In fünf von neun Bundesländern wird die Gewaltpräventionsberatung vom Verein Neustart durchgeführt, von Sozialarbeitern wie Elisabeth Schwab. Bereits am 1. September, also mit Inkrafttreten, hatte sie das erste Beratungsgespräch mit einem Gefährder. Die Männer – nur knapp zehn Prozent sind Frauen – müssten ihr zuerst schildern, was vorgefallen sei. Zweiter Schritt sei die Krisenintervention: Wo kann der Betroffene schlafen? Kern aber sei die sogenannte Normverdeutlichung, also klarzumachen, dass Gewalt gesellschaftlich nicht akzeptabel ist. Das alles mit dem Ziel, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und zur Veränderung zu motivieren.
„Die Klienten sind am Anfang oft nervös und skeptisch. Beim zweiten oder dritten Termin höre ich aber häufig, dass es guttut, darüber zu reden. Eine Wegweisung ist eben kein Thema, das man am Stammtisch bespricht“, sagt die Sozialarbeiterin. Ein Großteil würde sich in der Beratung öffnen. Natürlich komme es vor, dass sie auf Widerstand stoße. „Deshalb ist es wichtig, dass die sechs Stunden verpflichtend sind.“ Verweigert man die Unterweisung, drohen 2.000 Euro Strafe, im Wiederholungsfall 5.000 Euro.
Karin Pfolz sagt, sie sei in ihrer Ehe zum „Küchenkastl“ mutiert. Sie meint, dass ihr Ex-Mann sie als Eigentum betrachtet habe. Deshalb sei die Zeit der Trennung auch eine so gefährliche für Frauen. Ihr großes Glück sei die Nachbarin gewesen, die ihr vollgeräumtes Auto gesehen habe. Sie wollte flüchten, wusste aber nicht wohin. „Da hat mir die Nachbarin einen Schlüssel zugeschoben und gesagt, ich kann in ihre leer stehende Wohnung“, erzählt sie.
Karin Pfolz war immer wieder bei der Polizei. Einmal habe man ihr gesagt, sie soll ihren Mann zur Einvernahme schicken. „Wie stellen Sie sich das vor?“, habe sie empört geantwortet. Das letzte Mal zur Polizei ging Pfolz nach der Scheidung, als er sie erneut angriff. Ihr Ex-Mann bekam eine Geldstrafe. Die sechs Stunden Präventionsberatung hält sie für zu gering. Mindestens 20 bis 30 Stunden seien notwendig, außerdem eine Psychotherapie für Gefährder.
Kritik an der Gewaltpräventionsberatung kommt auch vom Verein Autonome Frauenhäuser. „In nur sechs Stunden kann ein Täter keine Verantwortung übernehmen“, ist sich Geschäftsführerin Maria Rösslhumer sicher. Sie hätte ein achtmonatiges Antigewalttraining als sinnvoller erachtet. Außerdem bemängelt sie die fehlende Transparenz der Anbieter wie Neustart. Wichtig sei nämlich eine opferschutzorientierte Täterarbeit, was auch einen Austausch mit den Opferschutzorganisationen bedeuten würde. „Wenn die Anbieter Kontakt zu den Opferschutzeinrichtungen aufnehmen wollen, braucht es die Zustimmung der Täter. Das ist prekär.“
Sozialarbeitern Elisabeth Schwab betont, nach sechs Stunden Gewaltpräventionsberatung habe man zumindest „einen Fuß in der Tür“. Danach weist sie Gefährder auf weiterführende Angebote hin, wie Psychotherapie oder Antigewalttraining. Zudem trifft Neustart eine Risikoeinschätzung. Besteht ein hohes Risiko, rege man eine sicherheitspolizeiliche Fallkonferenz an, wo Schutzmaßnahmen auch mit dem Opferschutz besprochen würden. In den drei Monaten sei das aber noch nicht der Fall gewesen. Dennoch: „Zu glauben, man könne Gewalt gegen Frauen zu hundert Prozent verhindern, ist utopisch“, sagt Schwab. Und Präventionsarbeit brauche es nicht nur bei potenziellen Tätern, sondern auch an Schulen und am Arbeitsplatz, um größeres Bewusstsein zu schaffen.
Mehr Bewusstsein und Zivilcourage wünscht sich auch Karin Pfolz. „Wenn einer Kollegin das Geldbörsel gestohlen wird, ist es selbstverständlich, ihr zu helfen. Kommt eine Kollegin mit blauem Auge in die Arbeit, nicht.“ Der Gang zur Polizei sei meistens erst der letzte Schritt, das direkte Umfeld könne früher reagieren. Täterarbeit sei wichtig, um Gefährdern einen Weg zu zeigen, wie sie mit Aggressionen umgehen sollen. Gleichzeitig brauche es aber eine gute Zusammenarbeit zwischen Frauenhäusern und der Exekutive und mehr Geld für den Opferschutz sowie psychologische Betreuung, auch für Kinder aus gewaltvollen Beziehungen.
Pfolz hat das Erlebte in vielen Therapiestunden und einem Buch aufgearbeitet. Heute gibt sie Workshops zur Gewaltprävention. Als Opfer möchte sie nicht dargestellt werden. „Wir Betroffene sind starke Frauen. Sonst würden uns die Täter ja nicht brechen wollen.“
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