Schmuggel mit Entwurmungsmittel boomt
In der Wiener Halban-Kurz-Straße vergeht kaum eine Minute, in der nicht ein gelber Last- oder Kastenwagen mit Postlogo ein- oder ausfährt. Vorweihnachtszeit bedeutet hier eines: Paketflut.
Nicht weniger stressig haben es die Zöllner, die im selben Gebäude, in der Zollstelle in Inzersdorf, beheimatet sind. In einem abgegrenzten Bereich der riesigen Halle sitzen fünf Mitarbeiter vor Bildschirmen und dokumentieren penibel alle verdächtigen Aufgriffe. Nur wenige Meter weiter führt eine Frau einen Diensthund an gestapelten Säcken vorbei. Der Hund schlägt prompt Alarm und wird mit Leckerlis belohnt.
Pandemie-Effekt
Die Corona-Pandemie brachte im Sommer 2021 wieder mehr Freiheiten – das findet sich auch in den Daten des Zollamts Österreich wider. In den ersten drei Quartalen 2021 kam es zu 41,8 Prozent mehr Feststellungen von Vergehen oder Verfehlungen als im Vergleichszeitraum 2020
1.664 Aufgriffe
gab es dabei etwa beim Schmuggel von Tabak in den ersten drei Quartalen 2021. Im gesamten Jahr 2020 waren es 1.228. „Diese Daten zeigen die hohe Professionalität und Effizienz unserer Zöllnerinnen und Zöllner“, sagt Finanzminister Magnus Brunner
300.000 Pillen gefunden
Gefunden wird in der riesigen Halle einiges: Besonders bei Medikamenten und Co. ist die Steigerung enorm. „Bei Arzneimittel ist die Zahl der Aufgriffe seit dem ersten Halbjahr 2021 um bis zu 70 Prozent gestiegen“, sagt Werner Thury, der Leiter der Dienststelle Nord für Wien und Niederösterreich. Alleine seit Juli wurden rund 300.000 Stück Pillen sichergestellt. Dauerbrenner: Ivermectin – besser bekannt als Entwurmungsmittel.
Seit FPÖ-Klubchef Herbert Kickl für die angebliche Wunderwaffe im Kampf gegen Corona wirbt, nehmen die Funde rasant zu. Insgesamt wurden seit Jahresbeginn rund 25.000 Stück des Arzneimittels entdeckt, zwei Drittel entfallen auf den Zeitraum September bis November. „Bei Ivermectin verzeichnen wir einen Anstieg um das Zehnfache“, erklärt Thury.
Neben Medikamenten sind es Drogen, mit denen es die Zöllner hauptsächlich zu tun bekommen. Vor allem bei psychoaktiven Substanzen wie LSD oder Amphetamin gibt es einen Anstieg – seit September wurden rund dreieinhalb Kilogramm aufgegriffen und auch Cannabis und Kokain (je zwei Kilogramm) werden gerne per Post verschickt.
Doch ganz gleich um welche Produkte es sich handelt, alle illegalen Waren kann auch der Zoll nicht beschlagnahmen. „So ehrlich muss man sein, 100 Prozent der Fälle zu entdecken, das ist nicht möglich. Wir können nur versuchen, mit dem Einsatz und den Ressourcen, die zur Verfügung stehen, das Maximum herauszufiltern.“
Tarnung Katzenfutter
Dem Einfallsreichtum der Schmuggler, um illegale Substanzen am Zoll vorbeizuschleusen, ist dabei scheinbar keine Grenze gesetzt. „Sogar dem Katzenfutter wurden schon illegale Substanzen beigemischt. Genauso in Kaffeeprodukten, wo man schlicht und einfach versucht, den Hund zu täuschen. Immer wieder haben wir auch Figuren oder Spielwaren, in denen die Substanzen versteckt sind.“
Am Boomen ist auch das Geschäft mit Nachahmer-Waren. Im Fachjargon: Produktpiraterie. Während der feine Zwirn, den ein Zoll-Mitarbeiter trägt, echt ist, sind die Inhalte der Pakete, die er öffnet, das Gegenteil: In einem finden sich drei Paar Schuhe, angeblich von Luxus-Designern – alles gefälscht.
Was mit der Ware passiert? Wenn Rechtsinhaber und Empfänger einverstanden sind, werden die Fälschungen vom Zoll vernichtet. Ist dem nicht so, folgt ein Gerichtsverfahren. Um Fälschungen aus dem Verkehr zu ziehen, brauche es Genauigkeit und Erfahrung. „Unsere Leute sind geschult, solche Fälschungen zu erkennen. Verschiedene Rechtsinhaber bieten sogar eigene Schulungen an“, sagt Thury.
Schmuggelware wird den Zoll in Inzersdorf jedenfalls auch in Zukunft auf Trab halten. Denn auch nach der Weihnachtszeit rollen die gelben Post-Lkw weiter ein und aus.
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