Welches Risiko das Land Tirol mit dem Wasserstoffzug fährt

Welches Risiko das Land Tirol mit dem Wasserstoffzug fährt
Experte der TU Wien warnt vor einer Verschwendung von Steuergeld und Strom bei der Umrüstung der Zillertalbahn

Das Aus für Technikvorstand Helmut Schreiner bei der Zillertalbahn ist seit Dienstag beschlossene Sache. Der Verfechter eines Wasserstoffzugs als Ersatz für die Dieselfahrzeuge auf der Bahnstrecke Jenbach-Mayrhofen hat sich, wie berichtet, mit einem falschen Doktorgrad geschmückt und eine Dissertation kopiert.

Das Wirken Schreiners bei den Zillertaler Verkehrsbetrieben hallt jedoch weiter nach. Denn das Land hält am von Schreiner forcierten Wasserstoffprojekt fest.

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Dabei ist selbst Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) klar, dass die Umrüstung im Vergleich zu einer klassischen Oberleitungsbahn innerhalb von 30 Jahren Mehrkosten von bis zu 180 Millionen Euro kosten kann. Das hat ein Gutachten ergeben, das für die Landesregierung als Entscheidungsgrundlage gedient hat.

Die falsche Wahl?

„Wasserstoff ist nur sinnvoll, wenn es keine Alternative in Form von Elektrifizierung oder Batterie gibt.“

Das sagt nicht irgendjemand. Sondern das St. Galler Tagblatt hat im März bei einem Bericht über den Wasserstoffzug des Schweizer Herstellers Stadler dessen Verkaufs- und Marketingchef Ansgar Brockmeyer mit dieser Aussage zitiert. Das ist jenes Unternehmen, bei dem das Land für das Zillertal die Wasserstoffgarnituren bestellen will.

Gegen eine Elektrifizierung – also eine Oberleitung für die Zillertalbahn – sträubte sich Aufsichtsratsvorsitzender Franz Hörl und ÖVP-Nationalratsmandatar immer vehement. Die sei „innovationsfeindlich“, außerdem wolle man im Zillertal nicht noch mehr Stromleitungen, als es ohnehin gibt.

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Dabei gäbe es noch eine weitere Alternative zum Wasserstoffzug, die das Landschaftsbild nicht beeinträchtigt und Stadler-Marketingchef Brockmeyer selbst genannt hat: die Batterie.

Für Manfred Schrödl, Leiter des Instituts für Energiesysteme und Elektrische Antriebe an der TU Wien, ist es nicht nachvollziehbar, dass diese Variante nie ernsthaft diskutiert wurde. Dabei würde sogar Stadler beide Konzepte anbieten.

Welches Risiko das Land Tirol mit dem Wasserstoffzug fährt

Die Dieselloks der Zillertalbahn brauchen 900.000 Liter Diesel im Jahr. Mit Wasserstoff soll der Betrieb CO2-neutral werden

„Man hat sich nur zwei von drei Möglichkeiten angeschaut“, sagt der Wissenschafter. Für ihn ist aber klar: „So lange ein Akkuzug darstellbar ist, gewinnt er immer gegen Wasserstoff.“

Weniger effizient

Und das sei im Zillertal mit einer Strecke von 32 Kilometern je Richtung der Fall, versichert Schrödl. Er sieht im Vergleich zum Batteriezug beim Wasserstoff massive energetische Nachteile: Der muss bekanntlich zunächst mit Strom erzeugt werden. So kommen nur 27 Prozent der Energie auf der Schiene an, beim Batteriefahrzeug sind es immerhin 65 Prozent.

Schrödl hat den Strombedarf beider Varianten auf der Zillertalbahn kalkuliert. Demnach würde ein Akkuzug fünf Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr im Betrieb benötigen – eine Million mehr als bei einem Oberleitungsfahrzeug. Für den Betrieb eines Wasserstoffzugs hingegen wären zehn Millionen Kilowattstunden nötig.

„Damit würde die Hälfte des Stroms verschleudert“, so das Fazit des TU-Professors. Ihm gehe es auch darum, „dass nicht Steuergeld verschwendet wird“, sagt Schrödl in Bezug auf die Mehrkosten für den Wasserstoffzug.

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Das Verschleudern von Energie, wie er es nennt, hat aber noch eine Komponente. Um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu schaffen, gibt es bekanntlich einen riesigen Aufholbedarf an erneuerbaren Energien. Gleichzeitig muss Strom bestmöglich gespart werden, um die Ziele zu erreichen. „Dazu ist die öffentliche Hand auch im Energieeffizienzgesetz angehalten“, so Schrödl. „Das wird hier konterkariert.“

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