Wolfsabschuss im Mölltal: "Da hilft nur mehr das Heer oder die Exekutive"
Das "corpus delicti", wie Heinz Hartweger es nennt, wollte er eigentlich mitbringen. "Eine tote, gerissene Zwergziege aus meinem Streichelzoo. Mitten am Tag ist der Wolf seelenruhig mit ihr davonmarschiert. Wir haben nach dem Kadaver gesucht, ihn aber noch nicht gefunden."
Im Turnsaal der Volksschule in Stall im Mölltal hat fast jeder der 250 Anwesenden ähnliches zu berichten. Zwischen Sprossenwand und Turnringen gibt es an diesem Donnerstagvormittag nur ein Thema: Den Abschuss des eigentlich streng geschützten Wolfes, der im oberen Mölltal zum sogenannten Risikowolf geworden ist und seit Freitag nach zwei Vergrämungsversuchen offiziell bejagt werden darf.
Wie das alles funktioniert, was rechtlich erlaubt ist und wer am Ende die Verantwortung übernimmt, sind Fragen, die in der gut 1.500 Seelen-Gemeinde - darunter 90 Jäger - bei der Info-Veranstaltung geklärt werden sollen. Auf Fakten basiert und ohne Emotionen, wie die Moderatorin eingangs betont. Nur das mit den "ohne Emotionen" ist beim Thema Wolf so eine Sache und nach 20 Minuten nur mehr ein frommer Vorsatz.
Abwehrkampf gegen den Wolf
"Wir als Betroffene versorgen die Tiere das ganze Jahr über. Wir opfern Sonn- und Feiertage, die wir sonst mit der Familie verbringen würden, für die Schafe und dann werden die einfach gerissen. Da kommen mir die Zachalan", sagt Bauer Michael Kerschbaumer.
Dass sich unter den Anwesenden kaum Wolfsfreunde befinden, ist spätestens dann klar, als Bernhard Rebernig von der Kärntner Landwirtschaftskammer das Wort ergreift. "Wir brauchen einen Abwehrkampf gegen den Wolf. Auf allen Ebenen: gegen die EU-Gesetzgebung, die nationale und die Landesgesetzgebung. Und dafür braucht es einen kühlen Kopf und eine klare Strategie." Pause. "Denn nicht der Wolf ist vom Aussterben bedroht, sondern unsere Landwirtschaft." Worte, die von den Anwesenden, darunter viele Grundbesitzer und viele Jäger, im jagdüblichen Grün leicht als solche auszumachen, mit kräftigem Applaus unterstrichen werden.
Jägerbataillon 26 soll Wolfsabschuss übernehmen
Befeuert durch Vorschläge, die selbst hart gesottenen Wolfsgegnern dann doch ein wenig zu weit gehen. "Die Zuständigkeit für den Abschuss des Wolfes an die Jägerschaft abzutreten, finde ich verantwortungslos. Das Wort Risikowolf erklärt schon, was für ein Tier das ist. Wir brauchen dafür das Militär oder die Exekutive", fordert eine Jägerin aus der ebenfalls Wolfsgeplagten Nachbargemeinde Flattach. Das daraufhin einige laut nach "der Gendarmerie" rufen, sei nur nebenbei erwähnt. Anbieten würde sich laut den Anwesenden auch bestens, das in Spittal an der Drau stationierte Jägerbataillon 26. Wer im Gebirgskampf erprobt ist, der sollte auch dem Wolf stand halten.
Morddrohungen bei Abschuss
Mario Deutschmann, Verwaltungsdirektor der Kärntner Jägerschaft, und ebenfalls Teil der Diskussion, hat darauf eine klare Antwort: "Der Wolf ist Wild im Sinne des Kärntner Jagdgesetzes und fällt somit klar unter unsere Zuständigkeit."
Doch will ein Kärnten Waidmann überhaupt den Wolf schießen? Spricht man mit Jägern außerhalb der Turnhalle über dieses Thema, erhält man immer wieder eine Antwort: Zu groß sei die Angst vor Anfeindungen und Morddrohungen. Dies hätten auch Fälle aus der Vergangenheit bewiesen. So wie jener im Jahr 2014 in Greifenburg, als ein Bauer einen Wolf, der sich in seinem Stall eingenistet und Tiere gerissen hatte, erschoss. "Die haben den Stall vollgeschmiert und ihn massiv bedroht", sagt Roman Kirnbauer, Wolfsbeauftragter des Landes Kärntens.
