Erst in 20 Jahren wird sich der Wald von diesem Feuer erholt haben
Sogar am Telefon hört man Wiens Forstdirektor Andreas Januskovecz an, wie sehr ihn die aktuelle Situation mitnimmt. 115 Hektar Wald stehen in Hirschwang im Gemeindegebiet von Reichenau an der Rax in Flammen, die gesamte betroffene Fläche befindet sich im Eigentum der Stadt Wien. Januskovecz ist aber nicht nur formal der Hausherr, er kennt in der Region auch jeden Stein und jeden Baum. Elf Jahre lang war er zwischen Schneeberg und Rax Forstmeister, bevor er 2001 zum Herren über alle Wiener Wälder berufen wurde.
Aktuell ist der Boku-Absolvent freilich öfter zurück an seiner alten Wirkungsstätte, als ihm lieb ist. Täglich pendelt er aus Wien zur morgendlichen Einsatzbesprechung nach NÖ und zurück. „Geschlafen habe ich in den letzten beiden Tagen nicht viel“, erzählt er dem KURIER.
Ungünstige Wetterprognose
Das dürfte vorerst so bleiben, denn für die kommenden Tage ist zunehmender Wind prognostiziert, der das Feuer weiter anfachen und weitertragen könnte. „Das ist ungünstig für uns“, sagt Januskovecz, „wir rechnen mindestens mit sechs bis sieben weiteren Tagen reiner Brandbekämpfungszeit“. Nicht eingerechnet ist hier die Nachkontrolle und Suche nach Glutnestern. Insgesamt wird der Brand die Behörden noch über Wochen beschäftigen.
Die größte Herausforderung ist momentan, ein Übergreifen der Flammen auf die Rax zu verhindern. Dazu errichtet die Feuerwehr mit Wasserwerfern einen regelrechten Wasservorhang.
Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) bezeichnete die Lage am Mittwoch als „sehr kritisch“, betonte aber: „Zugute kommt uns jetzt die große Erfahrung der Feuerwehren, die sich seit Jahren auf Waldbrand-Einsätze intensiv vorbereitet haben.“
115 Hektar Wald
stehen in Hirschwang an der Rax in Flammen. Das entspricht etwa 160 Fußballfeldern.
500 Feuerwehrleute
versuchen aktuell, den Wald feucht zu halten. Fünf Großtanklöschfahrzeuge mit Wasserwerfern wurden in Stellung gebracht.
8 Helikopter
kämpften am Nationalfeiertag gegen das Feuer – vier vom Bundesheer, vier vom Innenministerium.
Vergleichbar große Waldbrände
wie den aktuellen in Hirschwang gab es in Österreich zuletzt im Jahr 2014 in der Tiroler Gemeinde Absam mit ca. 100 Hektar Brandfläche sowie im Jahr 2015 im Kärntner Lurnfeld mit 80 Hektar.
10.000 Hektar Wald
brannten 1778 in der Region Vomp bis zum Achensee in Tirol. Das entspricht einer Fläche von rund 14.000 Fußballfeldern. Es ist der größte dokumentierte Waldbrand in Österreich.
Heuer hätten bereits zwei große Waldbrand-Übungen stattgefunden, um das Zusammenspiel von Boden- und Lufteinheiten zu erproben. Auch spezielle Ausrüstung wurde angekauft.
Januskovecz ist genauso voll des Lobes für die Einsatzkräfte, die im teils unzugänglichen Gelände ihr Leben riskieren: „Wenn man da drinnen steht, da geht man in die Knie, da habe ich große Demut.“
Die Brandursache ist noch unklar, begünstigt wurde das Feuer jedenfalls von einem ungewöhnlich niederschlagsarmen Herbst. „Da oben ist alles staubtrocken“, berichtet Januskovecz.
Dass es heuer in der Ostregion tatsächlich wenig geregnet hat, bestätigt man seitens des Wetterdienstes Ubimet. Dieser betreibt eine Wetterstation in Reichenau an der Rax. „Besonders markant ist der Regenmangel im September“, erklärt Meteorologe Konstantin Brandes. Demnach gab es im langjährigen Mittel (1981 bis 2010) 97 Liter Regen pro Quadratmeter, heuer jedoch nur 28 Liter.
Aber auch im Oktober fiel weniger Regen als gewöhnlich: „Im langjährigen Mittel waren es 67 Liter pro Quadratmeter. Heuer kam man auf 29 Liter.“ Und Brandes fügt hinzu: „Juli und August waren hinsichtlich der Regenmengen glücklicherweise sogar etwas nasser als üblich. Sonst wäre der Boden wohl noch ausgedörrter.“
"Menschliche Eingriffe“
Dennoch macht Norbert Putzgruber, Leiter der Stabstelle Wald-Naturraum-Nachhaltigkeit bei den Österreichischen Bundesforsten, klar: „Dass es ganz von alleine zu brennen beginnt, ist nicht völlig ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Die meisten Waldbrände in Österreich werden durch menschliche Eingriffe verursacht – etwa eine weggeworfene Zigarette, Funkenflug durch die Eisenbahn, oder achtlosen Umgang mit offenem Feuer.“ Dass der Großbrand zum Beispiel aufgrund von Sonneneinstrahlung durch eine Glasscherbe entstanden sei, hält der Experte „rein theoretisch für möglich, in der Praxis passiert so etwas aber nicht so einfach.“
Trockenheit sei auch Ende Oktober nichts Außergewöhnliches, sagt Putzgruber: „Dürre ist ja nicht unbedingt eine Funktion der Hitze. Auch wenn es kalt ist, kann der Boden ausgetrocknet sein, im Sommer geht das nur schneller.“ Hinzu komme in Hirschwang das steile Gelände auf Kalkgestein. „Bei geringem Tongehalt kann die oberste Bodenschicht weniger Wasser speichern und so schnell sehr trocken werden.“
Welchen Schaden das Feuer am Ende angerichtet haben wird, lässt sich noch nicht sagen, er wird jedoch in die Millionen gehen. Versicherung gibt es keine, sagt Januskovecz. Viel größer sei aber ohnehin der ökologische Schaden. Es werde vor allem viel Zeit kosten, die verbrannte Fläche „wieder zu einem Wald zu machen“. Bis zu 20 Jahre werden die Aufforstungen dauern, schätzt der Forstdirektor.
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