Verschlingende Leidenschaft: Fleischfressende Pflanzen als Hobby
Links und rechts stapeln sich mit Erde gefüllte Blumentöpfe. Es ist eng und schummrig. Nur am Fenster sieht man es aus zwei Terrarien grell leuchten. Tiere sind darin keine zu sehen, nur Pflanzen. Peter Zeller öffnet die Glastür und greift mit der anderen Hand zu einem eigenartigen Instrument: Einer Stimmgabel, die oben auf dem Terrarium griffbereit liegt. Er schlägt sie auf sein Handgelenk und hält das schwingende Instrument zu einer zartrosa Blüte. Feine gelbe Partikel rieseln von ihr hinab.
„Die Sonnenkrüge geben ihre Pollen nur dann zur Bestäubung frei, wenn sie das Brummen einer Hummel spüren. Das imitiere ich mit der Stimmgabel“, erklärt er. Der Sonnenkrug ist eine fleischfressende Pflanze. Etwa 250 verschiedene Arten hat Zeller davon in seinem Garten, in seinem Glashaus und in dem renovierten alten Stadl, in dem er gerade steht.
"Wie beim Bauern"
Für Laien sind die 250 Arten, die Zeller auf seinem Anwesen in Pichl bei Wels in Oberösterreich gesammelt hat, nur schwer unterscheidbar. „Das ist wie beim Bauern: Wenn ich in seinen Kuhstall schaue, seh ich nur Kühe. Der Bauer kennt aber jede beim Namen.“ So ist es auch bei seinen Pflanzen, nennt er sie doch alle bei ihren lateinischen Namen.
Die kuriose Sammelleidenschaft begann früh: „Ich habe Biene Maja geliebt. In der Serie gibt es eine Folge, in der Willi in einer Venusfliegenfalle festsitzt. Ich dachte mir damals, da kann etwas nicht stimmen. Pflanzen fressen keine Insekten“, erinnert sich Zeller zurück. Bei einem Schulausflug in einen botanischen Garten sah er die Pflanze schließlich in natura. Zum Zeugnis schenkte ihm sein Vater seine erste Venusfliegenfalle.
Die gibt es aber nicht mehr: „Venusfliegenfallen sind sehr schwer zu halten. Für Anfänger eigenen sich eher Schlauchpflanzen“, sagt Zeller. Und genau auf diese hat er sich spezialisiert.
Fischflocken und Butterkäse
Bei den Schlauchpflanzen handelt es sich um einen passiven Fleischfresser – hier schnappt nichts zu. „Die Pflanze produziert oben am Rand Nektar. Die Insekten holen sich den, können sich aber wegen der Wachsschicht, die die Pflanze hat, nicht halten und fallen in die Falle. Der Nektar enthält außerdem Suchtgift, die Insekten werden ganz diesig“, erklärt Zeller, der gerade einen verdorrten Schlauch aufreißt und die Überbleibsel der gefressenen Fliegen zeigt. Mit der Zeit können sich diese bis obenhin an den Rand stauen.
Nahrung
Fleischfressende Pflanzen entwickelten sich im Laufe der Evolution. Da sie meist auf nährstoffarmen Böden wachsen, suchten sie sich eine andere Nahrungsquelle: Insekten.
Arten
Weltweit gibt es von den fleischfressenden Pflanzen 15 verschiedene Gattungen und etwa 3.000 Arten. In Österreich sind davon etwa 15 heimisch, wie der Sonnentau oder das Fettkraut. Diese sind streng geschützt.
Derzeit verdauen sie aber nichts, denn auch Schlauchpflanzen halten Winterruhe. „Werden die Temperaturen wärmer, werden sie wieder aktiv und beginnen dann zu blühen.“
Und gehen auf Jagd. „Hat man die Pflanzen draußen, braucht man sie nicht füttern, sie locken ihre Beute selbst mit Duftstoffen an“, sagt er. Hält man sie hingegen drinnen, wird es skurril: Denn haben sie zu wenig Nahrung, kann man neben Insekten Fischflocken und Butterkäse zufüttern. „Den Pflanzen geht es nur ums Eiweiß. In der Natur können sie sich das halt nur über Insekten holen.“ – Butterkäse kommt dort ja bekanntlich nicht vor.
Pflanzen, die zählen
Ob sie auch Finger fressen würden? „Aktive Fallen würden auslösen, aber es passiert nichts. Die brauchen für eine Fliege eine Woche zum Verdauen.“ Aus Jux und Tollerei sollte man etwa eine Venusfliegenfalle aber nicht auslösen, denn sie kann zählen: „Eine Venusfliegenfalle kann nur siebenmal schließen. Dann verdorrt das Blatt und es kommt ein neues.“
Das Wissen über die Exoten im Pflanzenreich wird in der Internationalen Gesellschaft für fleischfressende Pflanzen gesammelt. Zeller trifft – abgesehen von einer Pandemie-bedingten Pause – deshalb regelmäßig Gleichgesinnte, um sich, aber auch Pflanzen auszutauschen. So besitzt er auch – wie er sie nennt – Quotenpflanzen, wie die „Nepenthes spectabilis x aristolochioides“, eine Kannenpflanze. „Als anständiger Züchter muss man solche Stücke einfach zu Hause haben.“
Das Ziel der Gesellschaft sei aber die Arterhaltung. „Immer mehr fleischfressende Pflanzen sind wegen des Klimawandels vom Aussterben bedroht“, sagt Zeller. Regelmäßig fliegt er deshalb nach Nordamerika – das Land der Schlauchpflanzen –, um diese, so lange es noch geht, in freier Natur zu fotografieren. „Wenn ich dort bis zu den Knien im Sumpf stehe und die Pflanzen sehe, versumpfe ich.“
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