Wenn sich Asylwerberinnen emanzipieren

Petimat (28) aus Tschetschenien und Aida (18) aus Moldawien haben im Haus der Frauen Schutz gefunden.
Für Frauen, die sich in Österreich von ihren Männern trennen, gibt es nur wenig geschützte Quartiere.

Immer wieder hat ihr Mann sie geschlagen, gedemütigt und unterdrückt. Mehrmals musste Petimat nach den Prügelattacken ins Krankenhaus, nie erstattete sie Anzeige. Eines Tages stand für die 28-Jährige fest: "Ich will nur noch weg von diesem Mann." Der Schritt, sich scheiden zu lassen, wäre in ihrer Heimat Tschetschenien nie möglich gewesen. In Österreich, wo sie seit sechs Jahren als Asylwerberin lebt, schon.

Nach der Trennung wurde sie mit ihren beiden Söhnen, zehn und elf Jahre alt, in einem Frauenhaus in Niederösterreich untergebracht – weit weg von ihrem Ex-Mann, mit dem sie bis vor einem Jahr in einem anderen Asylquartier gelebt hat. In der geschützten Einrichtung für Asylwerberinnen ist die nun alleinerziehende Mutter endlich zur Ruhe gekommen.

Das hat auch Aida aus Moldawien, die hier mit ihrem dreijährigen Sohn lebt, bitter nötig. Der Kindsvater sei ihr ständig auf den Fersen, sagt die 18-Jährige: "Immer, wenn es an der Tür läutet, habe ich Angst, dass er kommt und mir mein Kind wegnimmt. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll."

Angst vor der Zukunft

Im Haus der Frauen stehen rund um die Uhr Psychologinnen und Sozialarbeiterinnen zur Verfügung. "Die meisten Frauen fürchten sich vor der Zukunft. Sie wissen nicht, ob sie alleine zurechtkommen – mit den Kindern, mit dem Lebensunterhalt. Wir versuchen, sie darauf vorzubereiten und ihnen Sicherheit zu geben", sagt Barbara Gerhart vom Verein "menschen.leben".

"Gewaltexzesse in ihrer Heimat interessieren niemanden. Aber hier greift jemand ein."

Wenn sich Asylwerberinnen emanzipieren
Frauenhaus, Asylanten, Asylantenheim
Derartige Einrichtungen sind in Österreich spärlich gesät. Zwar haben die meisten Quartiere abgetrennte Bereiche für Familien. Eigene Häuser für Frauen und Kinder gibt es auf Bundesebene aber nur in Traiskirchen (240 Plätze) und in der Grundversorgung nur in Niederösterreich, Salzburg und Kärnten. Das ergab eine parlamentarische Anfrage der Grünen Frauensprecherin Berivan Aslan, die hier Nachholbedarf sieht.

Laut einem Bericht der UNO-Flüchtlingshilfe sind Frauen auf der Flucht und in den Asylunterbringungen einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen zu werden. Und ihr Anteil wird immer höher: Waren im Juni 2015 noch 27 Prozent der Neuankömmlinge Frauen und Kinder, sind es im Jänner schon 55 Prozent.

"Es ist spürbar, dass seit Herbst mehr Familien kommen", bestätigt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums. Einen Grund, das entsprechende Angebot in den Bundeseinrichtungen aufzustocken, sehe man aber vorerst nicht.

Mutige Trennung

Das Quartier in Niederösterreich bietet 50 Plätze. Laut Barbara Gerhart ist etwa ein Drittel der Frauen alleinstehend, zwei Drittel sind von ihren Männern getrennt.

Wenn sich Asylwerberinnen emanzipieren
Frauenhaus, Asylanten, Asylantenheim
Aktuell läuft bei drei Frauen ein Scheidungsverfahren. Ein mutiger Schritt, den sich viele – wie die Tschetschenin Petimat – erst in Österreich trauen, sagt Gerhart: "Wenn sie in ihrer Heimat geschlagen werden, interessiert das niemanden. Aber hier schreitet jemand bei Gewaltexzessen ein." Auch die Abhängigkeit vom Ehemann relativiere sich in der westlichen Kultur. "Sie sehen, dass für eine Frau ein selbstbestimmtes Leben möglich ist. Viele legen das Kopftuch ab oder wollen arbeiten gehen", schildert sie.

