Zerstörung und Tote: Als die "Apokalypse" in die Dörfer kam
Abgedeckte Häuser, vollkommen zerstörte Autos, entwurzelte Bäume, ein Kirchturm, auf dem nur noch wenige Dachschindeln liegen, umgeknickte Strommasten, eine Regenrinne, die sich mit voller Wucht über ein Stromkabel gewickelt hat. Die Stadt Moravská Nová Ves, die sich nur etwa 20 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt befindet, liegt in Trümmern. Der KURIER besuchte den Ort am Tag nach dem Tornado für einen Lokalaugenschein.
Bei der Einfahrt wird man bereits von der Polizei angehalten: „Ab hier geht es nur noch zu Fuß weiter.“ Schon vor den ersten Häusern stehen Feuerwehrautos. Fast auf jedem Dach stehen Menschen, die Reparaturen durchführen. Je weiter man in das Stadtzentrum kommt, desto schlimmer sind die Schäden an den Gebäuden.
Auf den ersten Blick könnte man glauben, das Zentrum sei mit weißem Blütenstaub überzogen. Erst bei näherem Hinschauen wird klar, dass es sich bei dem hellen Stoff um Dämmmaterial handelt, das es unter den Dächern herausgerissen hat. Ganze Dachstücke liegen auf den Straßen. Fast jedes Auto, das hier steht, ist vollkommen kaputt.
Der Tornado im Südosten Tschechiens war für Europa außergewöhnlich stark, lautet eine Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Man geht von Windgeschwindigkeiten zwischen 300 und 400 Kilometern pro Stunde aus.
Fast alle Dächer der Häuser im Stadtzentrum wurden vollkommen zerstört.
Auch der Friedhof der Stadt Moravská Nová Ves wurde zerstört. Der Tornado hob viele Grabsteine aus, Statuen umgeworfen.
Kaum ein Auto wurde verschont.
Eine Regenrinne wurde so stark verbogen, dass sie sich um eine der Stromleitungen wickelte.
Unter Schock
Die Einwohnerinnen und Einwohner sind zurückhaltend. Der Schmerz und der Schock sind ihnen von den Gesichtern abzulesen. Die Polizei und viele Einsatzkräfte sind vor Ort, um den Verkehr zu regeln und um zu helfen. „Ich bin jetzt 80 Jahre alt und so etwas habe ich noch nie erlebt“, erzählt eine Frau im Interview. Bei ihrem Zuhause sei das Dach nur „ein wenig“ kaputt. „Von den Nachbarn bis zur Kirche hat der Tornado aber alles zerstört. In der Nacht sind viele Familien durch den Ort gegangen, um einen Platz zu finden, wo sie schlafen können“, erzählt sie. Sehr dankbar zeigt sich die Seniorin über die unglaubliche Hilfe, sei es aus den Nachbarländern oder den umliegenden Ortschaften.
Eine Frau, die gerade im Gespräch mit Anrainern ist, hat spontan ein Programm auf die Beine gestellt, damit die Kinder betreut werden, während die Familien aufräumen und die Häuser reparieren müssen. Zwei junge Männer aus einem Dorf nur ein paar Kilometer entfernt sind ebenfalls gekommen, um ihre Unterstützung anzubieten.
Immer mehr Helfer strömen über die kleine Brücke am Ortseingang herein, bringen Besen und Schaufeln, um den Schutt zu beseitigen. Einer, der mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt ist, ist zumindest in Tschechien kein Unbekannter. Vít Rakušan, Vorsitzender der Partei Stan in Prag, kam in den Ort nur deshalb, weil eine seiner Kolleginnen hier wohnt. „Ich wollte hier eigentlich mit den Bürgermeistern der Region sprechen, wie die Hilfe aussehen könnte“, sagt er. Als er das Ausmaß der Katastrophe begriff, entschied er sich, zuerst einmal selbst anzupacken.
Viele Unterstützer würden laut Rakušan schon in den Startlöchern stehen. Doch man sei allgemein noch dabei, die Logistik auf die Beine zu stellen. „Es wird viel Arbeit geben in den nächsten Wochen.“
Rund 200 Menschen wurden im Südosten Tschechiens verletzt, mindestens fünf getötet. Regierungschef Andrej Babiš sprach von einer „Apokalypse“.
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