Geschworene irrten: Prozess um Mordversuch neu aufgerollt

Landesgericht Wien
Im ersten Prozess stimmten Geschworene in der Schuldfrage mit 4:4 ab. Der Freispruch wurde von den Berufsrichtern ausgesetzt.

Zum zweiten Mal musste sich am Donnerstag ein 52-Jähriger wegen versuchten Mordes am Wiener Landesgericht verantworten, weil er am 19. August 2021 bei der U-Bahnstation Pilgramgasse seine Ehefrau mit einem Messer attackiert hat.

Bei seinem ersten Prozess hatten die Geschworenen den Angeklagten mit 4:4 Stimmen vom Mordversuch freigesprochen. Die Berufsrichter setzten das Urteil daraufhin aus. In der Neuauflage bestritt der Angeklagte erneut eine Tötungsabsicht.

Der 52-jährige gebürtige Serbe ist seit mehr als 20 Jahren mit der Frau, die inzwischen eine Scheidungsklage eingebracht hat, verheiratet und hat mit ihr einen gemeinsamen Sohn. Die Ehe habe von Anfang an unter dem Kontrollwahn und der starken Eifersucht des Angeklagten gelitten.

Die 45-Jährige habe regelmäßig ihr Handy zur Kontrolle abgeben und sagen müssen, wohin sie ging und mit wem sie sich traf. Zusätzlich habe er Videokameras in der Wohnung installiert. Als er zu einer Beerdigung nach Serbien musste, habe der Familienvater die Frau sogar drei Tage in der Wohnung eingesperrt. Im Jahr 2004 habe der Mann seiner Frau auch noch ein Verhältnis mit ihrem Stiefsohn unterstellt.

Bedrohliche Nachrichten

Am 16. Juni 2021 sprach die Frau schließlich die Trennung aus und verließ die Wohnung, ohne dem Mann ihren Aufenthaltsort zu nennen. Der Verdächtige habe die 45-Jährige daraufhin mit SMS-Nachrichten bombardiert, sie möge doch zu ihm zurückkehren. Die Nachrichten seien laut Anklage immer bedrohlicher geworden, etwa: „Für alles, was du mit mir gemacht hast, wird meine Rache schmerzhafter sein.“ Über den zurückgelassenen Laptop der Frau habe sich der Mann schließlich in deren Google-Konto eingeloggt und ihr Handy geortet. So habe er herausgefunden, dass die Frau bei einer Freundin in der Nähe der U-Bahnstation Pilgramgasse wohnte.

Am 19. August fuhr der Angeklagte dann mit einem in einer Zeitung eingewickelten Messer zu der U-Bahnstation. Als er seine Frau sah, ging er auf der Pilgrambrücke auf sie zu und stach ihr mehrmals mit dem Messer in den Körper, bevor sich Passanten einschalteten.

Der Verletzten gelang es, sich vom Boden aufzurappeln und davonzulaufen. Der 52-Jährige rannte ihr jedoch hinterher, wobei er Zeugen zufolge schrie, dass sie „sein Leben zerstört hat und er sie umbringen wird“.

Opfer weiter verfolgt

Er verfolgte sein Opfer über die Pilgrambrücke in Richtung Linke Wienzeile, wo es der Frau gelang, ihn mit Pfefferspray außer Gefecht zu setzen. Danach fixierten Zeugen den Mann auf dem Boden. Die Frau erlitt nur deshalb keine noch schwereren Verletzungen, weil der Winkel bei den Stichattacken zu steil gewesen war. Dafür leidet sie seitdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Bei seinem Geschworenenprozess (Vorsitz: Richter Johannes Varga) bestritt der Mann erneut jede Tötungsabsicht. „Ich wollte sie erschrecken“, sagte er bei seiner Einvernahme. Das Messer sei zufällig in der Jacke gewesen, da er es am Vortag zu einem Waldspaziergang mitgenommen hätte. Die Stichverletzungen müssten wohl „in einem Gerangel“ passiert sein.

Allerdings könne er sich nicht an Details erinnern, da er von einem Passanten einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte. „Ich bin kein Alkoholiker, ich bin kein Mörder, ich bin kein Terrorist“, versicherte er. Seine Anwältin, Astrid Wagner, gab zu bedenken, dass der Angeklagte durch die körperliche Überlegenheit gegenüber seiner Frau, eine Tötungsabsicht wohl auch umgesetzt hätte.

"Gefahr für Familie"

Laut einem psychiatrischen Gutachten leidet der Angeklagten zwar an einer wahnhaften Störung, diese ist aber nicht so ausgeprägt, dass er beim Tatzeitpunkt nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden hätte können. Allerdings geht von dem Mann - sofern er sich nicht behandeln lässt - eine große Gefahr für seine Familie aus, so das Gutachten.

Von der Staatsanwaltschaft wurde deshalb auch erneut zusätzlich die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (Paragraf 21 Absatz 2 StGB) beantragt. Ein Urteil wird für den späten Nachmittag erwartet.


Bei seinem ersten Prozess im März wurde der Angeklagte zum großen Erstaunen der Richter freigesprochen, da vier der acht Geschworenen keine Tötungsabsicht hinter der Tat sahen. Die drei Berufsrichter setzten daraufhin umgehend einstimmig das Urteil wegen „Irrtums der Geschworenen“ aus.

Kommentare