wenig?
Anna Schiester: Ich bin erst seit etwas mehr als einem Jahr im Amt. Es ist meine Aufgabe, mich selbst bekannt zu machen. Da habe ich viel getan. Das Spannende ist ja, dass es viele neue Kandidaten und eine neue Kandidatin gibt, die das Feld durcheinander würfeln.
Worauf begründen Sie den Anspruch, Bürgermeisterin werden zu wollen?
Die Salzburgerinnen und Salzburger haben nach den letzten fünf Jahren ÖVP-Regierung und ÖVP-Bürgermeister Preuner den Stillstand sehr satt. Es gab kaum Initiativen im Wohnbau, auch in der Verkehrspolitik ist so gut wie nichts weitergegangen. Ich bin ein neues, jüngeres Gesicht, vertrete eine neue Generation von Politik und habe den Anspruch, dass sich in Salzburg etwas ändern muss.
Kay-Michael Dankl und die KPÖ haben im Gegensatz zu Ihnen zugelegt. Er hat sich offenbar aus gutem Grund von den Grünen losgesagt.
Das müssen sie Kay-Michael Dankl fragen, ich war daran nicht beteiligt. Ich mache meine eigene Art Politik. In der Analyse, dass leistbares Wohnen in Salzburg Mangelware ist, und dass in den letzten fünf Jahren aufgrund der ÖVP-Politik in Stadt und Land zu wenig weitergegangen ist, sind wir einig, aber wir haben andere Lösungsansätze.
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Dankl wird aber, im Gegensatz zu Ihnen, mit SPÖ-Kandidat Bernhard Auinger in die Stichwahl kommen. Wer bekommt Ihre Stimme?
(denkt kurz nach) Da rinnt noch viel Wasser die Salzach hinunter, das werde ich am 24. März entscheiden.
Es gibt bei den Festspielen spannendere Veranstaltungen als den Jedermann
Worüber reden die Salzburgerinnen und Salzburger mit Ihnen?
Ich bin sehr viel unterwegs, da kommen drei Themen immer wieder. Nummer 1 ist leistbares Wohnen. Es geht darum, dass junge Familien wegziehen, weil sie es sich nicht leisten können. Es geht um das Thema Verkehr, dass man im Stau steht, dass die Öffis so schlecht sind wie nie zuvor. Und bei uns kommt oft Lebensqualität und Stadtbegrünung, wie verteilt man den Platz in der Stadt, wie schaffen wir mehr Platz fürs zu Fuß gehen und das Radfahren.
Was geht beim Wohnen besser – oder haben die Grünen auch keine Lösung?
Diese eine Lösung gibt es nicht. Aber es gibt viele Instrumente auf Stadtebene, eine aktive Stadtplanung, aktive Bodenpolitik. Eine aktivere Stadtpolitik wäre wichtig, nicht so ein Dahinwurschteln. Das war sehr passiv in den letzten Jahren.
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Nachverdichtung etwa?
Ja, wir haben Stadtteile mit brachliegenden Flächen, mit Gewerbeflächen, wo man sehr wohl kombiniert mit Gewerbe Wohnbau entwickeln könnte.
Reichen Ihre Überschriften: Wir begrünen den Mirabell-Platz und machen die Innenstadt autofrei?
Nein, wir haben ja viele weitere Punkte im Wahlprogramm. Die verkehrsberuhigte Innenstadt fordern wir schon lange, das wird von 80 Prozent der Salzburger unterstützt. Beim Begrünen geht es um eine Erhöhung der Lebensqualität in Stadtteilen, die nicht so privilegiert sind, wo aber viele Menschen leben.
Radfahren, zu Fuß gehen und der öffentliche Verkehr haben in Salzburg einen Anteil von 62 Prozent, 37 Prozent fahren mit dem Auto. Ist das noch zu viel?
Das liegt immer im Auge des Betrachters. Die Salzburgerinnen und Salzburger leiden unter dem Durchzugs- und Pendlerverkehr. Jeden Tag staut es, bei Schlechtwetter erst recht. Gleichzeitig haben wir einen sehr hohen Touristenverkehr. Da gäbe es einige einfache Lösungen, wie Park & Ride Anlagen an den Stadträndern. Nicht jeder, der ins Zentrum will, muss auch ins Zentrum fahren. Der Radanteil ist gut, dieser Anteil ist noch zu steigern. Der Platz auf den Radwegen wird knapp. Dadurch fühlen sich viele unsicher, da gibt es noch Luft nach oben.
- Die 35-Jährige stammt aus Kuchl und war in Hallein Schulsprecherin
- Im Herbst 2022 hat sie die Nachfolge von Martina Berthold als Baustadträtin in
Salzburg angetreten - 2015 begann die frühere Journalistin, sich für Menschen auf der Flucht zu engagieren, sie ist etwa Initiatorin von Begegnungsfesten im Volksgarten Salzburg
Warum ist der S-Link so umstritten?
