Zoll beschlagnahmte 2021 mehr als 317.000 gefälschte Produkte
Roland Karner präsentiert stolz eine Flasche Schlangenwein. Er ist Teamleiter der Zollabteilung und arbeitet seit 31 Jahren am Flughafen Wien-Schwechat. Mit seinem Team entdeckt er immer wieder kuriose Schmuggelwaren.
So ist heuer zum Beispiel der Schmuggel mit "Ivermectin" förmlich explodiert. Und auch Zigarettenschmuggler gehen den Fahndern reihenweise ins Netz. Aber nicht nur.
Alleine im vergangenen Jahr kam es am Flughafen Wien zu 37.840 Kontrollen und 2.946 Aufgriffen. Das entspricht einem Anstieg der Aufgriffe von 37 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2.156). "Unsere Zöllner kämpfen österreichweit gegen Schmuggler und leisten dabei auf einer Vielzahl von Ebenen hervorragende Arbeit - wie auch die Bilanz im Reiseverkehr am größten Flughafen Österreichs zeigt. Hier schützt unser Zoll Wirtschaft sowie Bürger am Tor der Welt", sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).
150 Prozent mehr Aufgriffe von Fake-Produkten
Nicht nur Karner und seine Kollegen hatten im Vorjahr genug zu tun. Der heimische Zoll hat 2021 mehr als 317.000 gefälschte Produkte beschlagnahmt. Dabei wurden 8.210 Sendungen aus dem Verkehr gezogen, eine Steigerung um 150 Prozent im Vergleich zu 2020. Der Gesamtwert der gefälschten und sichergestellten Produkte liegt, gemessen am Originalpreis, bei 12,3 Millionen Euro.
Die meisten gefälschten Waren wurden über das Internet verkauft und per Post geliefert. Die aus den Beschlagnahmungen resultierenden Rechtsverfahren stiegen im Vergleich zu 2020 ebenfalls exorbitant: um 122 Prozent auf 14.808 Verfahren.
„Produktpiraterie und die Verletzung der Rechte von gesetzestreuen Herstellern und Händlern ist ein enormes Problem für unsere Wirtschaft. Um die redlichen Unternehmer zu unterstützen, sind der Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums unerlässlich“, betonte Finanzminister Brunner in einer Aussendung am Donnerstag.
Verantwortlich für die erhebliche Steigerung im Vorjahr war vor allem ein einziger chinesischer Versender, der von Ende 2020 bis März 2021 einige tausend Sendungen mit extrem günstigen, gefälschten Markenartikeln - vorwiegend Textilien, Schuhe, Taschen, Brieftaschen bis hin zu Mund-Nasen-Masken mit Logos verschiedener Rechtsinhaber - per Post nach Österreich versendet hat.
Ivermectin-Schmuggel explodiert
Auch die Zahl der gefälschten und illegalen Medikamente ist drastisch gestiegen. Im Vorjahr gab es 7.983 Zollaufgriffe, was gegenüber 2020 eine Steigerung von 133 Prozent bedeutete. Rekord dabei waren die aufgegriffenen 2,62 Mio. Stück Medikamente, im Vergleich zu 2020 ein Plus um 650 Prozent.
Diese Rekordmenge sei vor allem auf einen Schmuggelfall zurückzuführen. Im Frachtbereich des Flughafens Wien wurden in 50 Kartons aus Dubai insgesamt 2,16 Millionen Stück Pseudophedrin entdeckt, welches für die Produktion von Crystal Meth verwendet wird. Das war europaweit der größte Aufgriff von Vorläuferstoffen dieser Droge.
Laut Finanzministerium sind auch die Beschlagnahmungen des Wurmmittels "Ivermectin" förmlich explodiert: Bei Schwerpunktkontrollen des österreichischen Zolls wurden im vergangenen Jahr bei 837 Aufgriffen 41.719 Tabletten dieses Arzneimittels sichergestellt, davon alleine 743 Sendungen mit 33.394 Tabletten zwischen September und Dezember 2021.
Schmuggel am Flughafen: Zigaretten, Schmuck, Pflanzen
Doch zurück zum Flughafen Wien: Noch vor der Pandemie gab es pro Jahr bis zu 100.000 Kontrollen. Coronabedingt zählte der Flughafen 2021 etwas mehr als zehn Millionen Fluggäste, 20 Millionen weniger als vor der Pandemie.
