Ausstellung zu häuslicher Gewalt in Wien zerstört: "Absichtliche Aggression"

Ausstellung zu häuslicher Gewalt in Wien zerstört: "Absichtliche Aggression"
Die Ausstellung entlang des Burgrings wurde wiederholt Opfer von Vandalismus. Künstler Robert Fleischanderl macht das „wütend und traurig“.

Wer aktuell entlang des Burgrings spazieren geht, sollte eigentlich die Foto-Ausstellung "Warum lachst du nicht?", die häusliche Gewalt thematisiert, betrachten können.

Stattdessen findet man immer wieder eingeschlagene Bilder, die aus ihren Rahmen getreten worden sind, und Texte, die unleserlich gemacht wurden, vor.

Die Werke sind immer wieder notdürftig von Künstler Robert Fleischanderl, Helferinnen und Helfern sowie Passantinnen und Passanten mit Klebeband  zusammengesetzt worden. Die Klebemethode ist laut Fleischanderl die beste Lösung, da man so kurzfristig nicht alles austauschen könne.

Erst am 8. November wurde das Projekt von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Doris Schmidauer eröffnet. Bereits in der Nacht davor beschädigten Unbekannte vier der ausgestellten Displays.

In der Nacht auf den 15. November waren es weitere vier Stück,  in der Folgenacht nochmals zehn - darunter befanden sich auch einige bereits zusammengeklebte Displays. In der Nacht auf 17. November schlugen Unbekannte weitere acht Mal zu.

Ein Puzzlespiel

"Es ist seitdem richtig rund gegangen. Wir kleben zusammen, was möglich ist. Teilweise ist das ein richtiges Puzzlespiel", erzählt Fleischanderl im Gespräch mit dem KURIER. Er ist gerade vor Ort, um zu inspizieren, ob weitere Ausstellungsstücke beschädigt wurden. 

Insgesamt 26 Exemplare sind der Zerstörungswut bisher zum Opfer gefallen. Die Polizei geht von einem Hate Crime aus, berichtet der Künstler. Anzeige wurde erstattet.

Kein "dummer Vandalismus"

"Das ist, meiner Wahrnehmung nach, kein dummer Vandalismus. Das ist absichtliche Aggression gegen die Inhalte der Ausstellung, gegen das Thematisieren von häuslicher Gewalt“, sagt Fleischanderl. Inhalte seien gezielt und wiederholt zertrümmert worden. "Spricht man hier lediglich von Vandalismus, dann ist das entweder ein Schönreden oder man will es nicht wahrhaben."

Doch warum polarisiert die Freiluftausstellung entlang des Burgrings so sehr?

Buchpräsentation 
"Warum lachst du nicht? 14 Geschichten gegen häusliche Gewalt"
am 23. November, 19 Uhr, im Museumsquartier, Raum D

Ausstellung

Die Foto-Ausstellung entlang des Burgrings kann noch weitere drei Wochen besichtigt werden.

"Die Antwort ist einfach, weil sie emotionalisiert", sagt der Künstler. Ähnlich wie in manchen privaten Beziehungen sei Gewalt die Lösung, mit Emotionen umzugehen. "Das Aufzeigen von Fehlverhalten kann natürlich ebenfalls starke Emotionen hervorrufen", so Fleischanderl weiter. Eine andere Erklärung sei klar bewusste Misogynie. "

Mehr als zweieinhalb Jahre Arbeit steckte er gemeinsam mit seinem Team in die Vorbereitung der Ausstellung. Das Ziel war es, das Thema häusliche Gewalt gegen Frauen in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.

Inmitten der Gesellschaft

 Der Ausstellungsort inmitten der Stadt wurde daher bewusst gewählt. Gerade die Umgebung rund um den Heldenplatz sei ein Ort für gesellschaftliche und politische Meinungsäußerung. 

Die Ausstellung an einem anderen Ort zu platzieren, kommt aus mehrerlei Gründen nicht infrage. Zum Einen würden Standortgenehmigungen fehlen, zum Anderen wolle man, dass weiterhin möglichst viele Passantinnen und Passanten die Ausstellung zu Gesicht bekommen: "Eine Ausstellung ist immerhin da, um gesehen zu werden."

Eine geplante Wanderausstellung durch Österreichs Bundesländer im kommenden Jahr sei nun aufgrund fehlender Budgets zur neuerlichen Produktion der Ausstellungsstücke aber aktuell mehr als fraglich.

Geht alle etwas an

Dennoch ist Fleischanderl überrascht über die starke Reaktion. "Es macht mich traurig und wütend. Das Thema häusliche Gewalt geht alle etwas an - quer durch alle Gesellschaftsschichten." Umso wichtiger sei es, das Thema ausreichend zu beleuchten.

16 Tage gegen Gewalt an Frauen

Auch in der aktuellen Stunde im Wiener Gemeinderat am Mittwoch wurde das Thema häusliche Gewalt im Rahmen der "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" thematisiert. „Gewalt an Frauen ist ein massives gesellschaftliches Problem. Jede dritte Frau in Österreich ist ab ihrem 15. Lebensjahr von Gewalt betroffen - eine Realität, die wir nicht hinnehmen dürfen. In Wien arbeiten wir Schulter an Schulter, um diese Gewalt zu bekämpfen und ein sicheres Leben für alle Frauen zu gewährleisten“, sagt Marina Hanke (SPÖ).

In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, Hilfe und Informationen bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555 (kostenlos und rund um die Uhr), www.frauenhelpline.at; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at; der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: www.interventionsstelle-wien.at und beim 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 sowie beim Frauenhaus-Notruf unter 057722

„Gewalt gegen Frauen ist ein Symptom eines Systems, das Frauen immer noch benachteiligt - sei es durch schlechtere Bezahlung, Altersarmut oder Abhängigkeit", so Hanke weiter. Umso wichtiger sei es als Stadt gezielte Maßnahmen - auch zur Prävention und Unterstützung - zu setzen. Dazu gehören aktuell unter anderem fünf Frauenhäuser, ein 24-Stunden-Frauennotruf sowie spezialisierte Gewaltschutzvereine.

Besonders wichtig sei außerdem die Arbeit mit jungen Menschen: „Programme wie ‚Respekt. Gemeinsam stärker.‘ brechen Geschlechterrollen auf und fördern Gleichberechtigung schon in der Schule.“

Man würde in Wien "unermüdlich daran arbeiten, die Gewalt an Frauen zu bekämpfen", heißt es in einer Aussendung weiter.

Die 16 Tage gegen Gewalt an Frauen umfassen die Zeit zwischen dem 25. November – dem internationalen Gedenktag für alle Frauen und Mädchen, die Opfer von Gewalt wurden – und dem 10. Dezember – dem internationalen Tag der Menschenrechte. 

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