Zugfahren in Zeiten der drohenden Reservierungspflicht: Ein Erlebnisbericht

Zugfahren in Zeiten der drohenden Reservierungspflicht: Ein Erlebnisbericht
Wenn die Angst vor der dem Zug-Rauswurf wegen einer fehlenden Reservierung mit einer Fahrt erster Klasse endet.

Der Bahnsteig 8 des Wiener Hauptbahnhofs ist ihr Revier. Der Männer in den blau-orangen Jacken, auf denen in weißer Schrift groß zu lesen steht: Einsatzkoordinator. Die Koordination braucht es an diesem Mittwochnachmittag auch. Christi Himmelfahrt steht vor der Tür und somit ein langes Wochenende für alle jene, die den Freitag zum Zwickeltag gemacht haben.

Was hingegen nicht lange ist, ist der Railjet mit der Nummer 698. Ohne Umsteigen von Wien Hauptbahnhof  nach Klagenfurt. Ein Traum für jeden Reisenden. Ein Albtraum, wenn man einen Blick auf die Wagenstandsanzeige wirft.

Vier Waggons für reisestarkes Wochenende


zNur vier Waggons der zweiten Klasse gibt es, zweieinhalb der ersten und ein Bordrestaurant. Alles belegt mit Reisenden. Wohlgemerkt Reisenden, die alle brav ihre Reservierung am Handy auswendig zu lernen scheinen. Ich inklusive.

„Haben’s die Zeitungen gelesen in letzter Zeit? Ohne Reservierung hast keine Chance mehr. Ich lass mich doch nicht aus dem Zug werfen“, erzählt eine wartende Frau neben mir. In der Debatte um diese Rauswürfe ließen die ÖBB mit der Ankündigung aufhorchen, dass man erstmals eine Reservierungspflicht nicht mehr ausschließe.

Reservierungen in der zweiten Klasse gut, aber aus

Ich reise heute erste Klasse. Nicht, weil ich so ein verwöhntes Ding bin, ich bin immerhin ein Eisenbahner-Kind und zweite Klasse-Reisen seit Kindesbeinen an gewohnt, sondern weil eine Reservierung für die zweite Klasse schlicht und ergreifend an diesem Mittwoch nicht mehr möglich war.

Dafür warnt mich mein Handy beim Auswendig-Lernen des reservierten Platzes dann auch rechtzeitig vor, dass der Zug nach Klagenfurt nicht von Bahnsteig 8, dem Revier der blau-orangen Männer, sondern von Bahnsteig 6 abfahren wird. Ausbau der Echtzeitinformationen nennen die ÖBB das.

Die geschätzten 300 Fahrgäste von Bahnsteig 8 nennen das eher mühsam. Rolltreppe runter, Rolltreppe rauf.

RJ 698 fuhr dann mit leichter Verspätung ab. Es kam zu keinen Tumulten, niemand wurde aus dem Zug geworfen. Allerdings wollte auch niemand mein Ticket sehen. Denn im Tunnel kurz nach Wien Meidling gab es kein W-LAN, das ein Laden des PDF-Tickets am Handy ermöglicht hätte.

Die ÖBB-Zugbegleiterin wollte für die Kontrolle zurückzukommen, tat sie aber nicht. Sitzplatz 106 am Fenster in Wagen 26 hat dies dann doch ein wenig traurig gestimmt.

 

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