Bei den Passagieren wurden am häufigsten tierische Lebensmittel wie Milch und Fleisch sichergestellt. Aufgrund von Seuchengefahr dürfen diese Waren nicht nach Österreich mitgenommen werden. 2021 hat der Zoll knapp vier Tonnen Lebensmittel tierischen Ursprungs beschlagnahmt - ein Plus von 27 Prozent. Davon waren zwei Tonnen Milch und Milchprodukte. Auf Platz zwei befinden sich Pflanzen, Obst und Gemüse. Hier wurden 5,4 Tonnen beschlagnahmt, 83 Prozent mehr als im Jahr 2020.
Ein Klassiker sind jedoch Zigarettenschmuggler. "Die Masche hat sich seit 30 Jahren nicht geändert", sagt Karner. Die Zahl der Aufgriffe von Zigaretten stieg um 50 Prozent. Bei 873 Personen wurden insgesamt 815.000 Stück Zigaretten gefunden. Zwei davon waren Passagiere aus Minsk, die via Istanbul nach Wien 68.000 Stück schmuggeln wollten.
Viele fragen sich, wie traut sich jemand, einen Koffer voller Zigaretten zu schmuggeln? "Ein Zigarettenschmuggler ist nicht unbedingt wie ein Tourist, der sich schon für zwei Stangen in die Hose macht", erzählt Karner. Im Gepäck können Zigaretten sowie Bargeld oder Schmuck nur dann gefunden werden, wenn man auch speziell auf diese schaut.
Wie werden Zigarettenschmuggler erwischt?
Bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen werden vor allem Waffen und spitze Gegenstände kontrolliert. Da Zigaretten sicherheitstechnisch nicht verboten sind, muss der Security bei Zigaretten auch nicht reagieren. Der Job der Zöllner ist es, nach Zigaretten zu suchen und bestimmte Flüge aus Drittländern zu prüfen. Daraus ergeben sich Risikoprofile für Schmuggler.
Wenn ein Passagier zum Profil passt, wird sein Gepäck, bevor es aufs Band kommt, kontrolliert. "Hotspots" für Zigarettenschmuggler sind Flüge aus Russland, Weißrussland und Armenien. Belgrad könnte dazu kommen, weil die serbische Hauptstadt derzeit eine der wenigen direkten Verbindungen mit Moskau bietet.
Geschäft mit Hautbleichmitteln floriert
Mit Risikoanalysen wurden im vergangenen Jahr auch doppelt so viele Schmuckwaren (298) im Gesamtwert von 1,5 Millionen Euro sichergestellt. "Seit zwei Jahren wird Goldschmuck teilweise professionell geschmuggelt", bestätigt der Zoll-Leiter. Zwei Reisende aus der Türkei versuchten, acht Kilogramm Goldschmuck unverzollt einzuführen.
Das Geschäft floriert auch mit Hautbleichmitteln. Afrikaner wollen hellere Haut haben und deshalb werden immer wieder Hautcremes mit krebserregenden Inhaltsstoffen nach Österreich geschmuggelt. Hierzulande ist der Verkauf dieser Mittel verboten. Ein Passagier hatte in seinen Koffern auf einem Flug aus DR Kongo via Äthiopien 107 Kilogramm Hautbleichmittel mit dabei.
Allerdings gab es schon lange keinen großen Drogenfund bei Passagieren am Flughafen. "Das Geschäft mit den Drogen verlagerte sich ins Internet", sagte der Südburgenländer. Auch wenn es im Vorjahr 200 Prozent mehr Aufgriffe gab, haben die Zöllner deutlich weniger Rauschgift beschlagnahmt - knapp 40 Kilo.
"Wir sehen an diesen Beispielen, wie flexibel Menschen mit krimineller Energie versuchen, ihre diversen Schmuggelwaren über Österreichs Grenzen zu bringen. Als Zollverwaltung müssen wir ebenso flexibel sein, um diese Machenschaften zu unterbinden", unterstreicht Brunner die Bedeutung der vielfältigen Tätigkeiten des Zollamtes Österreich.
Kommentare