Bildungsmigranten entdecken Wien

Die neuen Zuwanderer kommen nicht aus der Türkei oder Ex-Jugoslawien. Am intensivsten drängen Ungarn und Deutsche nach Wien und Österreich.
Zuzug stieg gegenüber 2011 um 40 Prozent. Vor allem Deutsche und Ungarn kommen.

Die Zuwanderung nach Österreich wächst rasant. Kamen vor zwei Jahren noch 30.705 Personen in unser Land, waren es 2012 bereits 43.000 Menschen. Das bedeutet ein Plus von 40 Prozent (Details und Grafiken siehe unten).

Laut aktueller Zählung der Statistik Austria lebten am 1. Jänner 2013 insgesamt 8,451 Millionen Menschen in Österreich. Um 0,52 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

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Die Hauptlast dieser Entwicklung schultert – mit 24.162 Zuwanderern (plus 1,41 %) – die Bundeshauptstadt. „Registriert wurden alle Personen, die in Wien einen Hauptwohnsitz gemeldet haben und vor der Meldung drei Monate lang keinen hatten. Inkludiert sind auch Asylwerber“, erklärt Statistiker Alexander Wisbauer.

Miteingerechnet sind zusätzlich Studenten (mit festem Wohnsitz) und/oder Saisonarbeiter. Damit zeigt sich aber auch, dass Integration mit einem neuen Gesicht auftritt. Denn an der Spitze der nach Österreich gekommenen Nationen rangieren die Ungarn (6600 Menschen) gefolgt von den deutschen Nachbarn (6200 Zuwanderer). Parallel dazu zeigt sich etwa in der türkischen Gemeinde eine Stagnation.

Laut seriösen Hochrechnungen dürfte Wien um 2030 eine Zwei-Millionen-Metropole werden. Wie aber reagiert die Stadt auf diese Bevölkerungswachstum?

Neue Gründerzeit

„Wir erleben gerade eine neue Gründerzeit. Im Gegensatz zu damals leben jedoch keine zwölf Menschen mehr auf 30 Quadratmetern. Im Schnitt beansprucht ein Bürger etwa 40 Wohnfläche“, weist der Grüne Planungssprecher Christoph Chorherr auf den Stadtentwicklungsplan hin. Er soll 2014 beschlossen werden.

Chorherr: „Entlang der U-Bahnachsen 1, 2 und 6, wird Wohnraum geschaffen. Flächenintensive Areale – Gewerbezonen und Supermärkte – sollen mit Wohnraum überbaut werden. Und Bürokomplexe werden in Zukunft auch Wohneinheiten bieten. Dabei soll der Grünraum der Stadt erhalten bleiben.“

Parallel dazu müssen bei anhaltendem Trend alleine in Wien 1500 Kindergartenplätze pro Jahr geschaffen werden. „Es dürfen keine Stadtrand-Gettos wie in Paris entstehen. Wenn man so will, rüstet Wien für den Bevölkerungsansturm auf.“

Bildungsmigration

Im Büro von Integrations-Stadträtin Frauenberger wurden die neuen Bevölkerungszahlen umgehend analysiert. Sprecherin Stefanie Grubich erklärt die ersten Ergebnisse: „Die aktuelle Zuwanderungswelle ist so stark gemischt wie noch nie zuvor. Man kann von einer Art Bildungsmigration sprechen.“

Da Wien als sichere und attraktive Stadt gilt, bleiben auch viele der neuen Zuwanderer hier. „Besser Gebildete suchen einen gut dotierten Job und eine sichere Zukunft“, sagt Grubich.

Da aber in den neuen Statistiken auch Saisonarbeiter und Studenten eingeflossen sind, muss das Argument des temporären Arbeitsaufenthaltes miteinbezogen werden. Das gilt aber eher für Bundesländer mit starkem Tourismus.

Die neue Art der Migration räumt weiters mit der Volksmeinung auf, dass „nur nach Österreich gekommen wird, um für Kind und Kegel Sozialleistungen zu kassieren“.

