Wiener Standortanwalt warnt vor zu kurz gedachten Hilfspaketen

Wiener Standortanwalt warnt vor zu kurz gedachten Hilfspaketen
Alexander Biach hält die staatliche Beiligung an Unternehmen für eine gute Idee und will Begegnungszonen nicht als "Kampfmittel" verstehen.

KURIER: In Wien stehen große Infrastrukturprojekte an, etwa der Lobautunnel und die Mehrzweckhalle. Die Stadt treibt auch den Bau des Fernbusterminals voran. Ist das Geld da – nach der Krise – richtig investiert?

Alexander Biach: Wir hatten 2008 eine vergleichbare Situation, als die Weltwirtschaft im Zuge der Finanzmarktkrise eingebrochen ist. Damals hat die Regierung Konjunkturpakete geschnürt – und man hat gesehen, dass nichts den Arbeitsmarkt und die Wertschöpfung so belebt wie Investition in Infrastrukturprojekte. Ich bin mir sicher, dass es auch in der aktuellen Krise wichtig sein wird, die heimische Bauwirtschaft zu stimulieren.

Sie befürworten also die Pläne für den Fernbusterminal?

Der Terminal entfaltet seine Wirkung von Anfang an: Zuerst über die Bauwirtschaft und Zulieferindustrie. Dann belebt er den Handel, den Tourismus und die Reisebranche. Ich würde sogar vorschlagen, das Projekt vorzuziehen.

Was muss man noch tun, um Firmen zu stützen?

Die Hilfspakete sind kurzfristig gut. Langfristig müssen wir uns noch mehr überlegen. Etwa eine Lockerung im Insolvenzrecht, damit Firmen nicht zu rasch geschlossen werden. Auch Investitionsprämien – etwa für klimafreundliche Investitionen – wären eine Chance. Das würde neben öffentlichen Investitionen auch private auslösen. Wir haben da ja in Wien einiges im Köcher: So sind immer mehr Private an den Begegnungszonen interessiert.

Die Begegnungszonen sind zum Politikum zwischen Rot und Grün geworden. Braucht es mehr solcher Zonen?

Da muss man zwei Sichtweisen unterscheiden: Da gibt es jene, die in der Begegnungszone ein probates Kampfmittel gegen das Auto in der Stadt sehen. Das ist ein falscher Ansatz. Aus Sicht der Wirtschaft ist es aber sinnvoll, Straßen attraktiver zu gestalten – weil mehr Passanten kommen und mehr Umsätze tätigen. Gerade Kleine stehen jetzt vor Liquiditätsproblemen. Wir müssen aufpassen, dass nicht ein Geschäftslokal-Sterben eintritt.

Die Stadt bietet Firmen die Teilverstaatlichung an. Das wirkt 2020 wie Retro-Politik.

Stadtrat Peter Hanke hat den Begriff Verstaatlichung wohl bewusst nicht verwendet. Die Idee hinter dem Konzept ist richtig – und man wird diesen Weg auch auf Bundesebene gehen müssen. Den Betrieben nur Fremdkapital – etwa in Form von Staatshaftungen für Kredite – zuzuführen, wird auf Dauer zum Problem. Das führt irgendwann zur Überschuldung. Eigenkapital zuzuführen, wie es Wien plant, ist nachhaltiger. So kann der Betrieb selbst gesund werden. Wichtig sind Ausstiegsszenarien und dass es sich um eine stille Beteiligung handelt. Der Staat soll nicht in die Betriebe hineinregieren.

Als früherer Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger: Wie beurteilen Sie die Performance des Gesundheitssystems?

Die Krise hat den Blick auf das System verändert. Plötzlich wird sichtbar, wie wichtig es ist, dass es gut finanziert ist und dass wir Gesundheitsmaterial im Land produzieren. Es zeigt sich, wie wichtig langfristige Planung ist: Hätten wir früher in Intensivbetten investiert, hätten wir der Krise ruhiger entgegenblicken können.

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