Wir stehen dem Projekt grundsätzlich positiv gegenüber. Er ist als eine von mehreren Maßnahmen wichtig, kann die Menschen in der Stadt vom Individualverkehr entlasten und mehr Raum für Radwege und schöne Plätze schaffen. Aber viele fürchten, und diese Sorge habe ich auch, dass die ÖVP nur die Öffifahrer unter die Erde verlegt und so die Oberfläche für Autos freimacht.
Overtourism ist ein großes Thema. Touristiker und ÖVP-Kandidat Kreibich sieht noch ausreichend Platz für mehr Touristen. Teilen Sie das?
(lacht) Das ist genau diese falsche Politik, die jahrzehntelang gemacht wurde. Die hat uns genau dahin gebracht, wo wir jetzt sind. Wir brauchen den Tourismus für unsere Wirtschaft, das steht außer Streit. Aber dieses noch mehr, jedes Jahr neue Rekordzahlen präsentieren und sich damit abfeiern lassen, das ist der falsche Weg. Die Bevölkerung steht kurz davor, den Tourismus nicht mehr mitzutragen. Das ist die große Gefahr. Wir brauchen den Tourismus, aber das geht nur, wenn die Menschen, die hier leben und arbeiten, das mittragen können. Sonst werden wir ein Hallstatt, und das möchte ich nicht.
Was gehört denn in Salzburg geändert?
Die Tourismusbusse nicht mehr ins Zentrum holen, Reisegruppen könnte man auf etwa 20 Personen beschränken und stärker auf Qualität statt auf Masse setzen. Auch die Anreisemöglichkeiten müssen überdacht werden. Muss jeder mit dem Reisebus oder dem Auto kommen? Mehr Touristen geht sicher nicht.
Jedermann schauen Sie sich regelmäßig an?
Ich mache jetzt ein Geständnis.
Sie waren noch nie beim Jedermann.
Ich war noch nie beim Jedermann. Ich gehe sehr gerne zu den Festspielen. Ich bin ein komischer Mensch, habe schon als Jugendliche klassische Musik gehört, schaue mir gerne Opern an, manchmal finden Sie mich auch auf Stehplätzen. Aber ich war noch nie beim Jedermann. Vielleicht hole ich das heuer nach, vielleicht auch nicht. Schauen wir, was die Inszenierung bringt. Es gibt bei den Festspielen spannendere Veranstaltungen als den Jedermann. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Und Karten kaufe ich mir immer selber.
Der Umbau der Festspielhäuser ist nötig?
Wirklich wichtig ist die Sanierung der Arbeitsräumlichkeiten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Arbeitsbedingungen für diese Menschen sind eine Zumutung, das ist nicht mehr konform mit dem Arbeitsrecht, würde ich sagen. Ob alles sofort und in dieser Dimension umsetzbar und notwendig ist, darüber wird man diskutieren müssen.
Die Grünen sind in Salzburg aus der Landesregierung geflogen. Hat man hier auf die falschen Themen gesetzt?
So würde ich das nicht sehen. Die Grünen haben sich stark für Raumordnung und Klimaschutz eingesetzt, ein Riesenthema, ein zentrales Thema.
Nur nicht so wählbar.
Nicht so wählbar, ja, aber ein Zukunftsthema.
Fällt Ihnen wie der ÖVP die Regierungsbeteiligung der Grünen auf den Kopf ?
(Denkt lange nach) Nein, das würde ich so nicht sehen. Als Juniorpartner ist es nie einfach. Die letzten Jahre waren sehr turbulent. Angesichts der schwierigen Umstände haben die Grünen viel erreicht. Die ÖVP sollte langsam darüber nachdenken, ob es etwas bringt, sich nur Kickl anzubiedern, oder ob es nicht Zeit wäre, ein Bündnis gegen diese rechte Politik zu schmieden. Man wird die ÖVP zu einem Bündnis für die Demokratie brauchen. Wir müssen auf allen Ebenen schauen, dass wir diesen rechtsextremen, menschenverachtenden Umtrieben ein Ende setzen. Von dieser Politik hat nämlich niemand etwas, auch nicht die Menschen, die sie wählen.
Spürt man das durch die Regierungsbeteiligung der FPÖ in Salzburg?
In manchen Bereichen ja, vor allem am Stil, am Umgang mit Journalisten, mit kritischer Berichterstattung. Wie geht man mit Menschen um, die nicht ihrer Meinung sind. Gemerkt hat man das, als Teile der Pädagoginnen ein neues Gesetz kritisiert haben. Diese wurden öffentlich und angeblich auch durch persönliche Anrufe von der Landeshauptfrau-Stellvertreterin lautstark kritisiert, waren aber vorab nicht eingebunden.
Und die FPÖ in der Stadt?
Mit dem Herrn Dürnberger haben wir einen rechts außen positionierten FPÖler an der Spitze, der wenig Erfahrung mitbringt. Ich habe große Sorge, dass dieses toxische, menschenverachtende Klima auch in die Stadtpolitik getragen wird. Es täte der Stadt nicht gut, wenn die FPÖ in die Stadtregierung kommen würde. Das will ich verhindern, das ist mein Wahlziel. Wobei ich mit den jetzigen FPÖ-Mitgliedern im Gemeinderat sehr gut zusammengearbeitet habe, aber die neue Spitze repräsentiert eine andere Politik.
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