Welche Vor- und Nachteile die Stadt für Wildtiere hat

Ein Eichhörchen gleitet im Flug.
Nicht nur Eichhörnchen passen sich gut an das urbane Leben an. Gleichzeitig lauern im Großstadtdschungel viele Gefahren.

Eichhörnchen im Großstadtdschungel sind Meister der Anpassung. Sie stellen sich flexibel auf Menschen, Haustiere und Beutegreifer ein, um zu überleben. Um Katzen machen sie den größten Bogen. Das zeigt eine deutsche Studie, die kürzlich im Fachmagazin Frontiers in Ecology and Evolution erschienen ist.

„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass das Leben von Sciurus vulgaris im städtischen Raum ein dynamischer Balance-Akt zwischen Nahrungsaufnahme und Risikominimierung ist“, hält Erstautorin Sinah Drenske vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung der Freien Universität Berlin fest. Mit Hilfe von Kollegen, Citizen-Scientists und Wildtierkameras hat sie 2019 und 2020 in vier Erhebungsphasen die jahres- und tageszeitlichen Aktivitäten von Eurasischen Eichhörnchen erfasst. Nun liegen die Auswertungen vor.

Demnach stellten Katzen die größte Bedrohung für die Nager dar; im Wald zählen vor allem Habicht und Baummarder zu den Feinden. Dagegen hatten die städtischen Beutegreifer, allen voran der weit verbreitete Steinmarder, kaum Einfluss auf das Verhalten der tagaktiven Gleithörnchen; die Räuber sind nachtaktiv. Auch Hunde stressten Eichhörnchen selten; die Vierbeiner waren meist an der Seite des Menschen unterwegs – und können nicht klettern.

Generalisten überleben eher 

„Neben Eichhörnchen gibt es eine erhebliche Anzahl an Arten, die im urbanen Bereich gut zurecht kommen“, erklärt Richard Zink, Projektleiter von StadtWildTiere der Vetmeduni Wien, und verweist auf Füchse, Krähen, Falter und den Karpfenfisch Giebel. Von den Grün- und Wasserflächen in mitteleuropäischen Städten, die tendenziell vergrößert werden, profitieren auch Tiere. 

Als Faustformel dabei gilt: Generalisten, die unterschiedliche Nahrungsquellen nützen können, etablieren sich in Parks, um Bäume und auf begrünten Dächern eher als Spezialisten, die heikle Fresser sind. Das Wiener Nachtpfauenauge, dessen Raupen auf Obstbäume angewiesen sind, bestätigt als eine Ausnahme diese Regel.

„Die Stadt kann natürliche Lebensräume wie z.B. Moore in keinem Fall ersetzen“, sagt Zink, der auch die Vogelwarte der Vetmeduni in Seebarn leitet. In den Häuserschluchten kommen mit Feldhase bis Wildschwein kaum bedrohte Arten vor. 

Verkehr, Glasscheiben und Verschmutzung gefährden Fuchs, Vogel und Insekt

Dabei sind die tierischen Städter auf der Suche nach Futter und Partnern durchaus Gefahren ausgesetzt. So sterben Füchse im Straßenverkehr viel eher als Artgenossen im Wald und auf dem Feld. Amseln und Stare, sonst im freien Flug, kollidieren hier an Glasscheiben. Insekten, die sich von künstlicher Beleuchtung angezogen fühlen, flattern bis zum Tod durch Erschöpfung oder Fressfeinde um die Lichtquelle. Nicht zuletzt belasten Luft- und Umweltverschmutzung Tiere aller Art.

Neue Arten können heimische verdrängen 

„Neobiota finden in ihrer neuen Heimat oft optimale Bedingungen vor“, warnt Zink etwa vor der Ankunft des Waschbären. Mit einem üppigen Nahrungsangebot und ohne Feinde können sich Zuzügler rasch vermehren. 

Auch exotische Pflanzen, die durch den Klimawandel nach und nach angestammtes Grünzeug ersetzen, bringen das städtische Ökosystem aus dem Gleichgewicht. Manch heimisches Insekt wird an der Hitze toleranten Chinesischen Zierbirne nicht satt, die Bestände werden zurück gehen und in der Nahrungskette fehlen. Fledermäuse könnten so eines Tages auf der Strecke bleiben.

Städteplaner sind gefragt. Sie müssen nicht nur Grünraum schaffen, sondern auch Grünraum vernetzen“, sagt Zink. Für Igel kann eine einzige hohe Stufe bereits ein unüberwindbares Hindernis sein. Dachse im urbanen Gebiet dagegen können entlang von Bächen oder Bahntrassen wandern, Eichhörnchen über Fassaden weitere Distanzen bewältigen.

Auch die deutschen Kollegen, die sich mit dem Berliner Sciurus vulgaris beschäftigt haben, betonen: Eine umsichtige Gestaltung von Gärten und Stadt fördere nachweislich das Wohlergehen urbaner Wildtiere.

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