Wenn das Kopftuch zum Stigma wird

Pharmaziestudentin Saly A.
Nicht nur aus der Arbeitswelt werden mehr Beschwerden gemeldet als in den Vorjahren.

Pharmaziestudentin Saly A., die im Irak geboren wurde, wurde aufgrund ihrer Religion eine Anstellung verwehrt. "Ich habe im 16. Bezirk um einen Aushilfsjob in einer Apotheke angefragt. Dort hätte man es jedoch zur Bedingung gemacht, dass ich mein Kopftuch ablege. Das kam für mich nicht infrage", schildert die junge Wienerin. Der Standpunkt des Arbeitgebers bleibt der 22-Jährigen ein Rätsel: "Das ist doch paradox. Zuerst wird man hier in Österreich top ausgebildet – und dann wird man abgelehnt, weil man ein Kopftuch trägt. Das ist doch ein Schuss ins eigene Knie."

Bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft hört man oft von Fällen wie diesem. Heuer öfter als je zuvor. Wurden in den Jahren 2012 bis 2014 im Schnitt 80 bis 90 Beschwerden wegen "religiös bedingter Diskriminierung" aus der Arbeitswelt an die Beschwerdestelle herangetragen, so waren es heuer bereits 120, berichtet Gleichbehandlungsanwältin Birgit Gutschlhofer. Viele davon bezogen sich auf das Tragen eines Kopftuchs.

Schadenersatz

"Die häufigsten Beschwerden betreffen Bewerbungsgespräche – das zieht sich quer durch alle Branchen. Da heißt es: ,Sie bekommen den Job nicht, wenn Sie sich weigern, bei der Arbeit das Kopftuch abzulegen.‘ Oder in anderen Fällen entscheiden sich Musliminnen erst nachträglich, dass sie es am Arbeitsplatz tragen wollen, worauf ihnen die Kündigung angedroht wird."

Betroffen seien dabei sowohl Frauen, die sichtbar im Service arbeiten, als auch solche, die im Büro oder im Lager tätig sind, erklärt Gutschlhofer. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft kann in solchen Fällen Schadenersatz für Betroffene erkämpfen.

Der Rassismus-Bericht 2014 bestätigt zudem die Zunahme von Aggressionen gegen Muslime. Die Beratungsstelle ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) verzeichnete ab dem zweiten Halbjahr einen signifikanten Anstieg rassistischer Übergriffe – waren es 2013 noch 31 gemeldete Fälle, hat sich die Zahl 2014 auf 62 verdoppelt. Die Dunkelziffer ist freilich höher. "Dabei ließ sich eine zeitliche Überschneidung mit den medialen und politischen Debatten über die Gräueltaten der Terrormiliz ,Islamischer Staat‘ feststellen", erklärt ZARA-Geschäftsführerin Claudia Schäfer.

Verbale Attacken

Die Vorfälle reichen von antimuslimischen Schmierereien und Hasspostings über Diskriminierungen in der Schule und am Arbeitsplatz bis hin zu körperlichen Übergriffen. Hauptbetroffen sind Personen, die aufgrund äußerlicher Merkmale, wie etwa einem Kopftuch, dem Islam zugeschrieben werden.

Aufgrund dieser Entwicklung richtete die Islamischen Glaubensgemeinschaft vor einem Jahr eine eigene Anti-Diskriminierungs-Dokustelle ein (siehe unten).

Sprecherin Elif Öztürk berichtet, dass in erster Linien Alltagsrassismen gemeldet werden. "Die Mehrheit sind verbale Attacken", sagt Öztürk und schildert ein paar Beispiele: "Leute werden auf der Straße als Terroristen beschimpft. Jemand zerrt eine Frau, die ein Kopftuch träg, an der Kleidung und fragte sie, ob sie ,den Fetzen‘ auch im Sommer trage. Und wieder ein anderes Mal spuckte jemand ein Kind an und imitierte dann gegenüber der geschockten Mutter mit den Händen ein Maschinengewehr."

Oft würden auch Schülerinnen ob ihres Kopftuchs bedrängt. Solche Fälle werden der Dokustelle allerdings kaum gemeldet. Und auch beim Wiener Stadtschulrat liegen kaum derartige Beschwerden vor. "Ein Grund könnte sein, dass die Mädchen eine schlechtere Benotung befürchten", meint Öztürk. "Oder weil sie glauben, dass sich ohnehin nichts ändern wird."

Hilfe für Betroffene

Dokustelle Die Anlaufstelle der Islamischen Glaubensgemeinschaft informiert über rechtliche Rahmenbedingungen. Kontakt:  0676/4040 005 oder per eMail: dokustelle@derislam.at

Gleichbehandlungsanwalt 0800 206 119 (Nulltarif) www.gleichbehandlungsanwaltschaft.at

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