Wildtiere in der Großstadt: Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen

Infizierte Feldhasen gefunden (Symbolbild)
Der Feldhase ist ein echter Wiener. Sobald es dämmert, hoppeln die Einzelgänger über die Donauinsel, auf den Feldern und durch die Weingärten der Außenbezirke. Auch Biber hinterlassen im Wiener Stadtbild unübersehbare Spuren – mit Burgen in der Lobau, Erdbauten am Marchfeldkanal und Holzspänen an der Liesing. Im Vergleich zu Berlin und Zürich werden in Österreichs Bundeshauptstadt zudem Marder verhältnismäßig oft gesichtet.
Jede Stadt hat ihren „Wildtier-Fußabdruck“. Für Wien, Berlin und Zürich wurde dieser "Animal-Footprint" nun mit Beteiligung von Citizen Scientists erhoben. Die bereinigten Daten aus dem länderübergreifenden Projekt „StadtWildTiere“ sind in Frontiers in Ecology and Evolution veröffentlicht. In einer deutschen Umfrage wiederum - nachzulesen im Journal of Urban Ecology - wurde die Akzeptanz von Wildtieren im Siedlungsgebiet abgefragt. Beide Studien sollen zu einem konfliktfreien Miteinander im Großstadtdschungel beitragen.
„Im Gegensatz zu Wien hat der Feldhase in Berlin und Zürich keine Relevanz“, sagt Theresa Walter vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Wien. Erklärung gibt es dafür noch keine. Gesichert ist aber, dass in der deutschen Metropole dafür Wildschweine den Rüssel weit vorne haben.
Dort konnte ebenso der Waschbär bereits die ganze Stadt erobern. In Wien gibt es nur vereinzelt Hinweise auf den pelzigen Zuwanderer, genauso in Zürich.
In der Schweizer Kantonshauptstadt meldeten Hobbyforscher sehr oft den Dachs. Auf Platz 2 und 3 folgten Eichhörnchen und Igel; über sie wurde davor aufwendig aufgeklärt; Wien zieht derzeit nach (www.stadtwildtiere.at). Der Fuchs ist allerorts Platzhirsch.
Wien ist sehr Wildtierfreundlich
„Wien ist eine sehr Wildtierfreundliche Stadt“, betont Studien-Co-Autorin Walter. Parks, Wiesen, Äcker, Wienerwald und Gewässer bieten Feldhamstern bis Rehen unterschiedliche Lebensräume. Die meisten Wildtiere, die in der Großstadt zur Welt kommen, sterben auch hier.
Städtern gehen lieber auf Distanz zu Wildtieren
„Menschen sind dem Fuchs in der Stadt näher als dem Fuchs im Wald“, sagt die Ökologin. Und: Wildtiere auf Tuchfühlung seien für den Umgang mit Natur enorm wichtig. Doch genau dieser wilden Nähe stehen Städter kritisch gegenüber, weiß Thomas E. Hauck. Der Professor am Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen der TU Wien war an einer Online-Befragung – Erst-Autor Fabio Sweet – über die Akzeptanz von 32 Tierarten beteiligt.
Die Ergebnisse aus München lassen sich durchaus auf Wien übertragen, sie überraschten: Libelle, Eidechse bis Turmfalke waren zwar im urbanen Raum willkommen, in unmittelbarer Nachbarschaft dagegen wollte sie kaum jemand. Ratten und Schnecken bekamen gar nirgendwo Platz zugestanden.
Die Artenvielfalt im Großstadtdschungel ist mitunter größer als gedacht. Tiere, die sich in ihren Futter- und Quartiervorlieben an die urbanen Bedingungen anpassen, haben gute Überlebenschancen. Diese können aber auch gezielt gefördert werden.
Benedikt Heger von der Wiener Umweltanwaltschaft hat fünf Tipps:
- Naturnah garteln. Ob Blumentopf oder Beet – Blühpflanzen machen Schmetterlinge satt und schaffen Kinderstuben; auch andere Insekten profitieren. Tränken helfen u.a. Vögeln, die Hitze zu überstehen.
- Scheiben sichern. Glasflächen, die Lebensräume spiegeln, können für Überflieger zur Todesfalle werden. „5 cm dünne Schnüre, die im Abstand von 10 cm zueinander vor der Scheibe baumeln, sind eine einfache Lösung“, sagt Heger.
- Licht abdrehen. Künstliches Licht stört den Tag-Nacht-Rhythmus vieler Tiere. Vor allem Lampen, die nach oben strahlen bzw. Gebäude erhellen, sollen möglichst nur bei Bedarf aufgedreht sein. Zeitschaltuhren tun gute Dienste.
- Haustiere fernhalten. Für Hunde besteht in Schutzgebieten Leinenpflicht. „Katzen sollten von Anfang an drinnen bleiben“, sagt Heger: „Ihr Jagdtrieb gefährdet weltweit zahlreiche geschützte Arten.“
- Bio-Lebensmittel kaufen. Biolandwirtschaftliche Flächen sind Wildtierfreundlicher als intensiv genützte Felder.
Wildtiere sind unkontrollierbare Fremde
„Je beliebter eine Art ist, desto näher lässt man sie heran“, erklärt Hauck den Zuspruch für z.B. Schmetterlinge. Weniger geschätzten Spezies, darunter Frosch, Maulwurf und Krähe, begegneten Städter mit Vorbehalt:
„Wildtiere sind autonome Lebewesen. Man kann sie nicht kontrollieren“, vermutet Hauck. Der Studie zufolge beginnt Tierliebe derzeit bei vielen erst hinter dem Gartenzaun. Städteplanende müssten daher nicht nur an der Biodiversität arbeiten, sondern auch an der Akzeptanz der wilden Arten.
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