Unikat Urlandschaft
300.000 Hektar Moor – eine Fläche größer als Vorarlberg – bedeckte einst wohl Österreichs Urlandschaft. Heute sind bestenfalls zehn Prozent davon übrig. Das hält der Mooratlas 2023 fest, den Global 2000, der Naturschutzbund Österreich und die Heinrich-Böll-Stiftung kürzlich herausgegeben haben. Intakt sind die wenigsten dieser Relikte. Dabei wären die ständig vernässten Feuchtgebiete Hotspots der Biodiversität und Joker im Kampf gegen den Klimawandel.
„In Österreich gibt es aufgrund der geologischen und klimatischen Gegebenheiten unterschiedlichste Moortypen. Außerdem ist jedes für sich ein Unikat“, sagt Dominik Linhard von Global 2000 und hebt das Hochmoor hervor. Hier ermöglichen ein paar wenige der 35 heimischen Torfmoos-Arten Pflanzen, über dem sauren, nährstoffarmen Boden zu blühen.
Hotspot der Biodiversität
Das genügsame Magellans Torfmoos etwa formt mit seinen grün bis purpurn gefärbten Blättern große Polster. Darauf gedeiht u. a. der Rundblättrige Sonnentau, er ernährt sich in der kargen Natur von Fleisch, indem er mit Leimtentakeln Insekten fängt. Die Rauschbeere wiederum hält sich symbiotisch an Pilzen schadlos. Zwergbirken finden an den Rändern Halt.
„Tierarten, die hier vorkommen, haben oft Moor oder Moos im Namen“, sagt der Biologe und nennt als Beispiel den Hochmoor-Gelbling. Der Schmetterling ist im Raupenstadium übrigens auf die Rauschbeere angewiesen. Das Rotsternige Blaukehlchen brütet hier und kühlt sich in den Latschen ab. Weniger spezialisierte Spezies können das Feuchtgebiet nur als Zwischenstopp nützen. So rasten etwa Kraniche auf ihren Weitstreckenflügen am Wasser, Kreuzottern verkriechen sich gerne im Moos.
Archiv ab der letzten Eiszeit
„Moore sind Hotspots der Biodiversität. Als Überbleibsel aus der Eiszeit sind sie auch ein Archiv. Der Abbau geht nur langsam vor sich. Man findet z. B. noch Pollen und Samen. So kann man in die Vergangenheit schauen“, sagt Linhard. Doch der Umweltschützer will auch in die Zukunft blicken, damit der Lebensraum für die teils einzigartige Flora und Fauna nicht weiter verloren geht.
Gründe für Trockenlegung
Seit dem 8. Jahrhundert n. Chr. haben sich die Gründe dafür nicht geändert. Durch Entwässerung über Gräben und Kanäle werden Moore in Siedlungsgebiet umgewandelt oder für die Land- und Forstwirtschaft nutzbar gemacht. Ab Mitte des 19. Jahrhundert erfolgte die Trockenlegung planmäßig; global, bis heute. Dabei könnten Feuchtgebiete nicht zuletzt zum Klimaschutz beitragen.
„Verglichen mit anderen Ökosystemen speichern Moore die größten Mengen an Kohlenstoff“, sagt der Experte. Obwohl sie nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, binden sie doppelt so viel CO2 wie die Biomasse aller Wälder auf dem Blauen Planeten. Verschwindet das Wasser aber aus den Mooren, reagiert der Boden mit Sauerstoff, das löst die Zersetzung der organischen Stoffe aus. Der gebundene Kohlenstoff wird als CO2 freigesetzt und befeuert den Treibhauseffekt.
Torffreie Erde kaufen
„Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, kommen wir an der Renaturierung der Moore nicht vorbei“, sagt Linhard. Geld in Einzelprojekte zu stecken, reiche nicht, es braucht eine großflächige Instandsetzung der trockengelegten Feuchtgebiete. Dafür müsste der Grundwasserspiegel wieder auf die Geländeoberkante gehoben werden. Dann ist Pflege notwendig – und Geduld.
Jeder einzelne kann einen Beitrag dazu leisten. „Achten Sie beim Kauf von Erde für den Blumentopf oder Garten darauf, dass sie zu 100 Prozent torffrei ist“, sagt der Experte. Der Abbau dieses organischen Sediments, das nur in Mooren entsteht, zerstört diese.
Pflege und Geduld
Linhard weiß: „Verschwundene Spezies kann man nicht herzaubern. Aber jedes renaturierte Moor ist für den Artenschutz und den Klimaschutz besser als ein trockenes. Es braucht halt Zeit.“
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