Bald 100 Euro teurer? Wien wird Preis für das Öffi-Jahresticket erhöhen

Die Jahreskarte der Wiener Linien kostet ab 1. Jänner 467 Euro statt nur mehr 365 Euro. Neben der zu erwartenden Kritik zeigen viele Fahrgäste auch Verständnis.
Mit nicht einem einzigen Wort wurde es genannt, das Vorzeigeprojekt der Stadt Wien. Weder im Regierungsprogramm von Rot-Pink II noch in der Antrittsrede von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) fand die 365-Euro-Jahreskarte für die Öffis Beachtung. Fehlt also das Bekenntnis zum 1-Euro-pro-Tag-Ticket?
Bisher ließ sich die Stadt in diesem Bereich noch nicht wirklich in die Karten blicken. Die Garantie, den Preis zu erhalten, gab Ludwig nur bis inklusive 2026. Auf KURIER-Nachfrage Anfang dieses Jahres wurde noch einmal beteuert, dass der Preis „bis auf Weiteres“ gleich bleiben werde.
Anpassungen prüfen
Das Ende des „bis auf Weiteres“ könnte nun aber näher sein als gedacht. „Die Budgetverhandlungen laufen, wir müssen überall sparen“, sagt der Bürgermeister am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz. Der öffentliche Verkehr und auch die Parkpickerltarife waren bisher von der Valorisierung ausgenommen, das schaue man sich jetzt an: „Wir werden klären, welche Erhöhung nötig ist.“
Auf Nachfrage bestätigte Ludwig dem KURIER, dass es in beiden Bereichen, sowohl beim Öffi-Ticket als auch bei den Pickerlgebühren – beides wurde 2012 verbilligt und seither nicht teurer –, zu Preiserhöhungen kommen werde.
Real doppelt so hoch
Wie das ausschauen könnte, ist noch unklar. Wie die Wiener SPÖ zuletzt im Wahlkampf aber selbst immer wieder beteuerte, müsste die Jahreskarte eigentlich schon doppelt so viel kosten als bisher. Diese Annahme beruht übrigens auf einer Berechnung des KURIER vom Februar: Da die Netzkarte letztmals im Juni 2007 (auf 449 Euro bei Einmalzahlung) verteuert wurde, käme man bei diesem Ausgangswert und korrekter Valorisierung auf aktuell 725 Euro (+61,4 Prozent). Die magische 1-Euro-pro-Tag-Formel wurde dann ja am 1. Mai 2012 unter Rot-Grün I eingeführt und seither nie verändert.
Eine solche Tarifexplosion auf den doppelten Preis ist realpolitisch freilich undenkbar. Aber: Nimmt man sich den Bund als Vorbild, kristallisiert sich schon heraus, in welche Richtung es gehen dürfte. Geht man nämlich denselben Weg wie beim Klimaticket, dann würde um runde 100 Euro oder knapp 28 Prozent erhöht werden – und dann würde es ab 2027 in Wien eben die 465-Euro-Jahreskarte geben.
100 oder 150 Euro mehr?
Das 2021 eingeführte Klimaticket kostete anfangs 1.095 Euro – nach der Formel drei Euro pro Tag für das ganze Land. Mittlerweile aber wurde von der Bundesregierung beschlossen, dass der Preis außerplanmäßig ansteigen und im Jahr 2026 dann 1.400 Euro betragen wird.
Was die 100 Euro mehr in Wien betrifft, wäre man auch im Bereich dessen, was Verkehrsexperten schätzen: „Aus Gründen der politischen Realität glaube ich nicht, dass man um mehr als 100 Euro anheben wird“, sagte WU-Logistik-Professor Sebastian Kummer zuletzt. Dem schloss sich Ulrich Leth, Verkehrsforscher von der TU Wien an: „100 oder 150 Euro mehr wäre leichter politisch zu argumentieren. Auch wenn man bei einer Verdoppelung sagen könnte, dass es nun zwei statt einem Euro pro Tag kostet.“
Für das Wiener Budget, das bis 2031 vorwiegend ausgabenseitig saniert werden soll, würde das bereits eine Entlastung bedeuten: Zuletzt musste die Stadt den Wiener Linien nur zur Stützung der 365-Euro-Jahreskarte jährlich rund 200 Millionen Euro zuschießen. Eine Preiserhöhung um 100 Euro würde demnach rund 80 Millionen Euro pro Jahr einbringen (gemessen an rund 800.000 echten Jahreskartenbesitzern).
„Ein Erfolgsmodell“
Bei den Wiener Linien heißt es zur Frage, ob sich die Preisgestaltung des 365-Euro-Tickets ändern wird: „Da die neue Legislaturperiode erst am Dienstag begonnen hat, ist es zu früh, irgendwelche Aussagen zu treffen.“ Und weiter: „Die Jahreskarte ist ein Erfolgsmodell.“
Ausschlaggebend für diesen Erfolg sei ein hochwertiges, verlässliches Angebot, das durch eine faire Preisgestaltung ergänzt wird, heißt es. Der hohe Qualitätsstandard sei außerdem das Ergebnis konsequenter Investitionen und einer klaren politischen Entscheidung für den öffentlichen Verkehr.
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