Wieso Juristinnen Männern Angst machten

Ein langer Weg für Frauen zum Jus-Studium
Neues Buch Grazer Historiker erklärt die späte Zulassung von Frauen zum Jus-Studium: Man(n) fürchtete sich vor "Amazonen".

Leopoldine Schmidt war die Erste an der Universität Graz: Am 14. Juli 1923 promovierte die 25-Jährige zur Doktorin der Rechtswissenschaften. Zwei Jahre vor ihr war Marianne Beth in Wien dran. Beth war nicht nur die erste Jus-Absolventin überhaupt, sondern 1928 auch erste eingetragene Rechtsanwältin in Wien.

Während heute die Mehrzahl der Jus-Studenten Frauen sind, waren es vor 100 Jahren nur eine Handvoll. Der Weg für Frauen an die juridischen Fakultäten war ein langer, wie das neueste Buch der Grazer Historiker Anita Ziegerhofer und Alois Kernbauer zeigt: Seit dem ersten Ansuchen 1900 sollte 19 Jahre vergehen, bis Frauen Rechtswissenschaften studieren durften  - an den philosophischen Fakultäten waren Studentinnen bereits ab 1897, an den medizinischen ab 1900 zugelassen.

Zehn Nachteile

Eben wegen der Entwicklung an geisteswissenschaftlichen und medizinischen Instituten mussten sich auch die Professoren an den Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultäten um 1900 mit dem Frauenstudium befassen. Obwohl es wohlwollende und befürwortende Expertisen von Juristen gab, lehnte die Grazer Kollegenschaft strikt ab. Sie zählte in einem Gutachten zehn Nachteile auf, die es Frauen unmöglich machen, Jus zu studieren. Etwa die „physiologischen Eigenschaften“: „Die geschlechtliche monatlich wiederkehrende Beschwerde“ hindere Frauen, pünktlich zu sein.

Prozesse würden sich außerdem in die Länge ziehen: „Es ist den Frauen nicht gegeben, sich so kurz und bündig zu fassen wie es die Männer tun.“ Und überhaupt: Hätten Frauen erst einmal den Zugang zum Rechtsstudium, würden sie sich nicht damit zufrieden geben. Sie würden gar noch „Zutritt zu Regierungs- und Gerichtsgewalt erzwingen“. Die Männer hätten unter den „kriegsführenden schwarzen Amazonen“ keinerlei Rechte mehr, befürchteten die männlichen Rechtsgelehrten: „Der Mann wird zum Sklaven, die Frau rücksichtloser. Die Frauen wollen den Despotismus, den sie über ihren Pantoffelhelden im Privatleben ausüben, auch im öffentlichen Bereich ausüben.“

Sechs Hörerinnen

Im April 1919 beendet eine Verordnung derartige Diskussionen, Frauen wurden generell zum Studium der Rechte zugelassen. Viele machten nicht davon Gebrauch: 1919 gab es in Graz sechs ordentlichen Hörerinnen, 1920 waren es 15. Danach bewegte sich die Anzahl lange Zeit auf maximal bis zu 100 Studentinnen pro Jahr, erst in den 1960er-Jahren stieg sie auf rund 200, der Frauenanteil betrug damals in etwa ein Fünftel. Mittlerweile sind rund 60 Prozent der Jus-Studierenden in Graz weiblich.

Buchtipp: A. Kernbauer, A. Ziegerhofer „Frauen in den Rechts- und Staatswissenschaften der Universität Graz“, 32 Euro

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