Der Großteil der neuen Zuwanderer ist mehrsprachig, besitzt einen Schulabschluss und war im Heimatland beruflich aktiv. Allerdings grassiert in vielen Abwanderungs-Ländern die Arbeitslosigkeit, Alternativen und Perspektiven fehlen.

Österreich wächst wieder stärker - für den Bevölkerungszuwachs sind vor allem Ausländer verantwortlich: Der sogenannte Wanderungssaldo Österreichs mit dem Ausland hat im Jahr 2012 ein Plus von rund 43.800 Personen ergeben. Damit hat sich die Zuwanderung gegenüber dem Vorjahr um mehr als 40 Prozent erhöht. Zuletzt gab es im Jahr 2004 einen ähnlich hohen Wert (siehe Grafik).

Allerdings zeigen die Daten der Statistik Austria, dass auch immer mehr Österreicher ihrer Heimat den Rücken kehren. 96.600 Inländer haben das Land im Vorjahr verlassen. Im Gegenzug kamen 2012 insgesamt 140.400 Menschen, davon 76.388 aus EU-Staaten und 49.217 aus Nicht-EU-Staaten, nach Österreich. Die Wegzüge miteingerechnet kamen im Vorjahr "netto" 51.211 Ausländer nach Österreich - 2011 waren es noch deutlich weniger, nämlich 37.100 Personen.

Gesamt betrachtet haben mit Stichtag 1. Jänner 2013 8,451.860 Menschen in Österreich gelebt, das sind um 43.739 oder 0,52 Prozent mehr als zu Jahresbeginn 2012. Der Bevölkerungszuwachs war damit deutlich höher als im Jahr zuvor (2011: plus 0,39 Prozent).

Ungarn überholen Deutsche

Der Großteil der Zuwanderer im Vorjahr, nämlich rund 62 Prozent, entfiel auf EU-Bürger (absolut plus 31.500 Personen). Die zahlenmäßig größte Gruppe waren hier ungarische Staatsangehörige (plus 6.600 Personen), es folgen die Deutschen (plus 6.200 Personen) und die Rumänen (plus 5.400 Personen).

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epa01715832 Hungarian fans cheer for their team prior to the Relegation Round ice hockey game between Austria and Hungary at the IIHF 2009 World Championship at the Arena Zurich-Kloten in Zurich, Switzerland, 01 May 2009. EPA/STEFFEN SCHMIDT

Der Wanderungssaldo mit Nicht-EU-Staaten lag bei einem Plus von fast 19.700 Personen, wovon aber rund 45 Prozent auf Europäer entfielen. Die größten Gruppen darunter waren russische Staatsangehörige (plus 1.800 Personen), serbische Staatsangehörige (plus 1.700 Personen) sowie Bürger aus Bosnien und Herzegowina (plus 1.500 Personen). Zum Vergleich: Aus ganz Afrika kamen 2012 nur 1380 Personen nach Österreich, aus Nord- und Südamerika gar nur 737.

Deutsche größte Ausländergruppe

Insgesamt betrug der Ausländeranteil zu Jahresbeginn 2013 rund 11,9 Prozent. In absoluten Zahlen lebte etwa eine Million Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Österreich, das entspricht einem Anstieg von 52.800 Personen seit Jahresbeginn 2012. Rund 41 Prozent der Ausländer stammten aus der EU, die größte Ausländergruppe in Österreich bildeten mit fast 16 Prozent die Deutschen. Unter den Ausländern aus Nicht-EU-Staaten waren die Türken mit 113.700 die größte Nationalität vor serbischen Staatsangehörigen (111.300 Personen).

Wanderungssaldo seit 1988 in absoluten Zahlen | Infographics

Mittelpunkt der Zuwanderung und ausländischen Bevölkerung ist wenig überraschend die Bundeshauptstadt: Rund 44 Prozent der Netto-Zuwanderung aus dem Ausland des Jahres 2012 (plus 19.100 Personen) entfielen auf Wien, wo sich am 1. Jänner 2013 etwa 40 Prozent der ausländischen Bevölkerung Österreichs konzentrierten. Dementsprechend war der Ausländeranteil in Wien mit 23 Prozent beinahe doppelt so hoch wie im österreichischen Durchschnitt.

