Ob sein wenig schmeichelhafter Spitzname wohl daran schuld ist, dass der Steinkauz weitgehend aus Österreich verdrängt wurde? Der Volksmund nennt ihn „Totenvogel“ und bescheinigt ihm, Bote eines nahenden Unglücks zu sein. Dabei müssen den Steinkauz eigentlich nur Mäuse und Insekten fürchten, denn sie sind die bevorzugte Beute der rund 22 Zentimeter großen Eule.
„Früher hat man die Steinkäuze überall gesehen, jetzt muss man sie mit der Lupe suchen“, beklagt Josef Paar aus Antau. Er und sein Golser Mitstreiter Hans Wurm haben es sich zur Aufgabe gemacht, der heimischen Steinkauz-Population wieder auf die Sprünge zu helfen. Bis in die 1970er-Jahre war die kleine Eule in Österreich weit verbreitet, heute steht sie auf der Roten Liste der gefährdeten Brutvögel. In Österreich sind nur noch einige wenige Inselvorkommen des Steinkauzes in Niederösterreich und Oberösterreich übrig geblieben.
Im Burgenland hat die kleine Eule zuletzt einen beachtlichen Aufschwung erlebt. Aus vier bekannten Brutpaaren im Jahr 2017 im Bezirk Neusiedl am See sind vier Jahre später mehr als 60 geworden. Zu verdanken ist das in erster Linie den Bemühungen der beiden Pensionisten.
Ein kauziges Hobby
„Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich Hans Wurm mit strahlenden Augen an seine erste Begegnung mit einem Steinkauz zurück. Im Jahr 2016 darf er bei einer Beringung helfen. „Da habe ich das erste Mal einen Steinkauz in der Hand gehabt und war gleich begeistert von dem kleinen Vogel.“
Das Feuer war entfacht, und der Golser Pensionist hatte ein „kauziges“ Hobby gefunden. Er übernimmt die Betreuung der kleinen Steinkauz-Population im Bezirk und macht sich daran, neue Brutkästen zu basteln. Das Material dafür bekommt er von der Golser Firma Holzbau Kast spendiert. Bald wird Josef Paar aus dem Bezirk Mattersburg auf die Arbeit von Hans Wurm aufmerksam. Auch ihm hat es der Steinkauz angetan. Fortan machen die beiden Pensionisten gemeinsame Sache.
Sie bringen ihre Brutkästen überall dort an, wo es sinnvoll und erwünscht ist – an Gebäuden, Bäumen und an Eisenstehern. Der Steinkauz nistet am liebsten in Baumhöhlen auf Streuobstwiesen, wo er im niedrigen Gras leicht Beute findet. Wie sich herausgestellt hat, fühlt sich die Eule aber auch zwischen schonend bewirtschafteten Weingärten äußerst wohl.
Im Weingarten zu Hause
Zum Beispiel zwischen den Reben des Frauenkirchner Winzers Josef Umathum. In seinen Weingärten stehen schon drei Nistkästen. In einem davon sind vor Kurzem drei kleine Steinkäuze geschlüpft. Heuer dürften noch viele Jungvögel dazu kommen, denn die Brutsaison ist in vollem Gang. Zu den zirka 60 Steinkauz-Familien, die sich in den Nistkästen der beiden Eulenfreunde niedergelassen haben, kommen nach der Schätzung von Hans Wurm noch rund 30 „Gebäudebrüter“.
Mit ihren Erfolgen haben die Herren Wurm und Paar auch schon in der europäischen Ornithologen-Community und beim „Eulenpapst“ Wolfgang Scherzinger für Aufsehen gesorgt. Fördergelder beziehen die beiden bislang aber nicht. „Wir bekommen viel mehr als Geld. Der Steinkauz bedankt sich indirekt, indem er Glückshormone in uns auslöst“, schwärmt Hans Wurm. „Wir sind freischaffende Narren“, ergänzt Josef Paar scherzend.
Unterdessen breitet sich der Steinkauz im Burgenland stetig weiter aus. Das tut er allerdings sehr langsam: Die kleine Eule bewegt sich meist nicht weiter als ein paar hundert Meter von ihrem Nistplatz weg. Da ist es umso erfreulicher, dass der Steinkauz heuer erstmals wieder eine Bezirksgrenze überschritten hat: Ein Brutpaar hat sich in einem Nistkasten in Breitenbrunn im Bezirk Eisenstadt-Umgebung niedergelassen. „Der Sepp will erleben, dass der Steinkauz bei ihm im Bezirk Mattersburg auch einmal einzieht“, setzt Hans Wurm lachend das nächste Ziel der Steinkauz-Gurus.
Vogel der Weisheit
Bei so viel regem Leben kann von einem „Totenvogel“ keine Rede sein. Ein anderes Pseudonym aus der Antike ist für den Steinkauz weitaus passender, sind sich Hans Wurm und Josef Paar einig: Für die alten Griechen war er der „Vogel der Weisheit“ und diente als Sinnbild der Pallas Athene. An seine Verbindung mit der griechischen Göttin erinnert bis heute seine wissenschaftliche Bezeichnung: „Athene noctua“. Und sogar den Weg in die europäischen Geldbörsen hat der Steinkauz gefunden: Sein Bild schmückt die Rückseite der griechischen 1-Euro Münze.
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