Der Ausbruch aus einer schlechten Ehe könne recht schnell gehen: Eine 24-jährige Irakerin etwa, die im August mit dem Flüchtlingsstrom nach Österreich gekommen war, zog bereits wenige Wochen später ins Frauenhaus und reichte kürzlich die Scheidung ein. Es gebe aber auch Rückschläge, räumt Gerhart ein. So verließ eine 19-Jährige aus dem Irak die Einrichtung, um zu ihrem gewalttätigen Ehemann zurückzukehren.

Aus juristischer Sicht sind Scheidungsverfahren in Österreich dann möglich, wenn man plant, hier seinen Lebensmittelpunkt zu schaffen, erklärt Brigitte Birnbaum, Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer und Spezialistin für Familienrecht: "Wenn jemand einen Asylantrag gestellt hat und sich seit mehreren Monaten hier aufhält, wäre das ein Indiz dafür." Bei Gewalt oder Ehebruch könne die Ehe nach österreichischem Recht auch ohne Einwilligung des Mannes geschieden werden. Asylwerberinnen bekommen für dieses Verfahren kostenlosen Rechtsbeistand.

Oberösterreich

Freitagabend wurde in Kremsmünster eine 45-jährige Frau, die mit ihrem Hund spazieren ging, bei der Bezirkssporthalle von einem Angreifer plötzlich von hinten gepackt und festgehalten. Ein zweiter Mann näherte sich von vorne und griff der Frau zwischen die Beine. Die Spaziergängerin konnte sich aus der Umklammerung lösen, in dem sie einem Angreifer einen Schlag ins Gesicht und dem anderen einen Fußtritt versetzte. Die Männer flüchteten. Das Opfer beschreibt die Täter als nicht älter als 20 Jahre, etwa 1,80 Meter groß und sehr schlank. Sie hatten dunklen Teint und schwarze Haare.

Salzburg

In Salzburg kam es Samstag gleich zu zwei Übergriffen. In der Stadt Salzburg wurde am Abend eine 21-jährige Frau aus dem Pongau von einem ebenfalls 21-jährigen Marokkaner im Bereich des Salzburger Hauptbahnhofs sexuell belästigt. Die Frau wurde am Körper betastet. Offenbar habe der Täter dabei versucht, die Schlüssel aus der Hosentasche der Frau zu stehlen, vermutet die Polizei. Der Marokkaner wurde festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum Salzburg eingeliefert. In der Salzburger Altstadt in den frühen Morgenstunden eine 25-jährige Salzburgerin im Flur eines Wohnhauses in der Salzburger Altstadt von einem bis dato unbekannten Mann belästigt, indem er ihr mit der Hand an das Gesäß fasste.

Vorarlberg

In der Nacht auf Samstag wurde die Polizei in eine Asylunterkunft in Götzis gerufen, weil dort ein 22-Jähriger seine Frau geschlagen hatte. Da der Mann seine Frau angeblich bereits zuvor mehrmals tätlich angegriffen haben soll, wurde eine Wegweisung ausgesprochen. Diese wollte der Mann aber nicht akzeptieren. Er schrie, schlug mit dem Kopf gegen einen Betonklotz, und drohte den Beamten schließlich mit einem Pflasterstein. Anschließend versuchte er zu flüchten. Kurz darauf wurde der Mann mithilfe eines Hundes gestellt und festgenommen.

Kärnten

Turbulent wurde es in der Nacht zum Sonntag auch vor einer Klagenfurter Diskothek. Nachdem Einheimische schon zwei schwere Zwischenfälle mit einem Verkehrsunfall am Parkplatz und einer Rauferei verursacht hatten, sah sich eine 18-jährige Kellnerin gegen 5 Uhr Früh von vier männlichen Jugendlichen südländischen Typs umzingelt. Als einer der Jugendlichen die Kellnerin anfassen wollte, wehrte sie sich mit einem Pfefferspray. Die Jugendlichen traten daraufhin die Flucht an. Eine Fahndung der Polizei verlief negativ.

Psychosoziale Hilfe

Abseits der sexuellen Übergriffe sieht die Präsidentin der Organisation "Ärzte ohne Grenzen Österreich" einen erhöhten Bedarf an psychosozialer Hilfe für Flüchtlinge. Weil viele Flüchtlinge traumatisierende Erlebnisse und Situationen erlebt haben, käme es unter anderem "zu Aggressionsausbrüchen, weil eine permanente Anspannung nicht mehr kontrolliert werden kann."

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