Warum 400 österreichische Soldaten für die Jungfrau Maria marschieren
Es ist kurz vor 17 Uhr, als einem die Jungfrau Maria zum ersten Mal in Überlebensgröße erscheint. Als weiße Statue, die Hände gefaltet, Rosenkranz. So wird die Muttergottes in einer Felsspalte der weltberühmten Grotte von Lourdes dargestellt. Jenem Ort, an dem sie tatsächlich vor rund 100 Jahren dem 14-jährigen Bauernmädchen Bernadette Soubirous, das gerade beim Holzsammeln war, erschienen sein soll. Nicht einmal, sondern mehr als ein Dutzend Mal.
Seither zieht es jährlich über eine Million Pilger in den Wallfahrtsort, der etwa so groß wie Eisenstadt ist. Bis diese zur Grotte, und somit ins Zentrum des heiligen Bezirks, gelangen, müssen sie vorbei an Muttergottes-Kanistern für Weihwasser oder Muttergottes-Statuen – wahlweise mit beleuchtetem Heiligenschein oder ohne. Merchandising ist in Lourdes fast so heilig wie die Heilige Jungfrau selbst.
Jene Frauen und Männer, die heute vor der Grotte Aufstellung genommen haben, tragen keine Souvenirs, sondern Uniform.
Es sind 400 österreichische Soldaten, die zur traditionellen Soldatenwallfahrt nach Lourdes gekommen sind – so viele wie noch nie.
Gewinnt Pilgern in Zeiten des Krieges, von der Ukraine bis hin zum Nahost-Konflikt, an Wichtigkeit? „Der Krieg ist sicher wieder mehr in das Bewusstsein gerückt. Mein Ansatz lautet: Soldaten, die zusammenkommen und zusammen beten, schießen nicht aufeinander. Weil sie eine Beziehung aufgebaut haben. Und Friede ist am Ende nichts anderes als Beziehungsarbeit“, sagt Militärdekan Bischofsvikar Alexander Wessely, der die Delegation aus Österreich begleitet.
"Könnt nun alles loswerden"
Wessely hat die Gabe, Religion, Glaube oder die Erscheinungen von Bernadette so zu erzählen, dass sie greifbar werden. „Die Grotte war früher ein Schweinhort. An diesem dunklen, dreckigen Fleck ist Maria als Unbefleckte Empfängnis erschienen. Den ganzen Müll, alles was euch belastet und was ihr hierher mitgenommen habt, könnt ihr nun loswerden“, sagt der Militärdekan, der bereits zum 21. Mal bei der Wallfahrt dabei ist.
Doch warum zieht es Soldaten nach Lourdes? Einer, der vor zehn Jahren zum ersten Mal hier war und nun zurückgekehrt ist, ist Major Clemens Reismann.
Damals als Fahnenoffizier, heute erneut. Er ist jener Mann, der als Teil des Fahnentrupps des österreichischen Bundesheeres, gefolgt von der Militärmusik Steiermark und dem Kontingent samt Pilgern, neben der Fahne voranschreitet, wenn marschiert wird. Und für die Jungfrau Maria wird viel marschiert. Rund 15.000 Soldaten aus über 40 Nationen sind aktuell in der Stadt am Fuße der Pyrenäen. Dort ertönen Gesänge der Italiener, da die Klänge von Dudelsäcken der Iren.
"Beeindruckend und verbindend"
„Es ist beeindruckend und verbindend, wenn man Soldaten verschiedener Nationen trifft“, sagt Reismann. Für ihn hat die Reise ganz klar einen christlichen Hintergrund: „Als Katholik bin ich sehr froh, was Militär und Glaube verbindet.“ Dankbar zu sein für das, was man hat, war auch für einen anderen Österreicher zentral auf seinem Weg nach Lourdes: Vizeleutnant Florian Atzlesberger ist in zehn Tagen 2.230 Kilometer mit dem Rad von St. Johann am Wimberg bis nach Frankreich gefahren. „Ich wollte Lourdes einmal selbst erleben“, sagt er.
- Die 64. internationale Soldatenwallfahrt findet heuer von 22. bis 28. Mai in Lourdes in Frankreich statt. Sie ist eine der größten Wallfahrten in der Stadt am Fuß der Pyrenäen
- 15.000 Soldaten aus mehr als 40 Nationen nehmen daran teil. Darunter 400 aus Österreich – ein Rekord
- Auf Initiative französischer und deutscher Soldaten wurde die Wallfahrt 1958 gegründet. Motto 2024: „Kommt in Gemeinschaft hierher“
Ein Ort, an dem bei der Wallfahrt aber auch die andere Seite des Militärs sichtbar wird. Etwa wenn Veteranen im Rollstuhl zur internationalen Eröffnungsfeier in der unterirdischen Basilika Pius X geschoben werden.
Alle Nationen marschieren dabei mit ihren Fahnentrupps in alphabetischer Reihenfolge durch die Basilika. Bei vier Soldaten wird der Applaus der Anwesenden besonders laut. Jenen Männern, mit der gelb-blauen Fahne der Ukraine. Einer von ihnen hält eine weiße Rose. Wohl für den Frieden.
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