Wiens SPÖ-Stadträtin Ulli Sima: "Schön-Wetter-Politik kann jeder machen"

Dass sie Erfahrung hat, kann man Ulli Sima (SPÖ) wirklich nicht absprechen: Seit 21 Jahren ist sie Teil der Stadtregierung. Die nächsten fünf Jahre ist sie wieder für Stadtplanung und Mobilität zuständig – und auch für die Stadtwerke.
KURIER: Die größte Neuerung ist, dass die Stadtwerke in Ihr Ressort gewandert sind. In dem Bereich hat es zuletzt Unstimmigkeiten gegeben, etwa wegen der Causa Wien Energie. Werden Sie härter durchgreifen?
Ulli Sima: Ich weiß, dass bei den Stadtwerken ganz viele Menschen wirklich ganz viel Arbeit machen, um die Stadt besser und schöner zu machen. Und ich glaube, das hat alle dort sehr getroffen, wie das in der letzten Legislaturperiode gelaufen ist. Man hat sehr viele Vorkehrungen getroffen, dass so etwas einfach nicht mehr passieren kann.
Wie zum Beispiel?
Verbesserung der internen Abläufe und Sicherheit. Aber unser Hauptziel ist es, und ich glaube, das ist die beste Versicherung, weg vom Gas zu kommen. So ehrlich muss man sein: Solange es Kriege gibt und Gaspreise plötzlich wieder durch die Decke gehen können, ist man nie gefeit vor Preissteigerungen. Da gibt es zwei Zweige, die wir verfolgen, die Tiefengeothermie, wo wir bis 2030 rund 120.000 Haushalte versorgen können und die Großwärmepumpe in Simmering, wo bis 2029 ganze 110.000 Haushalte versorgt werden können. Außerdem kaufen wir seit Jahresbeginn kein russisches Gas mehr. Bei Strom ist man mit PV und Wind gut unterwegs, aber da haben wir noch ein Stück des Weges zu gehen.
Haben Sie sich davor gescheut, in diesen volatilen Zeiten die Stadtwerke wieder zu verantworten?
Nein, überhaupt nicht. Ich durfte ja schon einmal fünf Jahre lang für die Stadtwerke verantwortlich sein. Das ist der wichtigste Wirtschaftsbetrieb der Stadt Wien und dafür verantwortlich zu sein, ist wirklich eine schöne Aufgabe.
Die Wiener Linien sind zurück in Ihrem Verantwortungsbereich. Dürfen wir uns wieder auf Aktionen wie die beduftete U-Bahn gefasst machen?
Ich glaube, dass in der Politik auch ein bisschen Platz für Spaß sein muss. Es hat aber damals einen ernsten Hintergrund gehabt. Wir haben ja die U6 massiv aufgewertet, haben die Waggons klimatisiert und das Essverbot eingeführt. Das Beduftungsthema war ein lustiger Akzent für die Bemühung, das Image der U6 in Summe ein bisschen zu heben.
Wie teuer wird die Öffi-Jahreskarte?
Wir sind noch in Budgetverhandlungen. Eine Preiserhöhung steht erstmals seit 2012, glaube ich, außer Zweifel. Wir werden nach dem Sommer die Fakten auf den Tisch legen. Jetzt sind es einfach noch umgelegte Eier.
Verstehen Sie die Kritik der Grünen daran?
Die Grünen haben die moralische Kompetenz verspielt, über Budgetfragen zu sprechen. Sie waren fünf Jahre im Bund und haben uns ein zweistelliges Milliardendefizit hinterlassen. Viele der Sparmaßnahmen, die wir jetzt setzen müssen, sind wegen der Maßnahmen nötig, die während ihrer Regierungsbeteiligung gesetzt worden sind. Und im Bund wird das ÖBB-Klimaticket auch jedes Jahr valorisiert. Ich sehe nicht ein, warum dann jetzt kritisiert wird.
Kann sich an der Preiserhöhung etwas ändern, wenn die Petition der Grünen sehr viel Zuspruch kriegt?
Wien hat eines der besten Öffi-Netz weltweit, mit einer Streckenlänge von mehr als 1.100 Kilometern. Wir müssen Investitionen tätigen, um das hohe Niveau zu sichern.
Worauf wird Wien hinsichtlich der Stadtplanung wegen der Sparmaßnahmen verzichten müssen?
Was wir fix abgesagt haben, ist die Begrünung und Entsiegelung des Gürtel-Mittel-Streifens. Aber ich möchte mich eigentlich eher auf die Projekte, die wir machen werden, konzentrieren.
