Rekordverdächtige plus 10,5 Grad am Glockner: "So warm, des is net normal"

Rekordverdächtige plus 10,5 Grad am Glockner: "So warm, des is net normal"
Die Nullgradgrenze steigt auf über 5.000 Meter. Was die Extreme für Österreichs höchst gelegene Schutzhütte, die Adlersruhe, bedeuten.

Um 16:22 Uhr war es soweit: Die Webcam der Erzherzog-Johann-Hütte, auch bekannt als Adlersruhe, zeigte rekordverdächtige 10 Grad plus an. Wenig später waren es 10,5 Grad. Wohlgemerkt auf 3.454 Meter Seehöhe. Die Gluthitze macht auch vor Österreichs höchst gelegener Schutzhütte, im Schatten des Großglockners nicht halt. 

Bis zu 35 Grad

Am Montag und am Dienstag werden laut Prognosen von GeoSphere Austria Höchstwerte zwischen 30 und 35 Grad erwartet. Im Tal.

Am Berg steigt die Nullgradgrenze bis auf über 5.000 Meter. Noch höher liegt sie in der Schweiz, ein Wetterballon hat die Nullgradgrenze in 5.300 Metern gemessen - in der 70-jährigen Messgeschichte der Schweiz, der höchste je erreichte Wert.

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Zweistellige Plusgrade wurden auch für den 3.798 Meter hohen Großglockner erwartet - und erfüllt. Dem Reich von Toni Riepler, dem Hüttenwirt der Adlersruhe. 

Wie er die Hitze erlebt und warum alles "immer extremer" in der Extremhöhe wird, lesen Sie im Folgenden.

"Ich bin seit 2017 Wirt auf der Adlersruhe und es wird tendenziell immer wärmer", erzählt Riepler. Und nach einer Pause: "Dass es so warm is, des is net normal. Einzelne Tage ja, aber so lange. Die Gletscher schwitzen draußen regelrecht", sagt Riepler, den der KURIER telefonisch während der Arbeit in der Hütte erreicht.

Einen offiziellen Temperaturrekord vom Dach Österreichs gibt es nicht, da der Berg oder die Adlersruhe selbst, über keine amtliche Wetterstation verfügen. Was sich aktuell abspielt, kann aber als rekordverdächtig bezeichnet werden.

Besonders an zwei Stellen seien die Erwärmung und der Klimawandel Österreichs höchstem Berg deutlich anzumerken: Am sogenannten Eisleitl und am Bahnhof.

Rekordverdächtige plus 10,5 Grad am Glockner: "So warm, des is net normal"

Wandern durch Matsch, statt durch Schnee

Das 45 Grad steile Eisleitl, über das schon die Erstbesteiger den Gipfel erreichten, war bereits im vergangenen Sommer das "Sorgenkind" des Bergs. Der Bereich, der normalerweise im August einer „Schneefahrbahn“ gleicht, war damals komplett schneefrei, das Eis geschmolzen, die Steinschlag-Gefahr enorm hoch. Grund für die prekäre Lage waren auch damals die hohen Temperaturen, die sogar auf 3.600 Metern Seehöhe dafür sorgten, dass Bergsteiger statt durch Eis und Schnee durch Schlamm wanderten. 

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Gletscher blank

Heuer habe Schneefall im August die Situation etwas entspannt. "Der Berg hat eine kurze Verschnaufpause bekommen. Aber am Eisleitl und am Bahnhof merkt man extrem, wie die Gletscher schmelzen. Wir reden dort von einer Höhe von 3.500 bis 3.600 Meter. Da ist alles blank. Wir haben nicht nur in tiefen Lagen einen massiven Eisverlust bei den Gletschern, sondern auch hier heroben", erzählt Riepler.

Neues "klimatisches Regime"

Eine Beobachtung, die Gletscherforscher unterstreichen. „Wir befinden uns in einem neuen klimatischen Regime“, betont auch Glaziologin Andrea Fischer, die von der APA bei einer Begehung des Tiroler Jamtalgletschers begleitet wurde.

Fischer kommt alle 14 Tage auf den Gletscher: „Es sieht jedes Mal anders aus.“ Die Forscherin und ihr Team beobachten zahlreiche Gletscher in den Ostalpen. Manchmal tue sie sich mittlerweile schwer, sie an ihrer Form zu erkennen, so rasant sind die Veränderungen. Das prognostizierte Ende der Gletscher sei mittlerweile um rund 50 Jahre nach vorne gerückt. 

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Der selbst für die Wissenschaft überraschend rapide Gletscherschwund gibt einmal mehr Anlass, Warnsystemen, Katastrophenfonds und Verbauungsmaßnahmen neu zu überdenken.

Pendel schlägt aus

Extreme, die auch Riepler kennt. "Es gibt keine Konstanten mehr. Am 8. August hatten wir in der Früh minus 8,2 Grad, jetzt ist es extrem heiß. Es ist brutal, wie das Pendel ausschlägt." Dass alles extremer wird, auch in der Extremhöhe, zeigt ein aktuelles Beispiel vom Juli diesen Jahres.

Bei einem heftigen Gewitter schlug ein Blitz in das Seil der neuen Transportseilbahn ein. Diese ist wie eine Lebensader für die Hütte. Nicht nur Waren werden damit transportiert, sondern auch verletzte Wanderer in Sicherheit gebracht. Mittlerweile ist die Bahn wieder funktionsfähig.

Ereignisse werden mehr

"Das war ein außerordentliches Gewitter. Die Blitze haben im Klettersteig sogar die Stangen rausgesprengt. So heftig war das", erinnert sich der Hüttenwirt. 

Er ist überzeugt: "Diese Ereignisse werden mehr, das Klima schlägt voll zu. Und ja, die Zukunft hier heroben am Berg bereitet mir massive Kopfschmerzen."

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