Was seit der Commerzialbank-Pleite geschah

Frankreich erinnert sich am 14. Juli an die Revolution von 1789 und den Sturm auf die Bastille. Im Burgenland ist der 14. Juli seit dem Vorjahr Tag des ruhmlosen Sturzes einer kleinen, von Gründer Martin Pucher beinahe absolutistisch geführten Bank.
Um 23.43 Uhr teilte die Finanzmarktaufsicht per Aussendung mit, dass der „Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG (...) mit sofortiger Wirkung“ der Fortbetrieb untersagt wird. Weil die Verästelungen der Pleite mittlerweile so unübersichtlich sind wie das Amazonas-Delta, hier eine kurze Zusammenschau wichtiger Daten.
Die Höhe des Schadens? Im Insolvenzverfahren der Commerzialbank haben laut Masseverwalter Gerwald Holper und Michael Lentsch (Kosch & Partner Rechtsanwälte) rund 400 Gläubiger Forderungen von 820 Millionen Euro angemeldet. Der Stand der Überschuldung beträgt nach Bereinigung um Malversationen rund 700 Millionen Euro. Damit handelt es sich nach Angaben der Kreditschützer von 1870 um den drittgrößten Insolvenzfall der österreichischen Wirtschaftsgeschichte und die größte Pleite im Burgenland.
Wer wird beschuldigt? Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führt rund 30 Beschuldigte, darunter zehn Firmen, rund um die Ex-Bankchefs Pucher und Franziska Klikovits. Anklagen gibt es noch keine. Die Masseverwalter haben Schadenersatzklage gegen den Bank-Abschlussprüfer TPA Wirtschaftsprüfung und die Republik Österreich wegen „jahrelangen Versagens der Organe“ eingebracht.
Wie kam es zur Pleite? Rund 40 Millionen Euro will Pucher unrechtmäßig entnommen und „seinem“ (ebenfalls insolventen) SV Mattersburg zugeschanzt haben. Laut Gerichtssachverständigem Karl Hengstberger seien zudem bisher 404 fingierte Kreditkonten gefunden worden. Schaden 2007 bis 2020: 123,2 Millionen Euro. Das System der Verschleierung ist aber noch nicht restlos aufgehellt, der Verbleib vieler Millionen rätselhaft.
Und die Politik? Gegen den Willen der mit absoluter Mehrheit regierenden SPÖ hatten ÖVP, FPÖ und Grüne im Burgenland einen Untersuchungsausschuss durchgesetzt. Verfahrensrichter Walter Pilgermair konnte nach sechs Monaten „keinerlei Mitwirkung eines politischen Organs oder eines Verwaltungsorgans des Landes (...) an den Malversationen“ feststellen. Einen Erfolg konnte die ÖVP dennoch verbuchen: Nach ihrer Anzeige ermittelt die WKStA gegen LH Hans Peter Doskozil und FMA-Chef Helmut Ettl wegen vermuteter Falschaussage im U-Ausschuss. Das einzige politische Opfer bisher ist SPÖ-Landesrat Christian Illedits, der nach einem Goldgeschenk des SV Mattersburg zu seinem 60. Geburtstag vor drei Jahren im August 2020 zurücktreten musste.

Martin Pucher (65) war Gründer und Vorstandschef der Commerzialbank, seit einem Jahr ermittelt die WKStA gegen ihn und rund 30 andere Personen und Firmen, es gilt die Unschuldsvermutung
Puchers Anwalt: „Nicht absehbar, wann Anklage erhoben wird“
Bis zum Ende der Commerzialbank war Martin Pucher eine öffentliche Person – als Bankgründer, Obmann des Bundesligisten SV Mattersburg und Präsident der Bundesliga (2005-2009). Seither hatte der 65-Jährige, der 2015 zwei Schlaganfälle erlitten hat, nur einen öffentlichen Auftritt. Am 3. Februar 2021 sagte er vor dem U-Ausschuss des Landtags in Eisenstadt aus.
Wie geht es ihm jetzt? Die Geschehnisse um den Zusammenbruch der Bank und der verursachte Schaden belasten seinen Mandanten „noch immer extrem“, sagt Anwalt Norbert Wess. Trotzdem stehe Pucher den Strafverfolgungsbehörden „jederzeit persönlich Rede und Antwort“. Die Frage seiner Verhandlungsfähigkeit im Falle einer Anklage stelle sich derzeit nicht, weil nicht absehbar sei, wann die Ermittlungen abgeschlossen seien und „von der WKStA Anklage erhoben wird“, so Wess.
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