Was steht denn Großes an?
Von den Umgestaltungen her ist das Größte wahrscheinlich die Fußgängerzone Favoritenstraße, weil es dort keinen einzigen Baum gegeben hat. Das ist eine wichtige Einkaufsstraße in einem wichtigen Bezirk. Mir ist es sehr wichtig, mit guten Maßnahmen auch in die Außenbezirke zu gehen.
Erfahrene Politikerin: Ulli Sima (SPÖ) ist die längstdienende Stadträtin in Wien und seit 21 Jahren in der Regierung. Sie war Umweltstadträtin und Stadträtin für die Wiener Stadtwerke. Seit 2020 ist sie zuständig für Stadtplanung und Mobilität.
Bekannte Entscheidungen: Bekannt ist sie für ihr Durchgreifen gegen den Hundekot oder die Abschaffung des kleinen Glücksspiels.
Rechnen Sie bei der Umgestaltung des Ring-Radwegs mit Widerstand?
Eigentlich nicht. Ich rechne damit, dass es auf Verständnis stoßen wird, dass man Nebenfahrbahnen hernimmt und damit Rad- und Fußwege entflechtet.
Sie setzen auf Radwegesausbau. Es gibt oft Kritik, dass es nach wie vor zu wenige sind. Wie gehen Sie damit um?
Ich habe als Politikerin früh gelernt, dass man 100 Prozent der Menschen nicht zufriedenstellen kann. Ich finde aber, wir sind ordentlich in die Pedale getreten. Wir haben in fünf Jahren 100 Kilometer Radwege gebaut. Das ist ein Vielfaches von dem, was in der letzten Legislaturperiode davor passiert ist. Wir haben jetzt ein Grundgerüst, auf dem man sich gut bewegen kann. Aber keine Frage, es gibt sicher noch ärgerliche Einzelstellen.
Wie viel würden Sie darauf wetten, dass der Lobautunnel jemals umgesetzt wird?
Ich bin ja bekanntlich nicht fürs Glücksspiel, wir haben das kleine Glücksspiel in Wien abgeschafft. Also insofern keine Wetteinsätze von mir. Für uns wäre es einfach wichtig, dass nach der Stadtstraße im Anschluss die Spange gebaut wird, weil sie die Voraussetzung im UVP-Bescheid ist für den Bau der Seestadt Nord, einem klimafitten Stadtentwicklungsgebiet. Da könnte man in einem Fingerschnippen 8.000 leistbare Wohnungen bauen. Ich bin zuversichtlich, dass Verkehrsminister Peter Hanke, der aus Wien kommt und unsere Nöte kennt, jetzt mit der Spange schnell in die Gänge kommt.
Gewartet wird auch auf den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts bei der Verbindungsbahn.
Mir fehlt ehrlicherweise das Verständnis dafür, warum die Entscheidung des Gerichts, die laut Gesetz innerhalb von 6 Monaten getroffen werden muss, mittlerweile mehr als 3 Jahre auf sich warten lässt. Diese Verzögerung eröffnet zwangsläufig eine Debatte darüber, wie so wichtige Infrastrukturprojekte durch jahrelange Gerichtsverfahren verschleppt oder gar verunmöglicht werden. Wien und die gesamte Ostregion sind von dieser Verbindung abhängig, sie ist auch ein enorm wichtiger Teil des geplanten S-Bahn-Rings.

Erste Angelobung vor 21 Jahren: Sima mit den Kolleginnen Renate Brauner, Sonja Wehsely und dem damaligen Wiener Bürgermeister Michael Häupl.
Sie haben immer wieder auch unpopuläre Entscheidungen getroffen – etwa das zunächst umstrittene „Nimm ein Sackerl für ein Gackerl“.
Es ist meine tiefe Überzeugung, dass die Leute von uns erwarten, dass wir unbequeme Entscheidungen treffen, weil sie denken, dass jeder Schön-Wetter-Politik machen kann. Sie wollen jemanden haben, der die harten Bretter bohrt. Wenn ich etwas gelernt habe, dann, die Dinge ein bisschen versöhnlicher zu machen. Bei den Radwegen in den letzten fünf Jahren gab es immer Kompromisse, nur einmal hat es eine Konfrontation mit einem Bezirk gegeben.
Bei der Krottenbachstraße in Döbling?
Genau.
Werden Sie nach diesen fünf Jahren die erste Bürgermeisterin in Wien sein?
Nein, das war nie meine Intention. Ich bin sehr gerne Verkehrs- und Planungsstadträtin. Und wir haben den besten Bürgermeister.
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