Tirol wächst am stärksten

Ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum verzeichnete Tirol (plus 0,61 Prozent), während Vorarlberg (plus 0,45 Prozent) und Salzburg (plus 0,41 Prozent) knapp unter dem Durchschnitt lagen. Etwas geringer war der Zuwachs in Oberösterreich (plus 0,33 Prozent) und dem Burgenland (plus 0,32 Prozent) sowie in Niederösterreich (plus 0,26 Prozent) und der Steiermark (plus 0,19 Prozent).

Bevölkerungswachstum in Österreich | Create infographics

Auf regionaler Ebene verbuchten vor allem die Landeshauptstädte die größten Bevölkerungszuwächse. Spitzenreiter waren Innsbruck (plus 2,18 Prozent) und Eisenstadt (plus 1,82 Prozent), die sogar einen stärkeren Einwohneranstieg als Wien (1,41 Prozent) verzeichneten. Graz lag mit einem Plus von 1,36 Prozent nur knapp hinter dem Bevölkerungswachstum der Bundeshauptstadt. Darüber hinaus verzeichneten vor allem die Umlandbezirke der größeren Städte sowie die meisten Bezirke in der Ostregion Österreichs besonders hohe Bevölkerungsgewinne.

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Bevölkerungswachstum

Die größten Verluste registrierten 2012 vor allem inneralpine und periphere Regionen, so zum Beispiel die Bezirke Mürzzuschlag (minus 1,03 Prozent), Leoben (minus 0,89 Prozent), Zwettl (minus 0,88 Prozent) und Spittal an der Drau (minus 0,80 Prozent). Deutliche Einwohnerrückgänge verzeichneten generell die meisten obersteirischen Bezirke sowie Osttirol und weite Teile Kärntens, das südliche Burgenland sowie das Waldviertel.

Fast 1300 Einwohner über 100 Jahre alt

Das Durchschnittsalter der Menschen in Österreich ist weiter gestiegen. Es lag zu Beginn des Jahres 2013 bei 42,0 Jahren, um 0,1 Jahre höher als im Vorjahr und um gut zwei Jahre höher als noch vor zehn Jahren. Detail am Rande: 1.295 Menschen - 210 Männer und 1.085 Frauen - waren am 1. Jänner 2013 mindestens 100 Jahre alt, das waren um 143 Personen mehr als am 1. Jänner 2012.

Statistik Austria

Die Zuwanderung nach Österreich wächst rasant. Kamen vor zwei Jahren noch 30.705 Personen, waren es 2012 bereits 43.000 Menschen. Das ist ein Plus von 40 Prozent.

Laut Statistik Austria lebten am 1. Jänner 2013 insgesamt 8,451 Mio. Menschen in Österreich. Um 0,52 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Hauptlast dieser Entwicklung schultert – mit 24.162 Zuwanderern (plus 1,41 %) – Wien. In NÖ waren mit 1. Jänner 1,619 Mio. Menschen zu Hause und somit um 4137 Personen (plus 0,26 Prozent) mehr als 2012. Vor allem der Speckgürtel rund um Wien und viele Städte wachsen konstant. „In den vergangenen zehn Jahren sind über 3000 Menschen hergezogen“, sagt Martin Koutny vom Magistrat St. Pölten. Aktuell gäbe es 52.132 St. Pöltner.

Vor allem Junge würden wegen der Karriere und den vielen Bildungseinrichtungen zuziehen. Das sei auch der Grund, warum junge Familien aus der Peripherie nach Wr. Neustadt siedeln, weiß Thomas Iwanschitz vom Medienservice. 41.701 Menschen lebten laut Statistik Austria mit 1. Jänner 2013 in der Stadt, 315 mehr als Jahr davor. Ländliche Gebiete werden hingegen für viele unattraktiver. So verzeichnet etwa der Bezirk Zwettl einen Bevölkerungsverlust von 0,88 Prozent.

In Wien sind Ungarn und Deutsche die größte Zuwanderergruppe. Migranten sind heute besser gebildet und bleiben oft dauerhaft.

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