Von Seiten der Kärntner Jägerschaft wird man nicht müde zu betonen, dass man voll und ganz hinter dem Jäger stehen würde, der schlussendlich den finalen Wolfsabschuss tätigt. "Solange alles im rechtlichen Rahmen erfolgt", sagt Verwaltungsdirektor Deutschmann. Apropos rechtliches: Bis 11. Mai darf laut Verordnung der Risikowolf in Stall bejagt werden. Die Genehmigung setzt voraus, dass sich der Wolf erneut in einem Umkreis von weniger als 200 Meter von vom Menschen genutzten Gebäuden, Stallungen und Viehweiden aufhält, heißt es in der Mitteilung aus dem Büro des Jagdreferenten Martin Gruber (ÖVP).
Dreistufiges Seminar: Wie erschießt man einen Wolf
Doch wie bejagt man einen Wolf richtig, der als extrem intelligent gilt? Auch darauf hat die Jägerschaft eine Antwort. In den kommenden Wochen soll es eigene "Wolfs-Abschuss-Schulungen" für die Jäger in den betroffenen Regionen geben. In einem dreistufigen Modus: Rechtliches, Infos von einem Wildbiologen, wie denn der Wolf so tickt und schließlich ein Erfahrungsaustausch mit einem Jäger, der das Tier außerhalb Österreichs bereits bejagt hat. Auch sei man an das Land mit der Bitte herangetreten, dass man den Wolf mittels Nachtsichtgeräten bejagen dürfe. Eine Entscheidung in der Causa steht aber noch aus.
Bei der Naturschutzorganisation WWF treffen diese Einstellungen naturgemäß auf wenig Gegenliebe. "Der Wolf ist ja in Kärnten nicht vom Himmel gefallen. Wir warnen seit Jahren vor dieser Entwicklung. Herdenschutz ist aus unserer Sicht die einzige, richtige Lösung. Aber die Bauern werden zu wenig aufgeklärt. Ihnen wird propagiert, dass der Abschuss der einzige Weg wäre", sagt WWF-Sprecher Florian Kozak. In der Turnhalle in Stall wird an diesem Tag als einzige Alternativlösung übrigens eine gelbe Flechte diskutiert, mit der man angeblich den Wolf vergiften könne.
Kritik an Wien und Brüssel
Dass die Staller mit ihrer Meinung provozieren, ist ihnen bewusst: "Aber der Ärger bei uns ist maßlos, wenn uns die Leute aus Wien oder Brüssel erklären, wie wir unsere Zäune zum Schutz gegen den Wolf bauen sollen. Die kennen den Wolf aus dem Zoo, oder dem Märchen. Papier und Realität sind zwei paar Dinge. Auf den Almen wird das ein grauenvoller Sommer, wenn das so weiter geht", sagt ein Bauer.
Sollte es wirklich zum Abschuss des Tieres kommen, was etwa im vergangenen Jahr bei einem Problemwolf auf Almen im Gailtal und in Oberdrauburg nicht gelungen war, bleibt die Frage, wie es dann weitergeht. "Tuts mir halt einen Gefallen und legts den Kadaver dann nicht beim Kirchenwirt auf den Tisch oder postets Fotos in sozialen Medien", sagt Deutschmann.
Whats-App-Gruppen gegen Wolf
Soweit sind die Gedanken in Stall noch nicht. Hier steht im Moment die Organisation im Vordergrund. Eigene Whats-App-Gruppen bei Wolfssichtung werden angedacht, um dann schnell einen Jäger - denn nur dieser darf das Tier schießen - zu informieren. Manch einem scheint das nicht schnell genug zu gehen. Die Frau in der dritten Reihe, die gleich rechts unter den Turnringen sitzt, hält es da lieber mit einem vermeintlichen Ausspruch des Salzburger Landeshauptmanns. "Beim Wolf kann es nur die 4S geben: Sehen, Schießen, Schaufeln, Schweigen."
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