Psychische Gesundheit: Wo sich Männer in Wien Hilfe suchen können

Ein Mann rauft sich verzweifelt die Haare.
Für alle, die über ihre Sorgen sprechen möchten, bietet die VIDO Männer*beratung der Volkshilfe Wien ein offenes Ohr an.

Ein „starker Mann“ zeigt nie Schwäche, über Gefühle redet er schon gar nicht. Auch das Weinen gilt ihm als fremd.

So lauten vereinfachte, veraltete Vorstellungen darüber, wie Männer sich zu verhalten haben. Ein solches Rollenbild ist gewiss nicht zeitgemäß. Doch lange galt es als stigmatisierend, sich bei emotionalen und anderweitigen Belangen Hilfe zu suchen. Das will die „Volkshilfe Vido Männer*beratung“ ändern.

Umbruch im Denken

Männlichkeit unterliegt gegenwärtig einer Transformation, ist man sich dort einig. Rollenbilder wie „der Versorger“ „der Beschützer“ und Eigenschaften wie stark, hart und dominant sind Attribute, die vor allem Männern zugeschrieben wurden – und eben längst überholt sind. 

Umso wichtiger ist es, einen Raum zu schaffen, in dem man über seine Anliegen sprechen kann. „Wir haben ein offenes Ohr für alle Anliegen“, sagt Sozialarbeiter Thomas Poppinger. Beratungen umfassen ein breites Spektrum: Beispielsweise wird in Sitzungen über partnerschaftliche Herausforderungen, Sexualität und Rollenbilder, Probleme im Job bis hin zur Gewaltprävention gesprochen.

Offenes Ohr für alle

„Die Beratungen haben sich seit der Gründung 2019 verfünffacht“, berichtet Teamleiter Juan Martin Gonzalez. Mittlerweile gebe es durchschnittlich 400 Kontakte pro Monat, auf einen Termin warten Klienten aktuell rund drei Wochen. 

Abgelehnt wird niemand, der dort Hilfe sucht: „Ab 14 Jahren können sich männliche Personen bei uns melden. Bei einem Erstgespräch versuchen wir dann gemeinsam herauszufinden, wie wir am besten helfen können“, so Gonzalez weiter.

Erster Schritt in die richtige Richtung

Um ein Gespräch zu bitten, sei bereits der erste Schritt in die richtige Richtung: „Es macht einen Unterschied, wenn Menschen merken, dass ihnen zugehört wird. Manchmal reicht das schon aus“, sagt Poppinger.

Psychische Gesundheit: Wo sich Männer in Wien Hilfe suchen können

Juan Martin Gonzalez und Thomas Poppinger beraten ihre Klienten in allen Lebenslagen     

In manchen Fällen, speziell bei Gewalt und deren Prävention sei es allerdings ein längerer Prozess. „Es macht einen Unterschied, ob man einmal darüber spricht oder über einen längeren Zeitraum, dann stellen sich Veränderungen ein“, sagt Gonzalez.

Ein Drittel der Klienten kommt nämlich von selbst, sondern über Zuweisungen und Gerichtsbeschlüsse zur Beratung. „Gerade dabei geht es um Sensibilisierung, was alles Gewalt sein kann. Wir arbeiten viel mit den Gefühlen von Tätern und Opfern, um zu verstehen, woher die gewaltvollen Reaktionen kommen. Wenn man das versteht und es reflektieren kann, kann man das Verhalten auch ändern“, erklärt Poppinger. 

Dabei sei es auch wichtig, zu verstehen, dass Gewalt nicht nur ein Gesicht hat: Es existieren verschiedene Formen psychischer wie physischer Gewalt.

Keine klare Grenze

„Es wird versucht, zu vermitteln, dass Gewalt für verschiedene Personen unterschiedliche Dinge bedeuten kann.“ Beispielsweise kann die Trennung als Druckmittel zur Durchsetzung des eigenen Willens oder die Ausnutzung einer finanziellen Abhängigkeit bereits als Gewaltform kategorisiert werden.

„Oft greifen die Kategorien ineinander über, das Phänomen ist nicht schwarz-weiß“, sagt Poppinger. Damit Täter nicht rückfällig werden, sei es wichtig, dass es Anlaufstellen gibt, an die sie sich vertrauensvoll wenden können, so Gonzalez. „Männer sollen auch explizit davon hören, nur so können Tabus gebrochen werden“, sagt er.

Scham überwinden

Tabus zu brechen sei aber eine schwere Aufgabe. Ist ein Mann allerdings nicht Täter, sondern Opfer von Gewalt, sei die Hemmschwelle, Hilfe zu suchen, oft noch höher: „Das Thema ist noch sehr mit Scham besetzt, weshalb es vielen schwerfällt, um Hilfe zu bitten. Wir versuchen, für diese Personen einen Raum zu schaffen“, erklärt Poppinger.

 Es gebe aber Hoffnung: „Der gesellschaftliche Diskurs ist jetzt viel offener dafür und für die Veränderung von Rollenbildern“, sagt Gonzalez.

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